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Mai 2022

Die Insel der Aphrodite

Schön ist sie. Und heiß begehrt bei Eroberern seit Jahrtausenden. Eine Woche Kultur, Sonne und Kulinarik auf der Mittelmeerinsel Zypern.

Am späten vormittag legt die Nafsika 2 vom Hafen des kleinen Ortes Latchi ab und tuckert hinaus in die glasklaren Gewässer vor der als Nationalpark geschützten Akámas-Halbinsel im Nordwesten der Insel Zypern. Eine milde Frühlingssonne wärmt die Touristen am Oberdeck des Bootes, das vorbei an der felsigen Küste und den sogenannten Bädern der Aphrodite eine kleine Bucht ansteuert. Hier können Passa­giere im türkisfarbenen Wasser – vielleicht zum ersten Mal in diesem Jahr – im Meer baden, während an Bord die ersten Drinks des Tages serviert werden. 

In diesen Apriltagen ist das Mittelmeer rund um Zypern noch recht frisch. Freilich kann ich in dieser Zeit während einer Ent­deckungs-Rundreise ein grünes blühendes Zypern bestaunen. Während das Boot also in der sanften Brise schaukelt, vertreibe ich die Gedanken an die bevorstehende Abreise zurück in ein kaltes graues Österreich und lasse die Erinnerungen an meine Entdeckungsreise auf der Insel der Aphrodite lebendig werden.

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Kein tägliches Kofferpacken

Nur knapp drei Flugstunden sind es von Wien-Schwechat nach Lárnaka im Süden Zyperns mit seinem modernen Airport. Das Mietauto hat das Steuer auf der rechten Seite. Ach ja, die britische Vergangenheit sorgt hier bis heutzutage für Linksverkehr. Wer solche Fahrbedingungen im Urlaub etwas stressig findet, kann sich ja einer organisierten Rundreise im Reisebus anschließen. Da muss man dann nur noch den Einstieg auf der richtigen Seite finden…

Egal, ob Autoreise oder Bustour: Auf der 9.251 Quadratkilometer großen Insel, der drittgrößten des Mittelmeers, muss man für eine Entdeckungsreise keineswegs Tag für Tag die Koffer ein- und auspacken. Vielmehr kann man sich für eine Woche gemütlich in einem der Strandhotels des kosmopolitischen Limassol ungefähr in der Mitte der Südküste niederlassen. Von hier sind in Tagesausflügen fast alle interessanten Ziele auf gut ausgebauten Autobahnen und Landstraßen bequem zu erreichen. Auch ich bin hier untergebracht und freue mich jeden Tag auf die Rückkehr  ins Atlantica Miramare mit seinem Sand-Kies-Strand, der Promenade, den großen Pools und dem freundlichen Service.

Nur vier Kilometer sind es von hier ins Zentrum des lebendigen Limassol mit seinem frisch renovierten schicken Jachthafen und der ruhigen Altstadt mit kleinen Cafés und Restaurants. Nur eine halbe Fahrstunde von hier treffe ich am nächsten Tag Pieris Georgi­adis auf seiner Eselfarm. 200 jener Tiere, die über Jahrtausende für das Leben der Menschen auf Zypern unentbehrlich waren, sind hier zu Hause – und benötigen viel Futter, das aus den Eintrittsgeldern der neugierigen Be­sucher/-innen bezahlt wird. Als die Einnahmen während der Pandemie schlagartig wegbrachen, begann Pieris jeden Tag ein Eselbild zu malen, um es zu verkaufen.

01_Zypern_CMS.JPG Roland Fibich/auto touring © Roland Fibich/auto touring
Aussicht auf die Promenade vom Atlantica Miramare nahe Limassol.
02_Zypern_CMS.JPG Roland Fibich/auto touring © Roland Fibich/auto touring
Der moderne Jachthafen von Limassol, gleich dahinter sind die Cafés und Restaurants.
03_Zypern_CMS.JPG Roland Fibich/auto touring © Roland Fibich/auto touring
Die kilometerlange Promenade von Limassol lädt kurz vor Sonnenuntergang zu einem Bummel ein.

Kultur und Köstlichkeiten in den Dörfern

Dann ist Zeit für die Mittagspause – aber was für eine! Das kleine Dorf Omodos am Fuße des großen Tróodos-Gebirges be­herbergt nicht nur das Weingut Oenou Yi mit seinem Xynisteri-Weißweinen. Hier findet man in einer schmalen Gasse auch die ­Taverne "Themistoklis", in der – wie könnte es anders sein – auch typisch zyprische Mezze serviert werden. Dabei handelt es sich, grob gesprochen, um einen stetig anwachsenden Berg von Köstlichkeiten, die nach und nach aufgetragen werden, bis auf dem Tisch kein Plätzchen mehr zu finden ist (bzw. der Gast  zufrieden seufzend in den Sessel zurücksinkt). In den Bergen wie bei Themistoklis handelt es sich in der Hauptsache um Halloumi, Würste und Gegrilltes, unten in den Hafen-Tavernen kommen die Meeresfrüchte in immer neuen Portionen auf den Tisch. Empfohlene Beispiele seien hier genannt: "Two Flowers" im Dorf Pedhoulas, noch weiter oben im Tróodos-Gebirge, weiters das "Theos" an der ­Hafenpromenade von Páfos im Westen und das "Kathodon" in der Ledra-Straße Nikosias gleich beim Grenzübergang für Fußgänger in den türkischen Teil der Stadt.

Seit Jahrtausenden ist die Insel Schnittpunkt zwischen Okzident und Orient. Die Religion kam immer übers Meer, zunächst das Christentum mit den Aposteln Paulus und  Barnabas, später auch Muslime. Schon viel früher, im Neolithikum, blühten Hochkulturen auf, reiches Zeugnis davon geben mir die phantastischen Steinfiguren im Zypern-Museum der Hauptstadt Nikosia. 

Jüngeren Datums sind die Hinterlassenschaften der alten Griechen und Römer, etwa das antike Kourion auf einem Felsen oben über stürmischem Meer. Ich spaziere auch durch den archäologischen Park von Néa Páfos, lasse mich von den prächtigen Mosaiken aus römerzeitlichen Häusern verzaubern. Die lebensecht wirkenden Figuren scheinen mich über die Jahrtausende hinweg zu grüßen.

Noch weiter in Richtung Gegenwart sind es die Kirchen Zyperns, die mit Goldglanz und Ikonenschmuck nicht nur Ausdruck ortho­doxer Gläubigkeit, sondern teilweise auch Kunstwerke von Weltrang sind: Herausragendes Beispiel ist die Nikolaus-Kirche in Nikosia. Das innen vollständig mit Wand­malereien verzierte byzantinische Kleinod ist UNESCO-Welterbe.

12_Zypern_CMS.JPG Roland Fibich/auto touring © Roland Fibich/auto touring
Weinverkostung samt kleinem Imbiss im Dorf Omodos am Fuße des Tróodos-Gebirges.
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Pieris Georgiadis malte im Pandemie-Lockdown jeden Tag einen zyprischen Esel.
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In den Kirchen Zyperns werden die Märtyrer und Heiligen aus der Frühzeit des Christentums verehrt.

Das moderne Zypern

Nikosia ist ja auch die einzige noch immer geteilte Hauptstadt der Welt. Mitten durch das Zentrum – und auch quer über die ganze Insel – verläuft seit 1974 eine UN-Pufferzone, die "Green Line", Folge der gewaltsamen Teilung der Insel in einem Südteil, der als Republik Zypern mittlerweile EU-Mitglied ist, und einen türkisch besetzten Nordteil, der von praktisch keinem Land der Welt anerkannt ist. Bis heute sind alle Versuche einer Wiedervereinigung an Fragen der Wiedergutmachung für Vertreibungen und Gewalttaten im Zuge der Teilung gescheitert.

Als Tourist kann man aber durchaus etwa den Grenzübergang in der Ledra-Straße ­Nikosias nützen, indem man einfach seinen Pass an zwei Checkpoints vorweist und in den türkischen Teil hinüberspaziert. Ich war zuletzt 2005 dort gewesen, der überaus ärmliche Eindruck von damals ist etwas gewichen, das Viertel um den Bazar wurde renoviert, Cafés laden zu einer Pause ein.

Zypern ist also ein moderner Staat geworden, davon zeugen die Glaspaläste mit gewagter Architektur etwa in Limassol oder auch Nikosia. Wer also als Sonnenhungriger auf die Insel fliegt, dann aber seine Pool-Liege im Alles-inklusive-Club nur zum Essen verlässt, versäumt viel. Das eigentliche Leben Zyperns freilich spielt sich nicht an den Stränden und in den Städten ab, sondern in den Dörfern am Land, wo die Tavernen mit duftenden Speisen und verführerischen Weinen locken, wo sich an langen heißen Nachmittagen die Minuten und Stunden dehnen und in einen langen Dämmerschlaf übergehen. Überall verstreut sind christliche Kirchen und Klöster Zeugnisse von Traditionen, die schon unglaubliche 2000 Jahre Bestand haben.

Heimliche Herrscherinnen dieser Welt sind die Katzen Zyperns, denen ich – außer im Hotelzimmer – fast überall begegne: Sie schleichen wachsam um die Frühstückstische, miauen herzzerreißend am Eingang zum Café und huschen lautlos durch die engen Gassen der verlassenen Viertel Limassols hinüber zur alten Festung, wo anno 1191 Richard ­Löwenherz seine Braut Berengaria geehelicht haben soll. Längst vergangene Zeiten, die ­Zypern bewahrt hat.

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© Roland Fibich/auto touring

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