Segel-Traum

Eine Kreuzfahrt mit der Royal Clipper, dem größten Segelschiff der Welt, von der Côte d'Azur nach Korsika und wieder retour.

Im Vieux-Port, dem alten Hafen von Saint-Tropez, darf man noch ungeniert zeigen, dass man so richtig Geld hat. Die Megajacht am Kai trägt den Namen der frischen Geliebten. Der Sportwagen wartet schon für die Spritztour hinüber zur Plage de Pampelonne: Im Club 55, den Brigitte Bardot vor einem halben Jahrhundert berühmt gemacht hat, wartet ja schon der reservierte Tisch. Alle sind hier ziemlich tiefenentspannt. 

Meist bleiben die Promis in Saint-Tropez ja unter sich. Dafür sorgen neben gut ummauerten Villen zumindest in der Saison schon die täglichen Megastaus auf der schmalen Zufahrtsstraße vom Rest Frankreichs. Im Schritttempo geht es hinaus auf die kleine Halbinsel mit ihren legendären Stränden.

Doch hin und wieder durchbricht ein unerwartetes Ereignis die weitgehend sorgenfreie Routine dieses süße Daseins auf Erden. Die Schönen an den Decks der Jachten heben dann langsam die Köpfe von den Sonnenliegen. Die Herren der Schöpfung nehmen rasch die Feldstecher zur Hand, um genauer hinzusehen. Mit ausgestrecktem Arm zeigen sie übers azurfarbene Wasser der Bucht hinaus in Richtung Horizont: Seht doch, da kommt sie herein! 

Der Auftritt der Royal Clipper, des größten Segelschiffes auf den sieben Weltmeeren, ist überall ein Ereignis für sich. Der Fünfmaster, der seit nunmehr fast 20 Jahren seine Alleinstellung behauptet, ist ein Nachbau der legendären Preußen, die Anfang des 20. Jahrhunderts für das Ende der Ära kommerzieller Großsegler stand. Das stolze Schiff ist 134 Meter lang und bietet bis zu 227 Passagieren Platz. Besonders angenehm: An Bord hat man immer das Gefühl, auf einer exklusiven Jacht zu reisen, muss aber gleichzeitig nicht auf Annehmlichkeiten einer normalen Kreuzfahrt wie Bar, Bordrestaurant oder Fitnesscenter verzichten. 

Ein besonderes Ereignis, zu dem sich die Passagiere immer wieder gerne an Deck versammeln, ist das Setzen der Segel beim Auslaufen aus den Häfen. Zur Melodie von "Conquest of Paradise" aus dem Film "1492" blähen sich nach und nach immer mehr Segel im gleißenden Sonnenlicht, dann gleitet die Royal Clipper langsam richtig los: Ein Erlebnis, das auch so manchem hartgesottenen Seebären unter den Passagieren das Wasser in die Augen treiben kann. 
 
Natürlich genießen die Passagiere bei dieser und anderen Gelegenheiten auch die Bewunderung der Zuschauer an Land – und jener auf den Luxusjachten vor Saint-Tropez. Das Schöne an der Royal Clipper ist ja, dass man eine Fahrt mit ihr ganz einfach im Reisebüro buchen kann. Eine solche Traumreise ist zwar nicht gerade billig. Aber auch als Durchschnittsverdiener kann man sie sich durchaus erarbeiten, das geht sich schon aus. 

Ganz zu schweigen von dem guten Gefühl, auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs zu sein, das zumindest die meiste Zeit umweltfreundlich vom Wind über die Wellen getrieben wird. Motoren hat die Royal Clipper aber dennoch an Bord, denn sie muss auch bei Flaute den Fahrplan einhalten.

Einfache Anreise nach Südfrankreich

Unterwegs ist dieses wunderbare Schiff mit seiner internationalen Crew im europäischen Winter in der Karibik und im Sommer zum Glück ganz in der Nähe – im Mittelmeer. Für alle, die zum ersten Mal eine große Segelkreuzfahrt unternehmen wollen, empfiehlt sich eine Tour mit Abfahrt ab Venedig oder Cannes, da in diesem Fall die Kosten für eine Flug-Anreise über den Atlantischen Ozean wegfallen. 

Eine der beliebtesten Touren ist eben jene, bei der sich das Flair der berühmten Côte d'Azur, der italienischen Riviera und der wild-romantischen Gestade Korsikas stilsicher mit einem Segel-Kreuzfahrtschiff erleben lassen. Der Vorteil der Royal Clipper (und anderer kleinerer Schiffe) ist ja, dass man nicht auf große Häfen angewiesen ist, sondern auch "Geheimtipps" ansteuern kann oder – wie bei der Royal Clipper meist der Fall – in einer Bucht vor Anker geht und die Passagiere mit den Rettungsbooten im Pendeldienst an Land und wieder retour bringt.

Anreise und Check-in funktionieren genauso wie bei anderen Kreuzfahrten auch. Am frühen Nachmittag bringt uns ein Rettungsboot vom Hafen des schmucken Städtchens Cannes hinaus zur Royal Clipper. Der Kapitän begrüßt die Gäste einzeln mit Handschlag, Willkommens-Drink und Kabinenschlüssel sind schon bereit. Letztere sind wie auf allen Jachten nicht übermäßig groß, aber stilvoll und praktisch eingerichtet. Meine ­Kabine hat ein Bullauge, durch das Licht hereinglitzert. 

Wir wollen ja ohnehin nicht in der Kabine versumpern: Schnell raus also an Deck, denn schon erklingen mit einem verheißungsvollen "Ta, Tamm, Ta, Tamm" die ersten Takte der Conquest-Hymne. Die Matrosen setzen die Segel, wir nippen am Cocktail, es geht endlich los! 

Das exzellente Bordrestaurant besticht mit gutem Service, großer Auswahl und legerer Atmosphäre. Einzig für den Gala-Kapitänsabend sollte man sich eher ein Sakko mitnehmen, die Damen ein schönes Kleid. Ansonsten hat man als Mann an Bord der Royal Clipper auch abends in einer langen Freizeithose und Hemd keinen Fehler gemacht.
 
Nach dem Dinner gibt es an der Bar unter freiem Himmel oft noch eine kleine Showeinlage. Wer auf ein großes Unterhaltungsprogramm steht, ist auf der Royal Clipper aber eher auf dem falschen Schiff. Im Mittelpunkt stehen hier Seefahrt an sich und selbstverständlich die Reiseziele. Und die passen in diesem Fall einfach perfekt in dieses Reise-Gesamtkunstwerk. Man kann sich keine schönere Ankunft im berühmten Portofino vorstellen als mit diesem Schiff. Die Royal Clipper geht draußen vor Anker. Für uns und die anderen Passagiere wird ein Pendeldienst direkt in den weltberühmten Fischerhafen des Dörfchens eingerichtet (der freilich mittlerweile ebenfalls fest in der Hand der Megajacht-Cruiser ist). Bis spätabends bleibt Zeit, um Ambiente und Aussichten zu genießen.

Erkundungen auf Korsika

Als wir mit einem Häferl frischem Kaffee in den Händen schon früh am nächsten Morgen an Deck sind, gleitet unser stolzes Schiff in strahlendem Sonnenschein schon auf die Gebirgsketten Korsikas zu. Île-Rousse ist ein beliebter Ferienort. Ein schöner Uferbogen mit Sandstrand führt zu einem Place unter Platanen, auf dem Männer Boule spielen. 

Wer sich näher auf Korsika einlassen will, kann eine Olivenöl-Produktion nach natürlichen Methoden besuchen oder sich im Bergdorf Belgodère, in das eine kurvenreiche Straße führt, im "Donna è" in die Geheimnisse der Bio-Kosmetika einweihen lassen. Die natürlichen Grundstoffe dafür liefert die allgegenwärtige korsische Macchia.
 
Am nächsten Tag ankert unsere schönes Schiff vor der Stadt Calvi, die von einer Festung der Genuesen beherrscht wird. Eine schöne Möglichkeit, die wildromantische Küste außerhalb zu erkunden, ist ein Ausflug mit modernen E-Bikes, wie er etwa von Yaba-Bike in äußerst professioneller Manier und auch in deutscher Sprache angeboten wird. Der E-Motor sorgt dafür, dass man die doch recht steilen Anstiege der Küstenstraße gut bewältigen und daher auch die phantastischen Ausblicke entspannter genießen kann.

Ganz den Vorstellungen von einer Schiffsreise nach Korsika entspricht auch der nächste Tag. Unser Schiff ankert vor der kaum bekannten Plage de Sevani. Mit den Booten gelangen wir über das türkisfarbene Meer rasch an Land. Steg gibt es keinen, man steigt einfach mit den nackten Füßen ins Wasser und watet einige Schritte durch die sanfte Brandung an den schönen Sandstrand.

Dann nimmt unsere Royal Clipper wieder Kurs auf die Cote d'Azur – aber eben nicht nach Nizza oder Monaco, sondern auf das kleine Le Lavandou, wo Maler wie der Pointillist Théo van Rysselberghe lebten, die das Meer liebten – und malten. Man kann ein kleines Museum in dem Haus besuchten, in dem er arbeitete. Und dann den kleinen, gut geschilderten "Weg der Maler" hinüber in die Stadt gehen. 

Nur wenige Seemeilen weiter besuchen wir am gleichen Tag Sanary-sur-Mer, das nicht nur wegen des Postkarten-Hafens mit bunten Fischerbooten fasziniert. Der idyllische Ort diente während des Zweiten Weltkriegs auch Flüchtlingen aus Österreich als Zuflucht. Zumindest zeitweise fanden hier etwa Stefan Zweig, Alma Mahler-Werfel und viele andere Asyl. 

Am letzten Tag unserer Sieben-Tage-Seereise besuchen wir das legendäre Saint-Tropez. Die Bardot hat hier schon zu Lebzeiten ein Denkmal. Und Luis de Funès, dem Film-Gendarmen, ist ein eigenes Museum gewidmet – in der Ex-Gendarmerie.

Schließlich geht es wieder zurück nach Cannes, dem Endpunkt unserer Reise. Die Segel werden ein letztes Mal gerafft und wir müssen leider von Bord. Wie ein schöner Traum bleibt das Schiff auf dem scheinbar endlosen Meer zurück.

Angebot von ÖAMTC-Reisen

Das ÖAMTC-Reisebüro bietet Kreuzfahrten mit der Royal Clipper an. Nähere Infos unter Tel. 01 711 99 34 000 sowie hier.