Kanada ist nicht zu fassen. Das Land ist 120 Mal so groß wie Österreich, hat aber nur viermal so viele Einwohner, die Vorfahren in mehr als 80 anderen Ländern der Welt haben. Der Trans-Canada Highway führt 7.800 Kilometer vom Atlantik an den Pazifik, das ist 26 Mal die Strecke Salzburg–Wien.
Wo soll man da anfangen? Mit den grandiosen Rocky Mountains, in denen türkisfarben schimmernde Seen, majestätische Bergriesen und scheinbar endlose Wälder warten, durch die Grizzlybären und Elche streifen? Oder doch lieber mit faszinierenden Städten wie dem aufstrebenden Toronto, dem frankophonen Montréal oder der Pazifik-Boomtown Vancouver, das Wien den ersten Platz in den Ranglisten der Städte mit der höchsten Lebensqualität streitig macht?
Beginnen wir besser mit Felicitas Dusbaba, mit der ich an diesem warmen, sonnigen Oktobertag mit einem Ausflugsboot zu den "Tausend Inseln" im Sankt-Lorenz-Strom hinausfahre. Schon hat der Herbst die Ahornblätter gelb und rot gefärbt. Ein milder Wind streichelt das Wasser, das den wilden Absturz über die Niagarafälle schon hinter sich hat und nun dem Atlantik entgegengleitet.
"Gesucht habe ich vor allem Freiheit, weniger Zwänge", sagt Felicitas, die als junge Frau aus Deutschland nach Montréal gekommen ist. "Aber sicher war es auch jugendliche Albernheit. Wenn mein Vater zornig war, sagte er immer: Ich gehe Holz hacken nach Kanada." Felicitas heiratete (einen Ex-Österreicher), Kanada wurde für sie wie für viele andere zur Erfolgsgeschichte. "Das Land hat sich phänomenal entwickelt", sagt Felicitas stolz. 2017 feiert ihre Heimat ihren 150. Gründungstag.
Zu den Niagarafällen fahren wir gemeinsam. Die touristische Totalnutzung hat den 53 Meter hohen Absturz des Sankt-Lorenz-Stroms zwischen Erie- und Ontariosee zu einer Art Natur-Disneyland gemacht. Der Attraktivität des gigantischen Schauspieles aus Wasser, Dampf und Licht hat das allerdings nicht geschadet. Ich gebe mir die volle Niagara-Dröhnung, fahre am offenen Schiffsdeck der "Hornblower" hinein in die tosenden Wassermassen. Nass werden gehört zu diesem Spaß dazu.
Etwas mehr als 100 Euro kostet es, das Naturwunder für einige Minuten aus dem Helikopter zu bestaunen. Das vergisst man ein Leben lang nicht, garantiert. Anschließend führt mich Felicitas in das nahe Weinbaugebiet zu einer Verkostung aus. Wir spazieren durch die schmucke, wohlhabende Kleinstadt Niagara-on-the-Lake, erste Hauptstadt des einstigen Oberkanadas. Und gehen auf einen Espresso, der wie zu Hause schmeckt. So schön kann das Leben sein.
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