Im Bauch der Basken
San Sebastian ist in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas. Die baskische Hauptstadt der Esskultur war sie schon immer. Willkommen zu einem kulinarischen Stadtrundgang.
Ganz offiziell heißt es: Donostia/San Sebastian ist Kulturhauptstadt Europas. Donostia? Das ist der baskische Name für die 186.000-Einwohner-Metropole und leitet sich ebenfalls vom Heiligen Sebastian ab: Die erste Silbe, "Don", ist aus dem lateinischen "domine" (Herr) entstanden, wird im Baskischen den Namen der Heiligen vorangestellt und entspricht somit dem spanischen "San". Und aus "Done Sebastian" entwickelte sich zuerst "Donebastia" und schließlich "Donostia".
Genug der Etymologie, schließlich wollen wir die Stadt im Norden Spaniens am Golf von Biskaya erkunden. Doch wir sind nicht nach Bilbao geflogen und von dort 100 Kilometer mit dem Leihwagen gefahren, um irgendwelche Paläste (etwa den von Miramar, die Sommerresidenz der spanischen Königin Maria Christina, einer gebürtigen Habsburgerin) oder Kathedralen abzuklappern. Wir sind dem Ruf von San Sebastian als kulinarische Weltmetropole gefolgt. Die "Neue Baskische Küche" ist im wahrsten Sinn des Wortes in aller Munde, 17 Sterne hat der Guide Michelin hier verteilt – drei Restaurants schmücken sich sogar mit drei Stück davon. Wir setzen unseren Rundgang ein paar Stufen unter diesem Level an, machen das, was die Bewohner San Sebastians, die Donostiarrak, gerne tun: von Bodega zu Bodega ziehen, um Tapas zu genießen. Nein, falsch: Wir sind im Baskenland und das heißt hier "Pintxos" – und ist ein bisserl was anderes als Tapas.
Aber verschaffen wir uns zuerst einmal einen kurzen Überblick über die Stadt.
San Sebastian, die Stadt der Pintxos
Wer vom Essen in San Sebastian schwärmt, meint stets auch die "Pintxos" (sprich: "Pintschos"). Das heißt übersetzt "Spieße", bedeutet aber nicht das, was wir uns darunter vorstellen, Hirtenspieße und dergleichen. Die baskischen Spießgerichte sind viel kleiner, eigentlich schon Miniaturen, und, wie schon gesagt, den spanischen Tapas nicht unähnlich.
Zu Tapas gibt es aber zwei gewaltige Unterschiede. Zum einen werden Tapas in spanischen Tapa-Bars und Bodegas stets vorwiegend zur Aperitifzeit und quasi als Beilage zu Bier, Wein, Sherry und Ähnlichem gereicht – Pintxos spielen dagegen stets die Hauptrolle. Ihretwegen ziehen die Menschen hier von Lokal zu Lokal, machen sich auf zum Pintxo-Trail, der von der Mittagspause bis zum Abendessen verlängert werden kann. Tapas werden aus irgendwelchen auf der Theke platzierten Plexiglas-Ständern ausgewählt, Pintxos hingegen opulent präsentiert.
Der zweite Unterschied: Tapas gibt es als Begleitung zum Drink gratis, Pintxos werden Stück für Stück verrechnet.
Eigentlich gibt es ja auch einen dritten Unterschied: Gegen Tapas sind Pintxos die absolute Oberliga. Selbst Haubenköche toben sich auf diesem Gebiet aus. verwenden neben einfachen Zutaten auch solche aus der gehobenen Küche wie Lungenbraten und Hummer. Der Raffinesse der Mini-Portionen sind keine Grenzen gesetzt, selbst der Spieß, der alles zusammen hält – heute oft ein Zahnstocher – gehört längst nicht mehr zum Pflichtprogramm. Es gibt Pintxos, die lassen sich sogar aus dem Glas löffeln.
Genug der Theorie jetzt, machen wir uns auf den Weg zu einer ausgiebigen Pintxo-Runde.
Obwohl San Sebastian im 12. Jahrhundert zum wichtigsten Hafen der Region ausgebaut wurde, ist es keine mittelalterlich-pittoreske Stadt. Der Grund liegt darin, dass Ende des 15. Jahrhunderts ein Erdbeben alles in Schutt und Asche legte. Der Neuaufbau wurde Stützpunkt der kantabrischen Kriegsflotte, die immer wieder gegen fremde Armadas zu kämpfen hatte. Und immer wieder von französischen Truppen erobert wurde. 1813 brannte die Stadt bis auf die Grundmauern nieder.
Älter ist also kaum ein Gebäude. Mit Bedacht auf die Lage an der Concha-Bucht und den beginnenden Tourismus achtete man auf ein ziemlich einheitliches Stadtbild, das an der Küstenlinie dem von Monte Carlo stark ähnelt. San Sebastian ist fast genauso sauber, und ein gelbes Casino gibt es auch – nur dass es hier heute als Rathaus genutzt wird.
Nach den vielen Pintxos sollten wir uns die Beine vertreten. Der Strand (tatsächlich ist der – wenn auch schmale – Stadtstrand ein Sandstrand!) ist bei dem Prachtwetter, das wir heute genießen, überlaufen. Aber der Berg am anderen Ende der Bucht – da müssen wir hin. Wir fahren mit dem Auto die Bucht entlang und stellen es an einem kreisrunden Parkplatz ab.
Zu Fuß auf den Berg oder mit der Standseilbahn? Sie ist aus Holz, riecht wie die alten Ringwagen mit ihren offenen Plattformen in Wien und wirkt mindestens dreimal so urtümlich – Gründe genug, um sich einen Marsch über 132 Höhenmeter zu ersparen. Und oben wartet etwas ganz Besonderes.
San Sebastian war gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht gerade ein sicheres Reiseziel, die baskische Seperatistenbewegung (ETA) verübte über Jahrzehnte hinweg regelmäßig blutige Anschläge. Dann wurde es mit der Zeit immer ruhiger. Seit etwa fünf Jahren hat die ETA hochoffiziell dem Terror abgeschworen, was auch für den Tourismus ein Segen war. Mit der Ernennung zur Kulturhauptstadt soll die Erinnerung an diese Zeit endgültig abgeschlossen werden.
San Sebastian liegt zwar in einer geschützten Bucht, aber dann und wann verschafft sich der raue Atlantik Zutritt. Dann können die Wellen schon recht hoch werden.
Hotel-Angebote für San Sebastian samt Flügen nach Bilbao zu tagesaktuellen Preisen hat das ÖAMTC-Reisebüro unter der Hotline Tel. 0810 120 120.