New York State of Mind
Diese Stadt hat etwas zutiefst Menschliches. Zuletzt war sie die stillste Stadt der USA. Inzwischen ist sie wieder laut, stickig und so was von bunt, lebendig und faszinierend wie eh und je.
Dem New York State of Mind kann sich keiner entziehen. Die Gegensätze in der City sind extrem – sie schwanken zwischen fein und rau, zwischen arm und reich, jung und alt, old-school und mega-hip, banal und sophisticated, bunt und schwarzweiß.
New York City ist die Außergewöhnliche und Unvergleichliche. Kaum eine Stadt auf dieser Welt löst so viele widersprüchliche Emotionen aus. Man liebt sie, man meidet sie, man bewundert sie, begehrt sie, man vermisst sie und schmückt sich mit ihr. Man kann nicht mit ihr und auch nicht ohne sie. Wer einmal hier war, kehrt wieder. Jeder Versuch, diese Stadt auch nur grob zu umreißen, ist zum Scheitern verurteilt. Ich versuche es trotzdem – aus meiner sujektiven Perspektive.
Diese kleine Momentaufnahme von Juni 2022 fokussiert auf wenige Aspekte: unterwegs sein in einer Mega-City, die Stadt von oben genießen, Shopping in dieser besonderen Stadt und das Genißen eines bunten Art-Mix von Musik, Theater und Film – und wie lebt es sich in "Manna-Hatta"? Das Wort bedeutet "hügeliges Land", es wurde von der Urbevölkerung so bezeichnet, bevor Nieuw Amsterdam 1626 von den Niederländern günstig gekauft und 1664 schließlich von den Briten erobert und in New York umbenannt wurde.
Ein Hotel in New York finden
Herrlich. In nur 45 Minuten erreichen wir, nach neun Stunden Flugzeit und der eineinhalbstündigen erschöpfenden Einreiseprozedur am JFK, via Airtrain und Metro ein Hotelzimmer, das kleiner nicht sein könnte. Aber auch nicht entzückender. Daran sollte man sich gewöhnen: Die Hotelzimmer in dieser Stadt haben im Gegensatz zu jenen im Rest des Landes, und ich kenne inzwischen eine Handvoll in New York, meist die Größe eines Schuhkartons – aber immerhin eines für Feinspitze.
Daher, in aller Kleinheit, sehr empfehlenswert: das citizenM Bowery im Süden der bekannten Halbinsel. Eines der zwei citizenM-Hotels in Manhattan – das zweite liegt nahe dem Times Square.
Im 19. Stock findet sich auf knapp fünf Quadratmetern ein Bett mit sensationellem Blick auf Brooklyn Bridge, Lower Eastside, East Village und Chinatown direkt aus einem Riesenfenster, das einer New-York-Tapete ähnelt. In der Duschkabine mit WC kann man sich kaum umdrehen, der Waschtisch ist für Kleinkinder, aber das Lichtdesign, steuerbar über ein iPad, ist sensationell, mit Farbvariationen von Himmelblau bis Rotlichtrot.
Die wahren Highlights des Hotels: das Frühstück mit perfektem Barista-Kaffee im wunderbar artistisch gestalteten Untergeschoß auf Stockwerk minus 1 und die Bar cloudM (Achtung echter Geheimtipp!) im 20. Stockwerk. Es gibt kaum gediegenere und günstigere Bars in Manhattan: Outdoor wie indoor sitzt man mit Blick auf die glitzernde Skyline in der Ferne. Unten hupen und quetschen sich die Autos im ewigen Stau durch die Lower Eastside. Oben blickt man aus gemütlicher Entfernung in alle Himmelsrichtungen auf Wolkenkratzer und genießt ein paar Oliven und ein Cider für nur acht Dollar, eine Okkasion.
Wer Midtown lieber mag und Times Square und Broadway in Gehweite erleben möchte, dem sei das Pod 39 an der 39. Straße empfohlen – nett, leistbar und jugendlich. Was für ein Glück, dass die Straßen Nummern haben, sonst würde man sich niemals zurechtfinden. So weiß man immer genau, wo man unterwegs ist und wie unendlich fern von der 39. etwa die 59. Straße ist, wo der südliche Central Park beginnt und die grüne Lunge beginnt. Dafür sind die 34. und damit das Empire State Building oder auch Madison Square Garden quasi ums Eck.
Noch ein Geheimtipp: anmelden auf der Plattform hotwire.com. In einer Art Roulettesystem bekommt man stark verbilligt Hotelzimmer. Meist stehen drei bis fünf Hotels oder ein Stadtbezirk zur Auswahl und man weiß nicht, worauf die Wahl endgültig fallen wird – dafür zahlt man bis zu 60 Prozent weniger vom Normalpreis. Die Seite funktioniert für die gesamte USA und bietet auch günstige Mietwagen und Flüge.
Walking Shoes und Brooklyn Bridge
Ein paar Tipps für alle, die sich vor die Tür wagen: gutes Schuhwerk ist eine absolute Notwendigkeit, denn neben der New York City Subway, deren Linien von C bis M nahezu rund um die Uhr fahren, sind die eigenen Beine wohl das wichtigste Fortbewegungsmittel. Täglich 20 Kilometer zu Fuß sind ein guter Schnitt.
Wer viel sehen möchte: unbedingt Bus fahren. Die Busse in New York fahren rund um die Uhr, sind erstaunlich flott unterwegs und oft menschenleer.
Ein Must mit den Öffis: einmal von Brooklyn nach Manhattan oder umgekehrt mit der M-Linie. Diese fährt als High Line über der Erde und vor allem über eine eigene Brücke direkt neben der berühmten Brooklyn Bridge in die City. Der Blick vom East River Richtung Zentrum und im Süden zur Freiheitsstatue ist einzigartig. Außerdem finden sich viele attraktive Graffiti-Hauswände entlang der Strecke und das echte wie abgefuckte New York. Zudem ermöglicht der Trip etwas Erholung von der Action in Manhattan, wenn man einfach irgendwo in Brooklyn aussteigt – die niedrigen Häuser hier lassen den Atem freier fließen als es zwischen den Wolkenkratzerschluchten in der Innenstadt möglich ist.
Alternative zu Fuß: Wer im Bowery Hotel schläft, sollte morgens vorbei an Chinatown und dem NY Police Department nach Manhattan über die Brooklyn Bridge joggen. Ein unvergesslicher Lauf auf knarrenden fetten Holzbalken in der Mitte der längsten Hängebrücke der Welt mit drei Fahrstreifen links und rechts. Je früher, desto weniger ist los.
Die Brücke mit den zwei berühmten Granitpfeilern wurde von John Roebling geplant, der sich aber bei der ersten Besichtigung der Baustelle 1969 verletzte und an einer Tetanusinfektion verstarb. Sein Sohn Washington übernahm, aber auch dieser wurde Opfer des Bauwerks. Er holte sich die Taucherkrankheit aufgrund der gefährlichen Bauweise mit Caissonkästen, die ins Wasser abgesenkt wurden und in denen das Wasser durch die Erzeugung von Überdruck verdrängt wurde – eine lebensgefährliche Methode, die viele Arbeiter und auch Washington Roebling beeinträchtigte. Er wurde zum Pflegefall.
Zwischen 1873 bis 1883 verantwortete schließlich Emily Roebling, Washington Roeblings Ehefrau, das Bauwerk. Die toughe Selfmade-Woman und Projektleiterin hatte Mathematik und Bauingenieurwesen studiert. Sie nutzte das Wissen ihres verstorbenen Schwiegervaters und besprach sich mit ihrem schwer erkrankten Mann. So erbaute sie das 1.833 Meter lange Wahrzeichen der Stadt und schritt als erste über die berühmten Holzbalken.
Schiff und Yellow Cabs
In der Hitze des Sommers bieten sich natürlich auch die NYC Ferries als Transportmittel an. Sie verkehren zwischen Manhattan Midtown, ebenso an der 39. Straße, bis zum Battery Park und der Wall Street im Süden der Insel sowie weiter nach Staten Island und New Jersey. Wunderbar luftig und fein ist so eine Fahrt. Davor schaut man auf einen Abstecher zum Pier 86, auf ebendieser Straße, und ins Sea, Air & Space Museum. Hier fasziniert vor allem der riesige Flugzeugträger "Intrepid", man spürt am eigenen Leib die bedrückende Enge eines Unterseebootes und betrachtet das Innenleben des Space Shuttle "Enterprise" und ist fasziniert von dem riesigen Flugdeck mit ausgestellten F-14-, F-16- und Brooklyn-A4-Fliegern.
Wer nachts unterwegs ist, dem sei ein besonderes Erlebnis ans Herz gelegt: eine Rikscha-Tour durch Manhattan. Rikschas sind diese kleinen offenen Gefährte, die mit lautstarker Musik alle Downtown-Straßen bevölkern und Partystimmung verbreiten. Wer keine Angst vor den waghalsigen Manövern der Fahrer hat, sollte das unbedingt probieren. Ein nicht ganz billiges Vergnügen – aber zu Lady Gagas "Bad Romance" durch die nachts ruhigeren Straßen zu düsen, ist einfach ein Wow-Erlebnis.
Ganz unten: Ground Zero
In New York City liegen ganz unten und ganz oben sehr nah beieinander. "Ground Zero" ist fast immer Ziel eines Tagesausflugs. Der Blick auf die Memorials an genau der Stelle, an der ehemals die höchsten Twin Towers der Welt standen, berührt. Der Schmerz von Verlust und Zerstörung nimmt den Atem. So glitzern die beiden quadratisch angelegten Wasserfälle wie tausende Tränen in der Sonne und fallen in ein schwarzes quadratisches Loch ohne Boden in der Mitte des Sees.
Umrandet sind die beiden Gedenkstätten von silbernen Rahmen voll mit den Namen der Menschen, die vor mehr als 20 Jahren hier durch die terroristischen Anschläge des 11. September getötet wurden. 2.753 sollen es gewesen sein, ihre Namen sind in das Memorial eingraviert, zu jedem Geburtstag sind die betreffenden Namen mit weißen Rosen geschmückt.
Direkt daneben erhebt sich das nun höchste Gebäude der USA, das siebthöchste der Welt: das One World Trade Center. Das Besucherzentrum One World Observatory auf der obersten Ebene des 541,3 Meter hohen Wolkenkratzers des 1 WTC wurde 2015 eingeweiht. Es ist einen Besuch wert.
One World Trade Center – das höchste Gebäude der USA
Wer den Helikopterflug auslässt, bekommt hier oben ein ähnliches Feeling geboten. Beste Besuchszeit: kurz vor Sonnenuntergang. Man gönnt sich einen Drink an der Bar "Living Room" und wartet, bis es dunkel wird. Der 360-Grad-Rundumblick ist sensationell – natürlich ist die City von Manhattan, der rund um die Uhr gleißend erleuchtete Times Square mit seinen Werbesujets zu sehen, weiter draußen reicht der Blick bis Brooklyn, zur Williamsburg Bridge und zur Freiheitsstatue. Man sieht auch tief hinein ins Umland von New York bis zur Verrazzano-Narrows Bridge im Süden, die von Staten Island nach Brooklyn führt und den offenen Atlantik markiert, genauso wie nach Long Beach und New Haven im Osten und in die weiten grünen Hügelländer im Nordwesten der Stadt.
Empire State Building – der Klassiker
Wer es klassisch mag, nimmt den Aufzug in die höchsten Ebenen des Wahrzeichens der Stadt, das zu unserem Besuch stets in den Regenbogenfarben der Pride leuchtete. In nicht einmal acht Jahren wird das Empire State Building 100 Jahre alt sein. Das Besondere des Besuchs: Man kann in der 86. Etage ins Freie hinaus und den sanften Sommerwind genießen. Dabei entdeckt man idealerweise gleich das nächste Ziel: die Rooftop Bar 230 Fifth.
Im jahreszeitlich wechselnden Ambiente sitzt man dort draußen und ist umgeben von den höchsten Gebäuden der Stadt. Die sympathische Biergarten-Atmosphäre im New York Style mit Selbstbedienung lädt bis zur Sperrstunde zum Verweilen und Cocktails-Schlürfen.
Im Zentrum: Times Square
Danach sollte jeder in Downtown zum Highlight gen Norden stöckeln. Gerade wochentags ist nach Mitternacht die perfekte Zeit für den meistbesuchten Ort der Stadt, die angeblich niemals schläft. Doch zu diesem Zeitpunkt herrscht hier fast schon dornröschenhafte Ruhe. It's time for Times Square. Am Eck schimpft eine verkleidete Micky Maus hinter dem letzten offenen Hot-Dog-Stand auf chinesisch ins Telefon, denn nun gibt es keine Touristen mehr, die sich um ein Foto drängeln.
Dahinter steigt aus einem Kanaldeckel der unheimliche weiße Dampf und in meiner Phantasie sehe ich Marilyn Monroes weißes Kleid um ihre Beine schwingen. Gleich neben dem Kanal ist einer der vielen großen Haufen aus riesenhaften Plastikmüllsäcken, die stinkend am Straßenrand darauf warten, abgeholt zu werden. Nur noch wenige Menschen verlieren sich auf dem erstaunlicherweise immer noch nicht für Fußgänger gesperrten Platz mit der breiten befahrenen Straße in seiner Mitte. Auf einem Vordach steht ein Arbeiter mit baumelnden Karabinern und sieht genauso verträumt in den hellen Nachthimmel wie wir.
Am Randstein sitzt ein in sich gekehrter, lächelnder Saxophonist und spielt für fünf Dollar eine sensible Version von "Wonderful World", die ans Herz geht. Wir Mädels tanzen um ihn herum mit den Tränen für einen besonderen Moment in Augen. Dazu passt das teuerste Bier des Urlaubs, ein Dreiviertelliter für 20 Dollar. One moment in time.
In der Mitte leuchten die Stars and Stripes der allgegenwärtigen amerikanischen Flagge in Übergröße von einer Wall und hinter uns erstrahlt die einzig meditative Leuchtreklame am Square – sie fordert auf zum Durchatmen und wechselt ihr Sujet niemals. Ganz im Gegensatz zum wilden Blinken und Flackern der Werbungen und Reklamen für die vielen Broadway-Produktionen oder den neuen Spielfilm "Halftime" mit Jennifer Lopez. Alles ist im Dreieck rund um den Times Square angeordnet. Später gehen wir heim ins Hotel, lachend und singend. Vorbei am Flagshipstore von Steinway & Sons. Den Weg weist uns ein Vollmond, riesenhaft schimmernd zwischen den Häuserschluchten. What a wonderful world.
Stadt der Stars und Sternchen
Apropos J. Lo. – sie haben wir auch gesehen. Ja, tatsächlich live! Auf der Opening Night des bekannten Tribeca Film Festivals. Gleich neben ihr rutscht Festivalgründer Robert de Niro auf seinem Sitzplatz unruhig hin und her. Am nächsten Tag geht Woody Allen über die Straße zur Radio Music Hall anlässlich der Tony-Award-Verleihung für die Theaterproduktionen des Broadway.
Empfehlenswert: das irische Theaterstück "Hangmen" mit "Game of Thrones"-Star Alfie Allen in der Hauptrolle. Das Autogramm schreibt er uns nach der Vorstellung. Hier begegnet man ihnen tatsächlich hautnah, den großen und den sympathischen Stars.
Einen Abend später performt der unvergleichliche Billy Joel im Madison Square Garden einen bekannten Hit nach dem anderen. Wir sind wahrlich im "New York State of Mind" angekommen, als "She's Always a Woman" und "Piano Man" erklingen, gefolgt von "Vienna Waits For You".
Diese Stadt lassen wir heut gerne warten. Einmal muss man hier gewesen sein bei dieser New Yorker Legende mit der sensationellen Band, die gemeinsam das Publikum in der einzigartigen Arena von der ersten Sekunde an begeistern und auf Händen tragen und getragen werden. Billy Joel tritt hier jeden Monat bis Ende 2022 auf.
Shopping in New York
Auf Manhattan Island lässt es sich leben. Natürlich ist es ständig laut, verdreckt und man ist umgeben von einem ewigen Gewusel. Aber es geht auch etwas gemächlicher. So geht man shoppen in die Touristenshops, genießt ein halbleeres Macy's, kippt in die total hippe Secondhand-Szene. Meine Tipps: Beacon's Closet, Buffalo Exchange oder Seven Wonders. Oder man entdeckt einen Pop-up-Store von Wavey inklusive DJ – yeah!
Wer Magazine mag, dem sei der schlampige wie einzigartige Shop "Iconic Magazines" empfohlen. Zeitschriften auf diesem künstlerischen Level gibt es nicht in Europa, ob in Sachen Mode, Kunst, Malerei, Interior oder Graffiti. Alles liegt wild zusammengewürfelt auf riesigen Tischen. Man könnte einen ganzen Tag hier verbringen. Ganz aktuell können Sie hier einen Christmas Shopping Trip nach New York bei ÖAMTC Reisen buchen.
Überall lassen sich die unendlichen Graffiti-Motive an den Wänden bewundern. Anschließend lässt man die Seele baumeln in der Oase des winzig kleinen Elizabeth Street Garden voll duftender Rosen und Jasminsträuchern, griechischen Skulpturen und versteckter bunter Sitzgruppen auf englischem Rasen. Oder man nimmt einen Flat White Oat, einen doppelten Espresso mit einem Schuss Hafermilch, in einem der vielen entzückenden Bakerys. Sie sind alle ein Erlebnis, egal ob heruntergekommen oder fancy. Sie laden ganztägig zum Frühstücken ein. Dabei darf der Avocado Toast nicht fehlen – in New York gibt es mit Abstand die besten Avocados außerhalb von Mexiko.
Die Kulinarik in New York ist heute auf höchstem Niveau, völlig im Gegensatz zu meinem letzten Besuch in der Stadt 2010. Egal ob in Nolita beim Italiener Lombardi's, in Ming's Café in Chinatown oder im netten Forgetmenot in Brooklyn. Im East Village, dem größten Weggehviertel der Stadt, sollte man vor der Clubnacht die Genüsse der amerikanisch-chinesisch-vietnamesischen Fusion Küche des MáLà Project kosten – einfach vorzüglich.
Am Morgen kann man dann entspannt in New Yorks Grünoasen oder am Beach von Coney Island abhängen. Der Central Park ist sowieso ein Mustsee und ein Mustbe. Inspiration ist diese Stadt von früh bis spät und egal an welchem Eck und Ende. Da braucht man die klassischen Sights gar nicht.
Die größte Attraktivität bleiben the people of New York. Diese gibt es nicht nur real, sondern auch als eine weltberühmte Kunstinitiative unter "Humans of New York" mit Storys, Porträts, Lebensbeichten und genialen Fotos.
So sitzt am Morgen Cathie neben mir. Sie ist weit über 70, ihr Stock lehnt am Sessel des kleinen Lucid Café auf der Lexington Avenue. Täglich frühstückt sie hier. Wie so viele Menschen in dieser Stadt plaudert sie gern. Wir sind sofort im Gespräch, das gar nicht oberflächlich ist. Allein lebe sie, gleich gegenüber in einer Mini-Garçonnière. Das Gebäude ist völlig heruntergekommen. In Manhattan geboren, hat sie die Stadt nie verlassen. "Ich brauche den Lärm, die Menschen, das Leben." Angeblich für 35.000 Dollar habe sie ihr Zimmerchen in Midtown vor Jahrzehnten gekauft. Jaja, bis bald, sie lacht, dann nimmt sie ihren Stock und überquert die Straße, natürlich bei Rot. Ampeln werden hier wenig beachtet, die Autofahrer müssen sowieso dauernd aufpassen.
Ich wandere weiter zum nahen Bryant Park mit der großen grünen Rasenfläche, seinen schattigen Sitzplätzen unter den hohen Bäumen. Auf der Wiese mit dem französischen Charme findet täglich ein anderes Event statt.
New York State of Mind
Stundenlang kann man hier Menschen beobachten. New Yorker mit Fashion Stylings, die es nirgends auf der Welt gibt. Wie am Laufsteg laufen Menschen bunt, halbnackt, tätowiert an mir vorüber. Männer mit Kleidern, menschliche Cyborgs, nicht Mann, nicht Frau. Alle Geschlechter mit Tüchern, Mänteln, Perlen, Gold geschmückt. Frauen und Männer, Transsexuelle, Menschen aller Hautfarben, mit unmöglichen Haarfarben, mit Perücke und Glatze. Völlig natürlich, abgefuckt, overstylt, underdressed und operiert – im Street Style, New Yorker Chic oder schlicht nicht einzuordnen. Obdachlose Mode-Aficionados und überhaupt Augenweiden aller Art. Ach, wie großartig, hier findet sich der wildeste Art Mix wieder. Wer nicht verrückt aussieht, wird als Fremder erkannt.
Stundenlang sitzen und einfach schauen – das ist New York. Es ist eine Stadt für alle Sinne. Schon oft totgesagt, ist New York City lebendiger denn je zuvor. Totgesagte leben länger, heißt es. Sie bleibt eine große Passion, diese Stadt, immer.
Christmas Shopping nach New York hier buchen.
Das weiß auch der New Yorker Billy Joel:
It comes down to reality,
And it's fine with me 'cause I've let it slide.
Don't care if it's Chinatown or up on Riverside.
I don't have any reasons;
I've left them all behind.
I'm in a New York state of mind.
© Joelsongs