Alle, die in Lille mit dem TGV aus Paris ankommen, lieben oder, besser übersetzt, schätzen den Norden Frankreichs: Das verkündet jedenfalls das unübersehbare Transparent in der Ankunftshalle des Bahnhofs. Lille hat gleich zwei große davon: "Europe", wo die Eurostars aus Brüssel und Amsterdam auf dem Weg zum Kanaltunnel und weiter nach London kurz halten. Und "Flandres", den Kopfbahnhof, an dem ich soeben angekommen bin – nach nur etwas mehr als einer Stunde rasender Zugfahrt vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle.
Als ich aufs Pflaster der Stadt hinaustrete, befinde ich mich aus rot-weiß-roter Sicht auf eher unbekanntem Terrain. Daher eine kurze Erklärung: Die Region Hauts-de-France ("Hochfrankreich" oder für uns eher "Nordfrankreich") entstand 2016 aus dem Zusammenschluss der Picardie mit Nord-Pas-de-Calais. Die nun drittgrößte Region Frankreichs liegt – grob gesprochen – zwischen Belgien im Norden, der Kanalküste im Westen und Paris im Süden.
Dass das Eigenschaftswort "dynamisch" für die sogenannte Eurometrople Lille kein leerer Slogan ist, wird mir schon nach wenigen Minuten klar. Die Innenstadt zwischen Oper und Kathedrale ist auch an einem regnerischen Nachmittag im Frühjahr bummvoll mit überwiegend jugendlichem Publikum. Ähnlich dem baskischen Bilbao hat sich Lille in den Jahrzehnten der Deindustrialisierung aus einem finsteren Stadtmoloch in ein lebendiges Zentrum von Kultur, Handel und Hightech verwandelt.
Und in eine Stadt des kulinarischen Genusses, wobei traditionelle flämische Restaurants mit einfachen Holztischen und rustikaler Einrichtung, genannt "Estamiments", den Geschmack des Publikums mit deftigen Gerichten am besten treffen. Aber wer abnehmen möchte, ist in Frankreich überall am falschen Ort.
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