Weniger mondän als das internationale Genf und gemütlicher als die Businessstadt Zürich, mehr down-to-earth und wahrlich naturverbunden: So tickt die charmante Bundesstadt (nein, nicht Hauptstadt) Bern mit ihren knapp 150.000 Einwohnern. Die Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe und thront auf einem Hügel über dem heimlichen Herzstück der City: dem Fluss Aare.
Grüne Bärenstadt
Bern bietet Kunst, Käse, ein Kulturerbe und den coolsten Fluss der Welt.
Der Platz in der sicheren Umarmung des Flusses beeindruckte schon 1191 den bärtigen Stadtgründer und Zähringer Herzog Berthold V. Bern ist eine hübsche Kleinstadt mit mittelalterlich gepflasterten Straßen, Sandsteinfassaden und netten Lokalen entlang der hübschen Arkadenallee.
Graffiti an der Aare
Am stufenreichen Weg mit bis zu 300 Stiegen zum Ufer der Aare geht es vielerorts vorbei an beeindruckender Graffitikunst. Grandios ist der Abstecher durch den Botanischen Garten. Danach lohnt sich ein Ingwerbier in der sonnenbeschienen Trybhouz Bar, Hotspot für Jung und Alt, nahe der Kornhausbrücke direkt am Aareufer.
Der Fluss, der heuer viele Monate mit Hochwasser wild und grünbraun an den Wegen und Häusern am Ufer vorbeizieht, ist Naturbad und Freizeitzentrum. Todesmutig werfen sich die Berner ins Wasser, um hunderte Meter weiter erfrischt aus den Wellen zu steigen. Am Rücken den berühmten Aarebag, in dem Laptop und Bürokleidung wasserdicht verpackt sind. Auf der Wiese knabbern Kinder an der weltberühmten Schokopyramide Toblerone, die seit 1908 hier gefertigt wird. Schließlich sind die Chocolatiers Jean Tobler und Rodolphe Lindt in Bern geboren.
Einstein und drei Bären
Auch Albert Einstein, der Raum und Zeit auf den Kopf stellte, war Wahl-Berner und soll die berühmteste Formel der Welt hier entwickelt haben. Wer Zeit hat, sollte seine ehemalige Wohnung in der Kramstraße besichtigen und für ein schnelles Selfie finden sich gleich drei lebensgroße Bronzestatuen in der Stadt verteilt. Eine davon sitzt mit Blick auf die Altstadt im schönen Rosengarten.
Einige Schritte weiter findet sich die nächste Attraktion. "Bärn", wie es von den Bernern liebevoll genannt wird, hat drei echte Bären zu bieten, ein vierter hat es sich im Stadtwappen gemütlich gemacht. Die drei Tiere – Papa Finn, Mama Björk und Baby Ursina – residieren tatsächlich mitten in der Stadt im Freigehege.
Auch wir lehnen uns weit über die Steinmauer nahe der Nydeggerbrücke, um die Bären zu beobachten – sie werden übrigens aus Sicherheitsgründen videoüberwacht.
Gegenüber der Brücke und dem Bärengehege liegt die Matte. Sie war früher Quartier der Arbeiter und Schiffer und die Badehäuser beherbergten Bordelle. Heute ist die Halbinsel, deren Häuser buchstäblich die Aare berühren, das neue In- und Ausgeh-Viertel der Jugend.
Die Zytglogge
Doch schnell treibt uns Fremdenführerin Nina Rüeger weiter, denn wir sollen das Spektakel zur vollen Stunde an der Zytglogge nicht verpassen. Und das lohnt sich wahrlich. Wir steigen eine enge Wendeltreppe im Turm nach oben und stehen vor einem hunderte Jahre alten raumgroßen Uhrwerk mit einem Pendel größer als ein Fußball. Das gusseiserne Pendel schwingt gleichmäßig. Das Uhrwerk tickt. Sekunde für Sekunde. Stündlich setzt das Werk eine Vorführung in Gang, die einen Narren, tanzende Bären, Zeit-Gott Chronos und die große Glocke der astronomischen Uhr dirigiert. Präzise tüftelte und baute Caspar Brunner das Uhrwerk in drei langen Jahren.
Seit 1530 läuft es ohne Unterbrechung, dank Zytgloggenmeister Marcus Marti, der täglich die zentnerschweren Gewichtssteine im Turm hochzieht, die das Uhr- und Spielwerk unerbittlich antreiben.
Eine Stunde später stehen wir wieder im gleißenden Sonnenlicht auf dem Kopfsteinpflaster. Wie schnell die Zeit vergeht, sie ist eben doch relativ.
Wie die Zeit vergeht
Seit 1530 läuft es ohne Unterbrechung, dank Zytgloggenmeister Marcus Marti, der täglich die zentnerschweren Gewichtssteine im Turm hochzieht, die das Uhr- und Spielwerk unerbittlich antreiben.
Eine Stunde später stehen wir wieder im gleißenden Sonnenlicht auf dem Kopfsteinpflaster. Wie schnell die Zeit vergeht, sie ist eben doch relativ.
Mit dem E-Bike am "Grünen Band"
Auch am nächsten Tag begleitet die Aare unseren Weg. Mit E-Bikes sind wir auf der Route 888 unterwegs. Nach dem Gewimmel am Bahnhof sind wir schnell über großzügige Radwege mitten im satten Grün des Stadtwaldes. Auf dem Velo geht es das "Grüne Band" entlang, vorbei an Feldern, Weilern und alten Gehöften.
Die quirlige Michaela Frutiger entführt uns in Frauenkappelen zu einem der vielen Dorfläden. Nach süß-fruchtiger Jause mit lokalen Spezialitäten geht es weiter an den Wohlensee, ein Stausee an der Aare. All das bei sonniger Fernsicht auf die schneebedeckten Gipfel von Jungfrau und Eiger.
Paul Klee Kulturzentrum
Vor Berner Rösti und Aarebier ruft noch die Kunst. Kubismus, Expressionismus, Surrealismus oder Primitivismus – der Schweizer Maler und Grafiker Paul Klee lässt sich schwer einordnen und am liebsten von Naturvölkern und Kinderzeichnungen inspirieren. Ihm ist ein Kulturzentrum gewidmet, ein beeindruckender wellenförmiger Bau des Architekten Renzo Piano. Ein Highlight eines Künstlers, der schon zu Lebzeiten auf der ganzen Welt Ausstellungen prägte, und das man nicht versäumen sollte.
Kursaal
Nach Natur, Kunst, Kultur und Kulinarik entspannen wir in der Bar des modernen Swissôtel Kursaal Hotels. Der Mond leuchtet und die Aarestadt liegt uns zu Füßen, dazu ein kühler Gin Tonic und lässige House-Beats. Auch wenn man aufgrund von Corona nur unterm Tisch mit den Füßen wippen darf, es fühlt sich wunderbar an.
Spezialtipp Emmental
Wer sich einen Tag mehr Zeit nimmt, könnte einen zweiten Abstecher ins Umland machen. So liegt Emmental keine 30 Minuten entfernt. Die Erlebnisführung in der Schaukäserei in Affoltern ist ein Spaß, lehrreich und wunderbar geeignet für kleine wie große Besucher, wenn auch ein wenig in die Jahre gekommen. Bei der Verkostung ist mir der reife Käse der liebste. Besonders nett ist es in kleiner Gruppe selbst Frischkäse zuzubereiten.
Mit Zug und Bus ist man ganz flott dort und auch zurück in Bern. Überhaupt ist das Öffi-Netz der Schweizer beeindruckend. Die Berge sind da keine Grenze. Empfehlenswert ist der Swiss Travel Pass für die 1. Klasse. Er inkludiert Bus, Bahn und Schiff im gesamten Land, man zahlt minus 50 Prozent bei nahezu allen Bergbahnen und hat freien Eintritt in 500 Schweizer Museen. Drei Tage kosten 345 Euro – das ist der grenzgeniale Ausblick wert. Wer mag, reist gleich weiter nach Zermatt, nur zwei Stunden von Bern entfernt. Aber das ist eine andere Geschichte.
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