Besuch bei Mutter Erde

Eine Reise nach Ecuador und auf die legendären Galápagos-Inseln ist nicht nur Tag für Tag aufregend, sondern lehrt vor allem auch Demut und Respekt vor der Natur.

Gleich außerhalb des kleinen Städtchens Puerto Ayora beginnt der Pfad ins Paradies. Nicht einmal mit dem Fahrrad darf man diesen mit Natursteinen gepflasterten Weg befahren, nur zu Fuß geht es die knapp drei Kilometer hinüber zur Tortuga Bay, der Schildkröten-Bucht.

Um die Mittagszeit, also jetzt, brennt die Äquator-Sonne drückend heiß vom Himmel. Aber nicht nur deshalb nehme ich mir Zeit. Ich achte auf jede Bewegung der kleinen Lava-Eidechsen rund um mich, beobachte den Flug der Spottdrosseln, die sich im Dickicht niederlassen, um mich auszulachen. Dann wird die Brandung des Pazifischen Ozeans lauter und lauter, bis ich den weiten glitzernden Sandstrand erreicht habe, der sich fast bis zum Horizont erstreckt.

Andere Menschen kann ich hier nur eine Handvoll erspähen, doch die eigentlichen Chefs dieses Traumstrandes sind nicht zu übersehen, ja man kann an Land sogar über sie stolpern, wenn man nicht aufpasst, denn sie weichen nicht aus: die Meerechsen, eine der nur auf den Galápagos-Inseln vorkommenden Leguan-Arten und die einzige, die Nahrung im Meer sucht.

Video: Besuch auf den Galápagos-Inseln

In Puerto Ayora und der Charles-Darwin-Station

Bereits seit Jahrzehnten sind die Galápagos-Inseln, die zu Ecuador gehören, zum größten Teil Nationalpark. Auch wenn sie nicht mehr auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes stehen, bleiben die Herausforderungen groß. "Die Behörden regulieren die Zahl der Flüge vom Festland, die Zahl der Hotelbetten sowie die Permits und die der Ausflugsschiffe", erklärt mir Nationalpark-Guide Edwin.

Wir sitzen gemütlich in einem der zahlreichen Cafés von Puerto Ayora. In dem Touristenort, Ausgangspunkt für Ausflüge zu Wasser und zu Land in die geschützten Bereiche, spazieren Leguane über die Hauptstraße, auf Parkbänken machen Galápagos-Seelöwen es sich gemütlich. Menschen wiederum ziehen mit bunten Fahnen und Trillerpfeifen vorbei, denn es ist Regional-Wahlkampf.

Edwin ist besorgt: "Korruption bei der Verteilung der Permits bleibt ein Problem." Mehr als 250.000 Touristen pro Jahr, das ist das derzeitige Niveau, vertragen die Inseln seiner Ansicht nach nicht.

Die wenigen Tage, die auch ich auf den ­Inseln bleiben darf, empfinde ich als Privileg, das ich ordentlich nützen möchte. Klar ist, dass ich alle Regeln penibelst einhalte. Und klar ist auch, dass ich viel sehen möchte.

Erste Station ist die Charles-Darwin-Sta­tion auf der Insel Santa Cruz, in der man sich seit 60 Jahren um die Erhaltung der biologischen Vielfalt der bedrohten Inseln kümmert. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Aufzucht und Auswilderung von Elefanten-Schildkröten. Kaum zu glauben, dass es immer wieder erfolgreiche Versuche gibt, junge Exemplare zu stehlen.

Ein Tagesausflug per Schnellboot führt mich dann zur großen Nachbarinsel Isabela, genauer in das verschlafene Hafenstädtchen Puerto Villamil: ein Paradies an einem menschenleeren Sandstrand, an dem Meerechsen regungslos in einen azurblauen Himmel starren.

Am Nachmittag fahre ich mit einem kleinen Boot hinaus zu den Vulkanfelsen vor dem Hafen und springe mit Badehose und Schnorchelbrille ins warme Meer.

In der nächsten unvergesslichen Stunde lasse ich mich, den Kopf immer unten, durch die Bucht treiben. Meine Gefährten sind Weißspitzen-Riffhaie, die unter mir über den sandigen Boden gleiten, Meeresschildkröten, die unbeeindruckt vorbeischweben, und verspielte Robben, die mich neugierig umkreisen. Nur ungern verlasse ich am späten Nachmittag diesen wunderbaren Ort und kehre nach Santa Cruz zurück.

Am nächsten Tag ist die Isla Seymour Norte das Ziel, wo die Stars die gelben Landleguane sind, die ursprünglich auf der Nachbarinsel Baltra zu Hause gewesen waren, dort aber der Errichtung des US-Militärflughafens im Zweiten Weltkrieg zum Opfer fielen.

Während des Rundgangs auf der kleinen Lavainsel dürfen die Touristen nicht von dem markierten Weg abweichen. Das ist auch gar nicht notwendig, um der Natur ganz nahezukommen, denn wie überall auf diesen Inseln wird der Mensch (naiverweise?) nicht als ­natürlicher Feind wahrgenommen.

Und so bleiben die prächtigen Fregattvögel mit ihren knallroten Kehlsäcken und die lustigen Blaufußtölpel seelenruhig sitzen oder mit ihren ­eigenen Dingen beschäftigt, während die ­Fotografen vor lauter Begeisterung fast durchdrehen. So wird jede Minute auf diesen Inseln, die der österreichische Biologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt einst "Arche ­Noah im Pazifik" nannte, zu einer wertvollen Zeit im Leben.

Video: Durchs Hochland von Ecuador in die Hauptstadt Quito

Unter Andengipfeln

Begonnen hat meine Reise aber nicht auf den Galápagos-Inseln, sondern am Festland, im eigentlichen Staat Ecuador. Wer per Flugzeug in der Hauptstadt Quito landet, muss sich erst einmal an die Seehöhe anpassen – im Schnitt sind es über 2.800 Meter, die umliegenden Andengipfel, allesamt Vulkane, ragen bis zu 4.600 Meter auf.

Unter der stets sachkundigen und gut aufgelegten Führung meiner Reiseleiterin Vibeka, die ein geradezu perfektes Deutsch spricht, habe ich nach einer ruhigen erholsamen Nacht im bequemen Hotelbett gleich am nächsten Tag Gelegenheit, die Altstadt Quitos zu erkunden, der höchstgelegenen Hauptstadt des Planeten.

Sicher fühle ich mich dabei immer, auch wegen der präsenten Touristenpolizei: Zwei der Beamtinnen möchten sich gleich mit mir fotografieren lassen, vielleicht als Arbeitsnachweis oder weil sonst gerade nicht viel zu tun ist.

Wie in Kaskaden fluten die Häusermassen der riesigen Stadt von den Hängen der Vulkane Rucu Pichincha und Guagua Pichincha hinab in die Hochtäler, die voll von geschäftigem Leben und brausendem Verkehr sind. Prunkvolle Zeugnisse der moderneren Geschichte Ecuadors sind die Kirchen und Klöster Quitos. Fast ununterbrochen wird die Messe gefeiert, der Zustrom der größtenteils traditionell katholischen Ecuadorianer ist gewiss.

Eine Stadtbesichtigung in dieser Höhenlage kann freilich auf die Dauer durchaus anstrengend sein, daher tut eine Pause gut: Der Koka-Tee belebt nicht nur den Geist, sondern beruhigt gleichzeitig auch die Magennerven.

Quito erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung mehr als 60 Kilometer weit. Gleich nördlich der Stadt verläuft der Äquator, der – um der nationalen Einheit willen – 1830 auch als Name des neuen Staates Ecuador gewählt wurde. Ein eigens eingerichteter Themenpark samt Monument markiert den Verlauf des Äquators. Im nahen Inti-Ñan-Museum lerne ich viel über den synkretistischen Naturglauben vieler Einheimischer.


Panamericana und Humboldt

Straße der Vulkane nennt sich der Abschnitt der "Panamericana", der südlich von Quito zu den von Schnee bedeckten Vulkanriesen Cotopaxi (5.897 Meter) und Chimborazo (6.310 Meter) führt. Genau auf dieser Route begründete Alexander von Humboldt mit seiner Forschungsreise Anfang des 19. Jahrhunderts die moderne Geowissenschaft.

Ich habe es gemütlicher als Humboldt, der in Gehrock und Straßenschuhen zu Fuß einen Sechstausender in Angriff nahm. Denn im Nationalpark Cotopaxi führt heute eine Schotterstraße bis zu einem Parkplatz auf fast 4.000 Meter Seehöhe, wo Gelegenheit zu einem (buchstäblich) atemberaubenden Spazierweg rund um einen See ist. Ständiger Blickfang sind die wilden Pferde, die an den Abhängen grasen. Der Vulkan ist hochaktiv, aber heute ist davon nichts zu sehen, denn der formschöne Kegel ist in Regenwolken gehüllt.

Mit jedem Tag in Ecuador wird die Vielfalt des Landes greifbarer. Nur eine Tagesfahrt von Quito in Richtung Pazifik liegt der subtropische Nebelwald von Mindo auf etwa 2.000 Meter Seehöhe. Auch hier bin ich am Äquator, aber die Temperatur könnte mit 20 Grad angenehmer nicht sein. Eine wackelige Seilbahn führt über einen Abgrund hinüber ins Herz des Dschungels, der mich mit einem deftigen Regenguss empfängt. Bald patschnass streife ich allein durch Nebel und Regen, alle Sinne positiv und dankbar angespannt, am Wasserfall am Ende des Weges setze ich mich auf einen Stein und lasse die Gedanken frei.

Bei vielen Indígenas ist noch heute der Glaube an die Pacha Mama, die Leben schenkende Mutter Erde, stark und wirkmächtig. Und wir Menschen werden wohl nur über­leben können, wenn wir uns mit dieser Natur gut stellen – in Ecuador und zu Hause.

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