An fernen Küsten
Auf einer Reise durch Ghana, Togo und Benin werden neugierige Entdecker auf ihre Rechnung kommen, die auch vor einigen kleinen Abenteuern nicht zurückschrecken.
Die Festung des heiligen Georg in Elmina ist ein Ort des Entsetzens und der Lebensfreude zugleich. Innen kann sich der Besucher ein Bild vom "Weg ohne Wiederkehr" machen, den die aus dem Inneren Ghanas an die Küste gebrachten Sklaven hier antreten mussten. Blickt man aber durch ein vergittertes Loch in der Burgmauer hinaus, sieht man heutzutage natürlich keine Schiffe der Sklavenhändler mehr, sondern bunt bemalte Fischerboote, die an dem kleinen Sandstrand unterhalb der Festung angelandet sind. Es herrscht geschäftiges Treiben, fröhliches Stimmengewirr vertreibt die kalte Stille aus den dunklen Sklavenverliesen.
Eine Reise an die Küsten Westafrikas, nach Ghana, Togo und Benin, ist genau das: voller Überraschungen. Hier ist nichts so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Unsere Wahrnehmung, die bestimmten Bildern, Geräuschen und Gerüchen fest gefügte Bedeutungen zuordnet, versagt angesichts der Fülle fremder Eindrücke. Gleichzeitig öffnen sich Herz und Geist für Neues, was ja der eigentliche Sinn des Reisens ist, soll es nicht ausschließlich um erholsamen Urlaub gehen.
Unterwegs in Togo & Benin: das Video
Szene eins: der Rachegott
Schon aus dem Reisebus sind die Trommeln zu hören. Im Dorf Sanguera in Togo findet an diesem Tag ein Voodoo-Fest zu Ehren des Rachegottes Kokou statt. Die Touristen sind – natürlich gegen Geld, das der Reiseveranstalter vorgestreckt hat – eingeladen, der Zeremonie beizuwohnen. Freilich ist so ein Voodoo-Fest kein "Tiroler Abend", wie er für deutsche Gäste im Alpenland so gerne inszeniert wird, sondern eine ernsthafte Angelegenheit. Das Fest würde also auch ohne willkommenen Touristen-Aufputz steigen. In Togo glaubt man gleichzeitig an den Christengott und die Voodoo-Götter. Doppelt hält besser, wenn es um Seelenheil und Gesundheit geht.
Der in weißes Tuch gewandete Priester begrüßt die Fremden, indem er rituelle Formeln spricht und Schnaps durch Verschütten auf den Boden dem Gott opfert. Dann geht es zum Festplatz, wo schon eifrig getrommelt und getanzt wird. Eine große Menschenschar von sehr Jung bis sehr Alt hat sich versammelt und sieht aufmerksam zu, wir dürfen auf Holzbänken in der ersten Reihe Platz nehmen. Rasch ziehen uns Trommeln und Tanz in den Bann.
Freilich zeigt sich auch hier rasch das bekannte Problem mit dem Ausbleiben sinnstiftender Wahrnehmung. Der europäische Geist will dem Geschehen eine rationale Bedeutung geben, die auf einen bestimmten Zweck hinausläuft. Was wirklich geschieht, ist aber ein Tabu, muss Geheimnis bleiben. Nur soviel: Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden, offenbar unter wirksamer Mithilfe von Substanzen, willkürlich von dem Gott übernommen und scheinen im ekstatischen Tanz mit ihm zu verschmelzen.
Szene zwei: der König von Togo
Der König von Togo residiert in einem Wohnzimmer. Eigentlich ist Fiogâ Joël Kwassi Mensah Mlapa VI. ja nur der Chef des Kantons von Togoville am gleichnamigen See. Aber das Schicksal wollte es anno 1884, dass einer seiner Vorfahren einen Vertrag mit dem Deutschen Kaiserreich unterzeichnete, der die nähere Umgebung zum "Deutschen Schutzgebiet" machte.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Togo französische Kolonie, 1960 errang es die Unabhängigkeit, aus einem neuen echten Königreich Togo wurde dann nichts. Aber der freundliche König gibt nicht auf, versucht neben seiner Tätigkeit in der Verwaltung diplomatische Kontakte mit Behörden in Deutschland zu knüpfen. Viel Entgegenkommen erntet er dort freilich nicht, Kolonialismus ist gerade ziemlich daneben in Germany.
Togoville ist ein verschlafenes Dorf am See. Ein Gedenkstein verkündet, dass Papst Johannes Paul II. einst hier mit einer Piroge herübergekommen ist. Daneben eine Bar, in der es kaltes Bier gibt. Sehenswert ist das kleine Museum, das die Geschichte des Ortes lebendig macht. Wo aber ist heutzutage das Original des Kolonialvertrages mit der fremden Macht? Das bleibt ein letztes Geheimnis des modernen "Königs von Togo".
Szene drei: Angels
Die bildhübsche junge Frau heißt Angels, ist vom Stamm der Fo und spricht perfektes Business-Englisch. Sie führt uns durch den Python-Tempel, eine ummauerte Ansammlung von kleinen Gebäuden unter einem gigantischen Affenbrotbaum in der Stadt Ouidah, Benin, einem der Zentren des Voodoo-Kultes in Westafrika. Im Jänner steigt hier ein großes Festival, zu dem Neugierige aus aller Welt kommen.
Auch wir sind neugierig und wollen mehr über den Python-Kult wissen, der hier in Sichtweite der frisch renovierten katholischen Kirche praktiziert wird. Angels erklärt mit viel Geduld, dass der Fetisch des Baobhab-Baumes Irako heißt, dass die magischen Zahlen der Fo und dieses Tempels eins, sieben und 41 sind und dass es reinigt und heilt, wenn man sich einen der 13 Pythons, die hier ihr Zuhause gefunden haben, um den Hals legt. Schweigen. Wir schauen offenbar drein wie der ungläubige Thomas. "Voodoo ist keine schwarze Magie", wiederholt Angels mit Nachdruck. "Es ist eine Lebenserkenntnis, die Reinigung und Heilung verheißt." Einfacher zu verstehen ist, dass sich auch Ausländer eine der Schlangen um den Hals hängen lassen können – für ein Beweisfoto, welchen Mut man in Westafrika aufgebracht hat. Fast jeder tut das.
Szene vier: Houdjohoundji
Im Dorf Houdjohoundji sind wir Gast bei einer der wohl berühmtesten Voodoo-Zeremonien sind, dem Zangbeto. Die sogenannten Wächter der Nacht sind in körpergroße Masken aus buntem Stroh gehüllt, die im Kreis tanzen und offenbar gebändigt werden müssen. Unsere Reisegruppe und eine weitere aus Israel folgen der Aufführung. Es ist, als hätte es beide auf einen anderen Planeten verschlagen.
Szene fünf: Maison de Bresil.
In dem unscheinbaren Stadthaus Ouidahs wird die Geschichte des Sklavenhandels an der Küste Dahomeys, wie Benin einst hieß, erzählt. 1961 zündeten die Portugiesen ihr nahes Fort an und verschwanden wieder übers Meer, woher sie fast ein halbes Jahrtausend zuvor aufgetaucht waren: Sie waren die ersten und die letzten Fremden an der sogenannten Sklavenküste. Nicht weit vom Maison de Brésil sind Bagger im Einsatz, die Straße wird erneuert. Hier soll mit Unterstützung der Vereinten Nationen ein Mahnmal errichtet werden. Am sogenannten "Baum ohne Wiederkehr" ist es schon fertig, es ist leider ein lebloser Fremdkörper inmitten der armseligen Häuser rundum.
Schluss
Das Programm der Reise wird etwas abgeändert, das Mittagessen im Hotel fällt aus. Cosme, unser einheimischer Reiseleiter, ein freundlicher und höflicher Herr, macht sich zusammen mit dem Fahrer in Ouidah auf die Suche nach einem passenden Restaurant. Es ist nicht so einfach, eines zu finden. Vor allem die Toiletten abseits der Touristenhotels sind ein Abenteuer für sich. Westafrika ist dicht besiedelt, ein Versteck im Wald ist keine Alternative. Die Hotels sind einfach, sauber und zweckmäßig, das Essen vertragen fast alle, Ausnahmen sind nicht ausgeschlossen. Tagsüber wird es oft furchtbar schwül, an den Abenden ist Schutz gegen die Moskitos angesagt. Ein Pluspunkt ist die bequeme Anreise ab Wien mit Ethiopian über Addis Abeba nach Accra (Ghana) und retour von Cotonou, wo nach einer Westafrika-Reise die fernen Küsten rasch im allgegenwärtigen Dunst verschwinden.
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