Mobile Zuhause

Der Bildband "Nomadic Homes" aus dem Taschen-Verlag zeigt, wie der Mensch zugleich sesshaft und Nomade sein kann – energiesparend, nachhaltig und innovativ. 

In vergangenen Jahrzehntausenden wurde der Mensch vom Nomaden zum sesshaften Bauern. Und in den letzten Jahren dann auch zum gleichzeitig mobilen wie sesshaften Internet-User. Warum also sollten wir in Zukunft immer an der selben Stelle im selben Haus wohnen?

Ein neuer, von Philip Jodido im Taschen-Verlag herausgegebener Bildband zeigt, wie breit das Spektrum an mobilen Wohnformen heute ist. Es gibt sie in allen Größen und Formen, für Arme wie für Reiche, vom Zelt und der Jurte über das "mobile home" US-amerikanischer Herkunft und den bei uns gebräuchlichen Wohnwagen bis hin zum mobilen Ferienhaus und zur Luxusyacht. Für die einen gehört es zu ihrer traditionellen Lebensweise, den Wohnsitz im Wechsel der Jahreszeiten zu verlagern. Andere wiederum genießen die Vorzüge der Freizeitgesellschaft durch gesteigerte Mobilität – oder führen gar ein modernes Nomadendasein. Und immer mehr Menschen sind durch Globalisierung und Kriege gezwungen, ihre Sesshaftigkeit aufzugeben.

"Was könnte zeitgemäßer sein, als in erster Linie auf die Mobilität zu setzen, vor allem auf die Beweglichkeit", sagt Jodido. Der Kunst- und Wirtschaftswissenschafter war zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur der französischen Kunstzeitschrift Connaissance des Arts. Sein Bildband zeugt alles, was sich unter "mobiles Wohnen" zusammenfassen lässt: vom frisch renovierten Airstream-Wohnwagen bis zu den atemberaubenden mobilen Ferienhäusern des Pop-up-Hotels "Epic Retreats" in Wales. Er wirft einen Blick auf die besten Camper und Zelte und zeigt uns – am anderen Ende des Spektrums – die Flüchtlingsunterkünfte für jene Menschen, die durch politische Willkür oder Angst vor Verarmung buchstäblich zu Unbehausten wurden. 

Meine kleine Öko-Kapsel

Weniger als sieben Quadratmeter bietet dieses autarke, intelligente Mikrohaus. Die Ecocapsule nutzt Solar- und Windenergie, damit Menschen an entlegenen Standorten leben können, ohne auf hohen Wohnkomfort verzichten zu müssen. Es kann als Hütte, Pop-up-Hotel, als Wohnwagen und sogar als Ladestation für Elektroautos dienen. Die Kugelform soll die Aufnahme von Regen- und Tauwasser maximieren, die Außenhaut minimiert zugleich den Energieverbrauch: Hohlwände mit hocheffizienter thermischer Isolierung schützen die Bewohner vor Kälte. Die "Ecokapsel" ist leicht zu transportieren, sie passt in einen Container. Über die Kosten machen die Entwickler keine Angaben. 

Für Waldmenschen

Gibt es die Hobbits aus Tolkiens "Der Herr der Ringe" wirklich? Und leben sie vielleicht hier? Nein! Die kleine Hütte für einen Wald in Wales sollte ursprünglich auf Stelzen gebaut werden und – angelehnt an ein Gedicht – "einem Geschöpf ähneln, das durch ein Gelände streift". Das transportierbare Gebäude, das 15 Quadratmeter Wohnraum bietet, besteht aus geschwärztem Holz und Stahl. Oberlichten geben den Bewohnern Ausblicke auf Wald und Himmel. Die große, kreisförmige Tür wird zur Seite gerollt und zeigt dann die Innenverkleidung aus unbehandeltem Fichtenholz mit einem luxuriösen Schlafbereich, maßgefertigtem Waschbecken und Sanitärbereich. Geheizt wird selbstverständlich mit einem Holzofen. Kosten: umgerechnet nur etwas mehr als 12.000 Euro. 

Das reisende Haus aus Pappe

Wikkelhouse ist ein modulares Konstruktionssystem aus Pappkarton-Bauelementen, die innerhalb eines einzigen Tages ohne Fundament aufgestellt werden können. Die miteinander verzahnten, 1,2 Meter langen und jeweile 500 Kilogramm wiegenden Pappteile können entweder zu einem Wohnhaus oder zu einem anderen Gebäude mit beliebiger Nutzung verbunden werden. Die Pappverkleidung ist durch eine wasserfeste Beschichtung geschützt, alle Bauteile sollen eine Lebensdauer von 50 und mehr Jahren haben. Das Haus kann durch ein Modul mit Toilette, Bad und Küche erweitert werden. Sein Transport ist denkbar einfach. Kosten: je nach Größe zwischen 40.000 und 120.000 Euro. 

Geht nicht, gibt’s nicht

Mit den Baumzelten von Tentsile kann man an Plätzen nächtigen, wo man niemals vorher campiert hätte. Diese hängenden Zelte lassen sich zwischen Bäumen befestigen, aber auch zwischen Felsen über einem Bach. Egal wo, Hauptsache Ankerpunkte sind vorhanden. Wenn der Boden trocken ist, können diese innovativen Teile auch am Boden aufgeschlagen werden. Die Zelte bestehen aus Polyester- und Nylongewebe und können innerhalb von 15 Minuten aufgestellt werden. Das größte namens "Stingray" hat Platz für drei Personen und kann eine Maximallast von 400 Kilogramm tragen. Stolzer Preis: 999 Euro. Das Zelt "Flite" hat eine geringere Kapazität von 220 Kilogramm und wiegt auch nur 3,2 Kilogramm. Es hat Platz für zwei Personen. Zu groß darf man aber nicht sein: Eine 1,84 Meter große Person kann noch relativ bequem liegen. Das Zelt passt in den Trekkingrucksack oder aufs Motorrad. Das Schlafen am Boden neben der Maschine hat somit ein Ende. Preis: 319 Euro. 

Wohnen auf Stelzen

Das sechs Quadratmeter große Walking House sieht aus wie ein riesiger Roboter-Käfer. Bis zu vier Personen haben in diesem Wohnbausystem Platz. Die sechs beweglichen Metallstelzen mit Linearantrieb können die Unterkunft ganze 60 Meter pro Stunde fortbewegen. Dieses laufende Haus ist mit Solarzellen und kleinen Windrädern zur Stromerzeugung, einem Regenwasser-Sammelsystem und einem Solarenergie geheizten Warmwassersystem ausgestattet. Der bewohnbare Roboter verfügt über eine Kompost-Toilette und einen kleinen Holzofen. Kosten: 50.000 Euro.

Schwimmendes Zuhause

Das "schwimmende Haus", das von Carl Turner 2016 für einen anonym bleibenden Besitzer in Großbritannien entworfen wurde, ist eine direkte Antwort auf den Klimawandel, der ja nicht nur zu höheren Temperaturen und Trockenheit, sondern auch zu mehr Überschwemmungen führen wird. Das klimaneutrale und autarke Wohnhaus, das 200.000 Euro gekostet hat, steht bei einer Überflutung nicht mehr an seinem Platz – es schwimmt. Fundament ist eine Betonplatte, die auf Pfeilern oder auf Ponton stehen kann. Die Wände des Gebäudes sind aus Polycarbonat mit 84 Quadratmeter Fotovoltaikpaneelen. Die Pläne können als Open-Source-Software hier herunter geladen werden. 

Leben auf dem Holzfloß

Dieses schwimmende Haus steht in Portage Bay, einem Stadtteil von Seattle. Der Architekt Ryan Mankoski erklärt: "Unser wichtigstes Planungsziel war, ein modernes Wohnhaus zu schaffen, das dem historischen Charakter des Lake Washington Ship Canal gerecht wird." Die ersten Bewohner der schwimmenden Häuser von Portage Bay waren einst Holzfäller und Seeleute. Sie haben ihre Wohnhäuser auf gefällten Baumstämmen gebaut. So wurde auch dieses 167-Quadratmeter-Heim auf einem 100 Jahre alten Holzfloß errichtet. Es besteht aus Rohstahl, Zedern-Altholz, recyceltem Holz und Bambus. Mit integrierter Fußbodenheizung und einem begehbaren Deck wird jedes Hausboot zum Luxusrefugium.

Schlafen bei den Fischen

Eine Nacht im Indischen Ozean! Um 1.700 US-Dollar pro Nacht kann sich jeder diesen Traum erfüllen. Das extravagante Hausboot befindet sich vor der Insel Pemba, gleich bei der Insel Sansibar in Tansania. Gäste des Manta Resorts wählen, ob sie in einer Beach Villa nächtigen möchten oder eben auf dem Hausboot. Der Wohnraum und das Badezimmer befinden sich auf Meeresniveau, das Doppelbett hingegen unter der Wasseroberfläche. Eine Leiter führt hinunter in den Schlafraum. Vom Bett aus genießen Gäste bei klarer Sicht die Unterwasserwelt. Es gibt aber auch Scheinwerfer, die oft Tintenfische und Oktopusse anlocken. Den Sternenhimmel können Besucher in der Lounge Area vom Dach aus bestaunen. 

Buch-Tipp