Rallye Zentraleuropa: "Es ist so viel schneller geworden."
Nach einem halben Jahrhundert Pause findet in Österreich wieder ein Rallye-WM-Lauf statt. Herbert Grünsteidl war 1973 Teilnehmer der Alpenfahrt. Ein Rückblick in eine andere Welt.
Das Telefon klingelt, der Bruder ist dran. Er müsse jetzt eigentlich los, sagt Herbert Grünsteidl, denn: "Der Käfer muss auf den Anhänger." Ob er das Interview lieber telefonisch fortführen wolle? "Gern!"
Herbert Grünsteidl, geboren 1944, ist ein echtes Urgestein im österreichischen Rallyesport. Er fuhr gegen Walter Röhrl und Achim Warmbold, der den späteren FIA-Präsidenten Jean Todt als Co-Pilot neben sich sitzen hatte. Und Europameister wurde er auch, 1977 im Rallyecross.
Wir trafen Herbert Grünsteidl in einer Pizzeria in der Linzer PlusCity. Die erinnert an diesem Donnerstag im Oktober mehr an einen Service Park (quasi der Boxengasse im Rallyesport) als an das Shopping Center, das sie eigentlich ist. Rally1-Boliden, WRC2-Autos – und mittendrin: Grünsteidls Salzburg-Käfer, mit dem er in den 1970ern Rallyes bestritt. Und der jetzt wieder in seinem Besitz ist.
— Herr Grünsteidl, wie geht’s Ihrem Käfer?
Herbert Grünsteidl: Dem Käfer geht's gut! Er steht in der Werkstatt und kriegt ein Anmeldegutachten. Dann kommt er nach Mattsee in den "fahr(T)raum", dort steht er über den Winter, bestens ausgestellt. Ich bin der Meinung: Das Auto gehört gesehen und nicht in einer dunklen Garage über den Winter versteckt.
— Wie ist es dazu gekommen, dass Sie den Wagen gekauft haben?
Das war ein Zufall. Mich hat ein Bekannter angerufen und gesagt: "Ich weiß, wo dein Auto ist." Ich habe die Telefonnummer des Besitzers bekommen und bin mit meiner Frau und einem Flascherl Wachauerwein hingefahren. Der Käfer war in Teile zerlegt, aber es war alles da. Verkaufen wollte er ihn uns aber nicht. Ich schätze, das war vor zehn Jahren.
– Wie kam es dann doch noch zum Kauf?
Im Zuge der Pandemie wollte ich meinen BMW 2002 verkaufen, weil ich gesagt habe: "Es reicht, ich fahr nix mehr." Im Zuge des Verkaufsgesprächs für den 2002 kam noch einmal der Käfer auf. Ob wir nicht daran gedacht hätten, noch einmal anzurufen. Meine Frau hat gesagt: "Jetzt probieren wir es noch einmal, aber diesmal rufe ich an." Einige Tage später hat der damalige Besitzer gesagt: "Das war dein Auto, also sollst du's auch wieder haben." Zwei Jahre lang habe ich den Käfer neu aufgebaut. Es ist ein wunderschönes Auto geworden. Und ein Originales.
— Der BMW, den Sie verkauft haben – war das jener, mit dem Sie die Alpenfahrt 1973 bestritten haben?
Nein, das Auto gibt es leider Gottes nicht mehr. Zwei 2002 hatte ich – beide sind spurlos verschwunden.
— Was ist Ihnen von der Alpenfahrt 1973 im Gedächtnis geblieben?
Teilweise waren die Sonderprüfungen so schlecht, dass mir die Stoßdämpfer hinten explodiert sind. Die hat's abgerissen und das Öl ist rausgeschossen. Gerade in der Lunzer Gegend war das extrem. Ich habe gekämpft, um mit dem Auto durchzukommen. Aber unterm Strich war ich eh hinterm Klaus Russling (2020 verstorbener Kärntner Rallyefahrer, Anm. d. Red.) am neunten Platz im Ziel.
Es war schon schön zu sehen, dass ich bei manchen Sonderprüfungen dabei war bei der Weltspitze, bei den zwei BMW-Werkspiloten, deren 2002 nicht 180 PS wie meiner, sondern 230 PS hatten.
Als Privatfahrer war das ein ganz besonders tolles Erlebnis. Es war aber auch eine Schinderei. Du bist nicht zum Schlafen gekommen, hattest fast keine Pausen und hast schauen müssen, dass du wach bleibst.
— Es gab jetzt im September ein Revival der Alpenfahrt zum 50. Jubiläum. Wie haben Sie den Event erlebt?
Es wäre ein großer Traum gewesen, aber ich war leider nicht dabei. Ich habe rund um die Uhr gearbeitet, von fünf Uhr früh bis spät in die Nacht, aber ich habe den Käfer nicht zum Laufen gebracht. Dreimal habe ich versucht hinzufahren, dreimal musste ich umkehren. Das Auto ist immer wieder auf drei Zylindern gelaufen. Dann habe ich es aufgegeben.
Am Sonntag war ich aber im Ziel vor Ort. Auf der Trabrennbahn hat mir jemand seinen Käfer gegeben und gesagt: "Komm, fahr' ein paar Runden." Also konnte ich mit einem nachgebauten Salzburg-Käfer doch noch etwas fahren.
— Ist da ein großer Unterschied zwischen Original und Nachbau?
Wenn der Nachbau gut gemacht ist, fährt sich das wie seinerzeit. Heutzutage sind wir es gewohnt, Autos mit 150 PS zu fahren, und selbst damit ist man schon oft untermotorisiert. Wenn man dann so einen Käfer mit 120 PS fährt, dann ist das keine Offenbarung, das reißt dich nicht vom Hocker (lacht).
— Inwiefern verändert dieser technische Fortschritt die Anforderung, die ein Rallye-Pilot erfüllen muss?
Das ist in der Evolution ein ganz normaler Prozess. Ich habe mit einem Mini angefangen mit 100 PS. Da bin ich Rundstrecke und Bergrennen gefahren. Übrigens: Da sind auch Niki Lauda und ich gegeneinander gefahren. Ich habe gewonnen, er ist Zweiter geworden. Nach dem ersten Durchgang hat er mich gefragt: "Na, wie machst'n das?" Und ich habe dem Niki gesagt: "Da brauchst du nur einmal vom Gas weggehen, der Rest geht voll."
Er hat uns dann aber später schon noch gezeigt, dass er sehr viel Gas geben kann: Beim Bergrennen Alpl ist er schon Bestzeit gefahren. Und weil er uns – den zwei Kollegen und mir, die sich immer den Sieg ausmachten – so viel Druck gemacht hat und wir nicht glauben konnten, dass das geht, haben wir alle drei Mini vernichtet (lacht). Drei Totalschäden – und der Lauda hat gewonnen. Hätte er aber auch, wenn wir durchgekommen wären.
Wie auch immer. Ein Kalle Rovanperä hat als 14-Jähriger begonnen zu fahren. Die neue Generation fängt so früh an, steigt auf, von Rally3- in Rally2-Autos. Und so gewöhnt sich der Organismus. Stufe für Stufe.
Ein Beispiel: Ich war schon in der Weltspitze dabei damals. Jetzt hat mich vor einigen Jahren der Raimund Baumschlager eingeladen zu einer Demofahrt mit seinem Rallye-Škoda. Der hat mich reingeschnallt in das Auto, ist losgefahren – und ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Hatte zwei Tage Nackenschmerzen. Das ist eine andere Welt mittlerweile.
Die neue Generation fängt so früh an, und so gewöhnt sich der Organismus. Stufe für Stufe.
Herbert Grünsteidl, österreichische Rallyelegende
— Also ist es professioneller geworden. Sind Sie damals mehr ins kalte Wasser gesprungen?
Wir waren ja keine Profis. Jeden Schilling, den wir verdient haben, haben wir wieder ins Auto gesteckt. Später hatte ich auch ein Glück mit dem Baumeister Herbert Herr, der auch den Wachauring – damals Leru-Ring – gebaut hat und der mein Mäzen war.
Jedenfalls: Der Walter Röhrl hält nicht viel vom Neuen. Und mit Rauno (Aaltonen, Anm. d. Red.) hatte ich letztens eine Podiumsdiskussion – auch der glorifiziert die alte Zeit. Ich bin der Meinung: Die Jungs, die heute hinterm Lenkrad sitzen, leisten unglaublich viel. Das ist sensationell. Klar liegen diese Autos besser als unsere, aber es ist so viel schneller geworden. Beeindruckend, wie präzise die mit den Dingern fahren.
— Die Rallye Zentraleuropa ist im vollen Gange: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich freue mich aufs Fahrerlager, werde da wieder durchstapfen, schaue mir die Autos an. Wenn du am Streckenrand stehst und siehst, mit was für einer unglaublichen Präzision die fahren, auf Zentimeter genau die richtige Linie erwischen, ist das unglaublich.
— Ihr Tipp für den WM-Lauf?
Ich habe meinen Favoriten: Kalle Rovanperä. Das ist ein unglaublicher Typ und ich hoffe, dass er vorne dabei ist. Aber auch Sébastien Ogier ist immer für eine Überraschung gut.
Hier geht's zum Interview mit Simon Wagner, der bei der Rallye Zentraleuropa erstmals WM-Luft schnuppert.