Marktplatz der Genüsse
Im Salzburger Pinzgau spielt man die kulinarischen Vorzüge der Region jetzt voll aus.
Jeden Freitag Vormittag kommen am Kirchbichl in Kaprun Menschen zusammen, die vor allem eines verbindet: Sie suchen ganz bewusst nach Lebensmitteln aus der unmittelbaren Umgebung, dem Pinzgau, die nach alter Tradition handwerklich hergestellt sind. Lebensmittel, die einst als Arme-Leute-Essen galten und heute als echter, aber erschwinglicher Luxus gelten: Kaspressknödel vom Bauern nebenan, Marmeladen, Blut- und Leberwürste vom Augut in Zell am See. Käse, etwa von der Tödlingalm am Fuße des Hundsteins oder Schotten vom Oberkammerngut in Piesendorf. Schotten? Ja, das ist auch ein Käse, ein ziemlich würziger, kegelförmig gepresster und geräucherter, der sich über vieles drüberreiben lässt. Weitere Standeln bieten Mehl und Nudeln einer Mühle vor Ort, Wild vom Gut Fischhorn, Erdäpfel aus Leogang und noch vieles mehr.
Kaprun
Der Ort unterm Kitzsteinhorn ist ja keiner, der für sanften Tourismus bekannt ist. Kommen doch zu den rund 3.200 hier hauptgemeldeten Kapruner/-innen noch bis zu 7.700 Menschen dazu, wenn zu den Spitzenzeiten des Sommer- und Wintertourismus alle Gästebetten belegt sind. Doch zurzeit vollzieht sich gerade ein Paradigmen-Wechsel – vor allem kulinarisch: Sogar in den Lokalen und Hütten an den Bergstationen der Seilbahnen hat man im großen Stil Fertigprodukten abgeschworen und setzt stattdessen auf regionale Produkte und Spezialitäten.
Bäckermeister Günther Katschner ist mit seinen Betrieben in Niedernsill und Kaprun ganz sicher derjenige der Marktfahrer, der am zeitigsten aufstehen muss. Schließlich hat er nicht nur mehrere Sorten Teig herzustellen, sondern auch den freistehenden Ofen zu befeuern. Am Alpinen Genussmarkt in Kaprun bietet er nicht nur sein klassisches Bauernbrot aus Tauernroggen und Landweizen an, sondern sorgt auch für Show-Charakter, wenn er den Teig für sein Kapruner Holzofenbrot in selbigen schiebt und nach 14 Minuten bei 300 Grad wieder herausholt. Viele der Urlauber, die neben den Einheimischen den Markt bevölkern, sind beim Verkosten ganz hin und weg, kennen sie doch von zu Hause kein vergleichbares Brot.
Das stattlichste Haus am Kirchbichl beherbergt übrigens das Kaprun Museum, in dem man in die Geschichte des Ortes eintauchen kann. An seiner Seitenfront sind ein paar Tische und Bänke aufgestellt – für den spontanen Genuss der am Markt erworbenen Speisen.
Der Alpine Genussmarkt findet ja nur freitags statt. Jeden Tag lässt sich der Vormittag in Kaprun aber auch ganz anders – und noch viel höher als am Kirchbichl – ziemlich geschmackvoll und aussichtsreich erleben. Wer nicht nur Pinzgauer Spezialitäten probieren möchte, sondern sich auch von der Gegend ein Bild machen möchte, der kann sich unter Tel. 06547 8621 einen gut gefüllten Picknickkorb für zwei reservieren lassen, am Folgetag ab 9 Uhr gegenüber der Talstation der Maiskogelbahn abholen, damit auf 1.570 Meter hinaufgondeln und in einer Wiese sitzend sein Frühstück mit Aussicht bis zum Zeller See genießen. So ein Picknick am Maiskogel kostet für zwei Personen 55 Euro.
Wenn das Essen und der großartige Ausblick im Video zu schnell vorbeigehuscht sein sollte: Kein Problem, in der folgenden Galerie lässt sich alles in Bildern noch einmal und ohne Zeitdruck erleben. Nur zum Picknicken auf den Maiskogel hinaufzufahren heißt allerdings, auf eine schöne Rund-Wanderung zu verzichten, die man von der Seilbahnstation aus unternehmen kann. Empfohlen sei hier nur die Maiskogler Hüttenrunde über vier familiengerechte Kilometer - die weist so gut wie keine nennenswerten Steigungen auf.
Es war ein schöner Traum: Kaprun sollte zum Kurort werden. Man besann sich, dass die Thermalquellen, die Bad Gastein und Bad Hofgastein mit warmem Heilwasser versorgen, ja gerade einmal 30 Kilometer entfernt sind. Zudem gab es ja auch – noch näher, nämlich bei Fusch an der Glocknerstraße – einen mittlerweile verlassenen Kurort, dessen Relikte heute noch zu sehen sind: Bad Fusch.
Man begann also zu bohren. Man bohrte Tief. Sehr tief. Fand warmes Wasser, sogar Heilwasser. Das Pech dabei: Es verfehlte knapp die 20-Grad-Marke - die ist nötig, dass aus einem Ort ein Kurort wird. Dennoch baute man den Tauern Spa, der 2010 eröffnet wurde und sich seit damals prächtig entwickelte. Heute stehen den Gästen, die die Anlage quasi als Base Camp für ihren Urlaub verwenden möchten, ein Hotel mit 160 Zimmern, ein eigener Hotel-Spa (mit beschwimmbarem Panorama-Balkon!) und mehrere Restaurants zur Verfügung. Die Tagesgäste im öffentlichen Bereich freuen sich über mehr als 2.000 Quadratmeter Wasserfläche, unzählige Saunas (sogar eine für Gäste, die sich nicht ausziehen möchten), Dampfbäder, Solegrotten und vieles mehr.
Besonders stolz ist man auf das neue Fine Dining-Restaurant FinEssen, das eine ziemlich anspruchsvolle Küche auf Basis heimischer Produkte bietet.
Zell am See
Nicht nur in Kaprun hat sich viel getan, auch in Zell am See, der Bezirks-Hauptstadt mit ihren mehr als 10.000 Einwohnern. Im Gegensatz zu Kaprun handelt es sich um kein Dorf, sondern um eine gewachsene Stadt. Sie entstand auf dem weit in den bis zu 68 Meter tiefen Zeller See hinausragenden Schwemmkegel des Schmittenbachs und wurde bereits im Jahr 788 erstmals urkundlich erwähnt – als "Cella in Bisontio". Aus "Cella" (so nannte man eine Wirtschaftszelle – also einen Wirtschaftsbetrieb – eines Klosters) entwickelte sich "Zell", "aus "Bisontio" der "Pinzgau".
Die beste Art, sich einen Überblick über Zell am See zu verschaffen, ist eine Panoramarunde mit dem Ausflugsschiff.
Die MS Schmittenhöhe ist ein elektrisch betriebenes Motorschiff, das in diesem Jahr noch bis 2. November unterwegs ist - in der Hauptsaison neun Mal pro Tag. Die Panoramarundfahrt um den See kostet für Erwachsene 17 Euro (oder weniger mit diversen Gästekarten), dauert eine schwache Stunde und bietet einen wunderbaren Blick auf das Bergpanorama im Norden und im Süden des Sees: auf das Tote Gebirge und auf das Kitzsteinhorn.
Wieder an Land gekommen empfiehlt sich ein Rundgang durch die Stadt. Zell am See hat viele romantisch wirkende Ecken und Winkel – und eine große Fußgängerzone. Das Auto lässt sich – sofern man nicht ein Quartier mit Parkplatz oder Garage gebucht hat, am besten in einer der öffentlichen Parkgaragen abstellen, denn der ganze Ort ist eine riesige Kurzparkzone.
Trotz der vielen Urlaubsgäste kommt in Zell am See nie das Gefühl auf, sich in einem reinen Tourismusort zu bewegen. Sogar die Geschäfte der Innenstadt sind, was Angebot und Preise betrifft, auf Einheimische ausgerichtet. Die kommen gerne in die Innenstadt zum Einkaufen. Nicht nur Schuhe, Mode oder Bücher, sondern auch die Spezialitäten aus der Umgebung. Die bekommt man hier täglich (außer sonntags) in einer Art Edel-Bauernladen namens Heimatgold. Vieles aus dem Angebot lässt sich auch gleich vor Ort verkosten.
Weil schon vom Verkosten die Rede war – da ist es semantisch nicht weit zum Sich-Verköstigen. Wer es darauf anlegt, kann sich Zell am See wie im Schlaraffenland fühlen. Viele Hotels bieten Restaurants, die auch gerne von den Zellern frequentiert werden, weil die ihre gute Küche schätzen. Zwei davon liegen einander gegenüber gleich am Beginn der Dreifaltigkeitsstraße, beide kann man mit Fug und Recht als die örtlichen Platzhirschen bezeichnen: Einmal – Nomen est omen – das Hotel zum Hirschen, dessen Restaurant den Spagat zwischen Wirtshaus- und Gourmetküche seit Jahren beständig schafft, und dann noch der Steinerwirt, dessen Salzburger Nockerln quasi weltberühmt im Pinzgau sind und am besten unter den Kastanienbäumen des Schanigartens schmecken.
Auf der anderen Seite des Sees, im Ortsteil Thumersbach gelegen, sei an dieser Stelle die Speisenmeisterei im uralten Lohninghof hervorgehoben. Der für die Küche – ein spannender Mix aus Pinzgauer und dezent asiatischer Küche – verantwortliche Thomas Schwab war schon für viele erfolgreiche Projekte verantwortlich. Viele seiner Gerichte (z.B. Wildsugo, Gulasch, etc.) verkaufen er und seine Partnerin Irene Gonas auch eingerext zum Mitnehmen.
Verlässt man sich auf die einschlägigen Gourmet-Guides, so punkten vor allem die Küche des Salzburgerhofs, der auch zu den besten Wellnesshotels in Österreich gehört, Mayer's Restaurant in dem der Familie Porsche gehörenden Schloss Prielau und der Erlhof, in dem die singende Trapp-Familie bis 1935 ihre Ferien verbrachte.
Als Aufsteiger gilt Florian Zillner mit seinem Restaurant Flo’s. Nach Lehr- und Wanderjahren ist er in seine Heimat (seine Familie betreibt das Hotel Der Schmittenhof und das Hotel Martha, in dem das Restaurant untergebracht ist) zurückgekehrt.
Florian Zillner ist quasi "der junge Wilde" unter den Zeller Küchenchefs. Ein cooler Typ, der ohne Schnickschnack und mit Fokus auf das Wesentliche kocht. Zum für ihn Wesentlichen gehört auch das, was er in seinem Gemüsegarten erntet. Salate tischt er im Originalzustand auf, Gemüse legt er gerne ein oder fermentiert es. Sogar Sonnenblumen finden ihre Verwendung – in einem köstlichen Dessert.
Die Teller, auf denen Florian Zillner seine Kreationen serviert, sind übrigens von Hand hausgemacht: Florians Mutter Martha fertigt sie in ihrer benachbarten Waldwerkstatt. Sie bietet auch Kurse für ihre Leidenschaft, das Töpfern, an.
Der Berg ruft
Eine Wanderung kann nach all den Kalorien bis dato nicht schaden. Also hinauf auf die Schmittenhöhe. Die Seilbahn dorthin wurde seit ihrem Bau 1927 mehrmals auf den letzten Stand der Technik gebracht. So kommt man jetzt seit acht Jahren in sechseinhalb Minuten von der Talstation auf den Gipfel in 1.965 Meter Seehöhe. Mit Gondeln aus dem Hause Porsche Design, die neben entsprechender Optik (2013 mit einem Award ausgezeichnet) auch einen bisher unerreichten Panoramablick bieten. Tipp: Immer einen Platz mit Blick nach unten wählen.
Wieder oben auf der Schmittenhöhe angekommen, können Wanderer mit guter Kondition den so genannten Pinzgauer Spaziergang absolvieren, eine Höhenwanderung über 17 Kilometer bis zum Schattberg in Saalbach. Weit weniger Kilometer (und diese noch dazu fast ständig bergab) sind es den Kamm entlang nach rechts zum Sonnkogel. In einer gemütlichen Stunde – und stets mit Traum-Blick auf den Zeller See – geht es zum nächsten Einkehrschwung.
Eine Einkehr-Adresse sei hier noch erwähnt - weil eine Wanderung ja durchaus hungrig macht: Das Restaurant Kraftwerk. Victoria und Daniel Stoffl sind spezialisiert auf kreative Küche aus regionalen Produkten, aber mit klarem Fokus auf die passenden Weine dazu. Motto: Wine & Dine im einzigartigen historischen Ambiente eines kleinen Wasserkraftwerks aus dem frühen letzten Jahrhundert. Sogar den Paris-Lodron-Zwinger-Wein jener Rebstöcke, die in ganz geringer Zahl am Südhang des Mönchsbergs in Salzburg kultiviert werden, bekommt man hier.
Zuletzt noch ein persönlicher Tipp des Autors
Besuchen Sie Gertraud Neumayer, Bäuerin und Wirtin im Landgasthof Schloss Kammer bei Maishofen. Dort gibt es noch Pinzgauer Blatteln. Die sind wahrscheinlich das beste Beispiel für ein Arme-Leute-Essen von einst, das heute zur gesuchten (und leider viel zu selten angebotenen) Spezialität mutierte. Aber bitte vorher anrufen und vorbestellen – die Blatteln gibt’s nämlich nicht auf der Tageskarte. Es handelt sich um dünne Roggenfladen, die mit Erdäpfelgröstl und Speckwürfeln gefüllt und in Butterschmalz knusprig herausgebraten sind. Die traditionelle Beilage dazu ist stets Sauerkraut.
Im Schloss Kammer bietet die Familie Neumayer neben Blatteln und Kasnocken aber auch andere Pinzgauer Spezialitäten an: etwa Fleischnocken, Schottnocken (Spätzle mit geräuchertem Käse), Kas- und Fleischpressknödel, Nidei sowie Breznsuppe.
Links zum Thema:
Salzburger Land Tourismus
Via Culinaria
Bauernherbst Zell am See
Zell am See-Kaprun Tourismus