Donau-Melodie
Mit dem Fluss-Kreuzfahrtschiff MS Nestroy neun Tage lang vom Schwarzen Meer durchs Eiserne Tor bis nach Wien.
Als die ersten Sonnenstrahlen das Delta der Donau in ein warmes Licht tauchen, dreht der Kapitän sein Schiff, die MS Nestroy, sanft um 180 Grad. Nein, wir kehren nicht etwa wenige Kilometer vor unserem Ziel, der Mündung der Donau ins Schwarze Meer, um – vielmehr steuern wir jetzt die Mündung des Sulina-Arms beim Leuchtturm an der sogenannten "Meile minus acht" im Rückwärtsgang an. Denn zwei Hochsee-Schiffe wollen justament in diesen Minuten flussaufwärts in die Donau einlaufen. Und den Ozeanriesen darf unser vergleichsweise kleines Flusskreuzfahrt-Schiff gemäß den Regeln hier im Donaudelta Rumäniens keinesfalls den Weg verstellen.
Und so gleitet die MS Nestroy in den ersten Minuten dieses außergewöhnlichen Morgens, von Kapitän Csaba Kiricsi kunstvoll pilotiert, eben mit dem Heck voraus dem Schwarzen Meer entgegen. Trotz der frühen Stunde haben sich fast alle Passagiere ganz oben am Sonnendeck versammelt, um das Naturschauspiel zu genießen.
Hauptdarsteller sind die gleißend über dem Schwarzen Meer im Osten aufgehende Sonne, deren Lichtspiele den Donaustrom verzaubern, und die Pelikane des Deltas, die durch die frische Luft des neuen Tages gleiten.
Start am Schwarzen Meer
Die Visite an der Mündung der Donau ins Schwarze Meer markiert – je nach Fahrtrichtung – entweder den abschließenden Höhepunkt oder den spektakulären Anfang einer Kreuzfahrt auf dem nach der Wolga zweitlängsten Fluss Europas. Viele wählen die erste Variante mit der Fahrt flussabwärts, ich habe mich für den umgekehrten Weg entschieden. Dafür fliege ich zunächst einmal von Wien in die rumänische Hauptstadt Bukarest, von wo mich ein bequemer Bus-Transfer in drei Stunden Fahrzeit zur MS Nestroy bringt, die in der Stadt Braila angelegt hat.
Ein Schiff in Rot-Weiß-Rot
Die MS Nestroy fährt zwar unter Schweizer Flagge, ist aber ein Schiff mit durch und durch rot-weiß-rotem Ambiente. Die Bordsprache auf der 2017 komplett renovierten Nestroy ist ausschließlich Deutsch, das auch von der internationalen Besatzung gesprochen wird. Schon in den ersten Stunden fühle ich mich aufgrund dieser Umgebung und des freundlichen Services wie zu Hause – ein während Reisen in fremde Regionen und Städte unseres Kontinents doch recht außergewöhnliches Gefühl.
Auch die Covid-19-Gesundheitsregeln an Bord interessieren mich. Außerhalb der Kabinen gilt während meiner Reise im September 2021 in den öffentlichen Bereichen innerhalb des Schiffes eine Maskenpflicht, am Buffet sind zusätzlich Einweg-Handschuhe aus Plastik zu tragen. Überall am Schiff sind Spender mit Desinfektionsmittel angebracht. Bis auf zwei sind alle Passagiere geimpft. Kommendes Jahr werden nur noch vollständig geimpfte oder genesene Personen mit der MS Nestroy auf der Donau reisen können.
Ein Fluss der Superlative
Die großen Stars des ersten Tages sind die Landschaft des Deltas und seine Tierwelt. Erleben kann ich sie entweder bei einer im "Ausflugspaket" eingeschlossenen Rundfahrt in größeren Booten oder – gegen Aufpreis – in kleinen Spezialbooten, in denen ich der Natur noch näher bin. Mein persönliches Bord-Tagebuch listet penibel auf, was ich in dieser märchenhaften Flusslandschaft an diesem Tag im September alles bestaunt habe:elf Seeadler, unzählige Graureiher und Kormorane, eine Wasserschlange und sogar ein Exemplar der seltenen Eisvögel.
Die Donau ist ein Fluss der Superlative; 2.888 Kilometer ist sie lang, ihr Einzugsgebiet beträgt unglaubliche 870.000 Quadratkilometer, die von ihr transportierte Wassermenge misst 250 Kubikkilometer. Aufgrund der zahlreichen Kraftwerke benötigt ein Tropfen davon vom Ursprung im Schwarzwald durch zehn Länder bis zur Mündung mittlerweile 200 bis 300 Tage. Kreuzfahrt-Direktor Niki Nikolaus, der diese Fakten bei einem der Treffen mit den Passagieren in der Panorama-Bar launig vorträgt, ist wohl einer der Österreicher, die diesen Fluss am besten kennen.
213 Mal war er schon am Schwarzen Meer, notfalls auch im "Rückwärtsgang" wie eben bei dieser Reise. Niki, wie ich ihn bald nennen darf, spricht von der Donau immer von "seinem Bacherl". Und er betont: "Viel mehr als Grenze war die Donau immer Brücke. Der Fluss kann süchtig machen. Er eint europäische Völker, Länder und Regionen."
Vom Delta zum Eisernen Tor
Das völkerverbindende Motto dieser Reise habe ich immer im Kopf, wenn wir in den bevorstehenden acht Tagen den Fluss stromaufwärts erkunden und während der Landausflüge die Menschen besuchen, die an seinen Ufern zu Hause sind.
Denn Städte wie Bukarest oder Belgrad sind nicht auf den ersten Blick "schön". Sie entfalten ihren Zauber erst beim zweiten genaueren Hinschauen. Wenn ich zum Beispiel in Kontakt mit Rumänen oder Serben komme, die stolz erzählen, dass sie nicht ihr Glück im "goldenen Westen" suchen, sondern in ihrem Land ein besseres Zuhause aufbauen wollen.
Mir geht es bald wie vielen anderen Passagieren, die sich Tag für Tag mehr auf besondere Orte einlassen: Wir wandeln auf den Spuren des Literaten Elias Canetti durch seine Geburtsstadt Rousse in Bulgarien, in der man an einem einzigen Tag acht Sprachen hören konnte. Und wir lernen in den Felsklöstern von Ivanovo und anderen Gotteshäusern das orthodoxe Christentum kennen.
Etwa die Halbzeit der Reise wird mit der spektakulären Fahrt der MS Nestroy durch das "Eiserne Tor" markiert, einem Gebirgsdurchbruch der Donau im Dreiländer-Eck von Serbien, Rumänien und Bulgarien. Das Wetter passt, die Stimmung an Deck ist trotz etwas Wind großartig, die Szenerie sowieso phantastisch. An der engsten Stelle erklingt neuerlich der Donauwalzer – und auch der Kapitän tanzt mit. Als "Partnerin" hat er sich freilich das Schiff selbst gewählt, das sich zum Gaudium der Passagiere im Kreis dreht.
Kurs Wien-Nussdorf
Das quirlige Belgrad, des gemütliche Novi Sad, die feurige ungarische Puszta und schließlich Budapest, die "Königin der Donau", sind unsere nächsten Anlege-Stationen, bevor unsere Reise am neunten Tag frühmorgens in Wien-Nussdorf zu Ende geht. Für viele Passagiere war die Flusskreuzfahrt auf der Donau ein Lebenstraum, den sie sich – nachdem der Höhepunkt der Pandemie überstanden war – endlich erfüllen konnten.
Man kann es aber auch pragmatisch sehen wie Niki Nikolaus: "Jede Österreicherin und jeder Österreicher sollte wissen, wohin sein Apfelbutz’n schwimmt, den er einmal in seinen Fluss geschmissen hat."
Praktische Informationen
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