Reif für die Insel
im Wohnmobil durch Gran Canaria – weit weg vom Massentourismus. Eine Route mit vielen Kurven und noch mehr Höhenmetern durch eine grandiose Landschaft.
Würziger Pinienduft liegt in der Luft, ich lasse die Fenster ganz hinunter und atme tief durch. Hinter mir liegen feinsandige Badestrände und die Dünen von Maspalomas, Dörfer mit bunten Häusern und endlosen Hecken aus violett blühender Bougainvillea. Serpentine reiht sich an Serpentine, es geht ziemlich steil bergauf in eine bizarre Landschaft aus schroffem Vulkanstein, durchsetzt von lockeren Spalieren aus tannengrünen kanarischen Kiefern und gelbem Ginster. Ich bin unterwegs in Gran Canaria, in einem ganz neuen Wohnmobil, dem VW Grand California, das der Hersteller hier präsentiert.
Zwei Dinge gleich vorweg – damit keine Missverständnisse aufkommen: Dies ist kein Bericht eines erfahrenen Campers, sondern das Reisetagebuch eines vollkommenen Neulings, der sich zwar schon immer für das Thema interessiert, aber noch nie auch nur eine einzige Nacht in einem Zelt oder gar in einem Wohnmobil verbracht hat.
Und es ist zwar grundsätzlich möglich, diese Tour nachzuvollziehen, aber es ist nicht ganz leicht. Die Reise im eigenen Camper zu machen ist nur etwas für Aussteiger, schließlich kostet ja es viel Zeit und Geld, ihn hierher zu bringen. Kommode Gefährte lassen sich ja vor Ort mieten, die Route kann man selbstverständlich auch mit einem Zelt im Leihwagen angehen. Nur mit einem Wohnwagen im Schlepptau sollte man das nicht tun, weil die ausgewählten Straßen und ihre Kurvenradien dafür einfach zu eng sind.
Gran Canaria, Tag eins
Es ist mittags, wir sind gerade angekommen. In Reih und Glied stehen die neuen Volkswagen-Wohnmobile am Flughafen von Las Palmas bereit. Ich bekomme die Schlüssel zu einem der Grand Californias zusammen mit einem Roadbook überreicht, bugsiere meine Reisetasche ins Heck des Autos und habe somit mein Quartier für die nächsten drei Tage bezogen. Es kann losgehen.
Der Streckenplan des ersten Abschnitts zeigt mir, dass der erste Stopp schon an einem kleinen Restaurant in der Nähe erfolgen soll, zum Mittagessen. Zum Glück ist die gesamte Route im Navi gespeichert. Ich wähle einen Sender mit Latino-Popmusik, steuere den Camper ein kurzes Stück über die Autobahn und gewöhne mich dabei an seine Dimensionen (ja, er ist 6 Meter lang und 2 Meter breit). Ein paar Minuten nur sind es bis zur ersten Ausfahrt, und nach einer kurzen Fahrt durch eine Allee voller Palmen ist es schon da, das Lokal – ein ebenerdiges uriges Steinhaus mit einem schnurrbärtigen Patron, dem man ansieht, kein Kostverächter zu sein. Beste Voraussetzungen für ein gutes Essen.
Die Küche, die hier geboten wird, kombiniert die traditionelle kanarische Küche mit kreativen Elementen, etwa einer Kugel Eis aus Schweineschmalz als Beigabe zum Dessert.
Nach dem Essen geht es auf der GC-65 weit hinein ins Hinterland, je weiter, desto enger werden die Straßen, desto weniger besiedelt die Umgebung und desto spektakulärer die Landschaft. Es geht aufwärts – dank 177 Turbodiesel-PS, Servolenkung und 8-Gang-Automatikgetriebe mit Doppelkupplung ziemlich bequem. Hinter einer großen, am Straßenrand weidenden Schafherde biege ich auf einen Parkplatz ein und steige aus.
Eine gute Stunde und gefühlte 500 Kurven später zeigt das Navigationssystem: Nur noch ein paar Kilometer bis Ziel der heutigen Tagesetappe am rund 1.000 Meter hoch gelegenen kleinen Stausee Presa De Las Ninas. Ich parke den Grand California in der Zona Acampanada, einer Art einfacher Campingplatz mit ziemlich rudimentärer Infrastruktur: kein Personal, einfachste Sanitärausstattung (ein paar WCs, Kaltwasser-Duschen) und ein gemauerter Grillplatz. Ein paar andere Camper-Kollegen aus unserer Gruppe sind mit ihren Fahrzeugen schon da, ihre Wohnmobile bilden bereits eine Wagenburg und die Markisen werden ausgefahren.
Für potenzielle Nachvollzieher: Selbstverständlich kann man hier auch sein Zelt aufstellen, es bedarf nur einer Genehmigung zur Benützung. Die kann per Online-Formular eingeholt werden. Informationen darüber gibt es beim Österreichischen Campingclub.
Jetzt habe ich endlich Zeit, mich etwas genauer mit dem Auto auseinanderzusetzen. Der VW Grand California ist kein ab Werk zum Camper umgebauter T6, sondern basiert auf dem größeren Crafter. Er ist mit seinen sechs Metern Länge, zwei Metern Breite und drei Metern Höhe so etwas wie der große Bruder des California, von dem er sich schon durch ein (in meinen Augen echt sinnvolles) Ausstattungsdetail unterscheidet: Er hat eine vollwertige Nasszelle mit Toilette, Dusche und klappbarem Waschbecken an Bord – Kunststück, hier passt sie ja auch rein. Er hat einen zweiflammigen Gaskocher, eine Gasheizung mit Thermostat, einen 70-Liter-Kühlschrank, einen klappbaren Esstisch – und eine Raumhöhe, die es erlaubt im Wagen zu stehen.
Das Wohnmobil ist ab Februar 2020 lieferbar, die Preise starten ab ca. 70.000 Euro. Unter der Haube werkt ein 2,0-TDI-Motor, der 130 kW (177 PS) leistet. Die Schaltarbeit übernimmt serienmäßig ein 8-Gang-Automatikgetriebe.
Nach dem Abendessen heißt es zuerst einmal: Das Bett herrichten. Viel ist dabei ja nicht zu tun, es ist ja bereits im Heck des Grand California quer eingebaut und hat eine Liegefläche von 1,93 x 1,40 Meter. Ja, man könnte es zur Seite klappen und so bei Regen die Fächer an der rechten Seitenwand, in denen Wassertank und Gasflaschen untergebracht sind, sowie ein weiteres Staufach links trockenen Hauptes erreichen. Aber bei diesem Wetter? Ich hole mir nur Polster und Schlafsack heraus und verdunkle die Fensterflächen.
Campingtisch und -sessel finde ich in den Fächern der beiden Türhälften hinten, ich stelle sie auf und lade Kollegen Mario E. vom Nachbar-Wohnmobil noch auf ein Bier ("Tropical", auf Gran Canaria gebraut) ein, das ich aus dem Kühlschrank hole. Der Abend ist lau, wir haben viel zu erzählen und es werden zwei.
Dann ist es Zeit zum Schlafen – und es ist kalt. Ich wähle 22 Grad als Raumtemperatur, für die morgendliche Dusche erscheinen mir 40 Grad als optimale Höchsttemperatur. Dann und wann knackt der Thermostat und die Heizung schaltet sich kurz ein.
Die Nacht verläuft ruhig. Ich schlafe gut. Irgendwann wird es trotz Total-Verdunkelung im Wohnmobil heller und ich entferne die Frontscheiben-Abdeckung. Ein strahlend schöner Morgen erwartet unsere Tester-Truppe. Und hoffentlich auch ein Frühstück.
Gran Canaria, Tag zwei
Sieh an, ich bin der letzte, der zum Frühstück erscheint. Ein echter Camper würde es sich wahrscheinlich – so wie alle anderen Mahlzeiten – selbst zubereiten. Doch unsere Wohnmobile haben weder Koch- noch Essgeschirr an Bord, von Nahrungsmittel-Vorräten ganz zu schweigen. So genieße ich meinen Morgen-Kaffee gemeinsam mit den anderen. Und erfahre, was gleich danach auf dem Programm steht. Es hat etwas mit dem Fahrrad zu tun, das wir am Heck des Autos mitführen...
Frisch geduscht starten wir zur nächsten Etappe. Nach den gestrigen 120 stehen heute 140 Kilometer auf dem Programm. Es geht bergab in den Südosten Gran Canarias und an die Küste – und anschließend wieder bergauf durch die Mitte der Insel ganz in den Norden. Wir werden gewarnt: Ziemlich bald nach dem Start im Basecamp am Stausee führen enge Straßen mit noch engeren Kurvenradien ziemlich steil hinunter.
Die Warnung der Organisatoren erfolgte zurecht: Eine Viertelstunde bzw. acht Kilometer später und auf 800 Meter Seehöhe zeigte der Navi-Schirm ein Bild, wie ich es nur selten gesehen habe: Jetzt sind sie da, die vielen Kehren, vor denen man uns warnte. Ich halte an einem kleinen Parkplatz, um mir (und Ihnen!) ein Bild zu machen.
Keine zehn Kilometer weiter ist die Küste erreicht. Ich passiere einen Retorten-Badeort. Wirklich schön ist es hier nicht. Ich mache schnell ein Foto – übrigens das einzige, auf dem der VW Grand California mit Blick auf den Atlantik zu sehen ist – und erspare den Betrachtern den Blick auf das, was hier hinter mir zu sehen ist: brutale Architektur aus den 1970ern mit Beton-Appartementhäusern und Bettenburgen, die bis hoch hinauf auf den Berg reichen und, etwas weiter zurück liegend, eine riesige Zementfabrik direkt am Wasser.
Den Badeort Maspalomas mit seinem berühmten Sanddünen-Strand lasse ich rechts liegen, das Navi schickt mich nun nach links auf die GC-60. Eine gute halbe Stunde später ist das nächste Zwischenziel erreicht, eine Aloe Vera-Farm.
Was eine knappe Stunde später, 35 Kilometer und unzählige Kurven später darauf folgt, ist fast zu schön, um wahr zu sein: Ich fahre die Straße GC-130 weiter und weiter aufwärts, und plötzlich, auf dem Weg zum Aussichtspunkt Pico de los Pozos, habe ich das Gefühl, mit dem Grand California über den Wolken zu schweben. Später wird mir berichtet werden, dass die Wolken über dem Bergland Gran Canarias oft recht tief hängen. Ich bin begeistert. Die Navi zeigt 1.700 Meter Seehöhe, ich halte das Wohnmobil an uns setze es für ein Foto in Szene.
Es ist bereits späterer Nachmittag und ich fühle mich nach der erneuten Kurvenorgie schon etwas geschlaucht. Zum nächsten Platz, auf dem wir unsere Wagenburg aufstellen, ist es zwar nicht mehr weit, doch die enge und kurvenreiche Strecke erscheint mir endlos lang. Auf einmal weist schon ein Hinweisschild zum Tamadaba Natural Park auf – lange kann es nicht mehr dauern, zumal der Asphaltbelag endet und es über eine holprge Steinstraße weiter geht.
Und da ist sie auch schon, unsere heutige Zona de Acampada, inmitten eines 7.500 Quadratmeter großen Naturparks gelegen.
Wir bringen unsere Wohnmobile in Stellung für die Nacht. Man will ja nicht auf einer schiefen Ebene schlafen. Dabei zeigt sich, wer bereits Erfahrung im Campen hat. Ich muss ein paar Mal rangieren, zwischendurch verwende ich die Wasserwaagen-App des Smartphones zum Austarieren. Nach zehn Minuten passt alles.
Jetzt beginnt der entspannende Teil des Abends. Zusammen mit dem Kolleginnen und Kollegen erkunde ich die Umgebung unserer Stellplätze. Wir marschieren in Richtung Meer – und sind überwältigt.
Ein wunderschöner Tag geht zu Ende. Noch vor dem Schlafengehen mache ich mir Notizen über die Ausstattung des Grand California und bemerke, dass ich noch ein paar Dinge vergessen habe zu erwähnen. Zum Beispiel den Schlafplatz über dem Fahrer- und dem Beifahrersitz, oder die Photovoltaik über der Frontscheibe.
Gran Canaria, Tag drei
Alles hat ein Ende – auch der Trip durch Gran Canaria im Camper. Die letzte Etappe führt uns wieder zurück zum Flughafen Las Palmas. Einen Teil der dafür vorgegebenen Route bin ich schon gestern und vorgestern gefahren – allerdings in entgegengesetzter Richtung. Fahrerisch ist heute nur ein kleiner Streckenteil herausfordernd: Die GC-130 zwischen Pico de los Pozos und Ingenio, etwa 20 Kilometer vom Airport entfernt. Ein extremes Steilstück. Da spüre ich: Die Bremsen halten wirklich was aus, laufen kaum heiß. Und auch in flott angegangenen Kurven-Kombinationen kommt es nicht zu unangenehmen Lastwechsel-Reaktionen.
Alles in allem habe ich die Tour wirklich genossen. Die Landschaft – Gran Canaria kannte ich zwar, aber halt nur den touristischen Teil um die Ferienanlagen an der Küste und die Strände. Die Straßen – Berg- und Passstraßen liebe ich sowieso. Das Auto – der VW Grand California fuhr sich eigentlich wie ein Pkw. Das Leben im Wohnmobil – eine neue Erfahrung, aber eine schöne, die mir gut gefallen hat. Ich hätte sie länger auskosten können.