Vier Stunden Stadtrundfahrt samt Besichtigungen ist am nächsten Reisetag für die serbische Hauptstadt Belgrad natürlich eine geradezu lächerlich kurze Zeitspanne. Aber so ist das eben bei einer Kreuzfahrt, da darf man sich nicht beschweren. Manche Passagiere wünschen sich aber doch, dass das in der Schnelle Gesehene und die komplizierten aktuellen politischen und kulturellen Verwicklungen in dieser Gegend Europas Thema vertiefender Vorträge an Bord wären.
An den Reiseführern in Belgrad und andernorts ist das freilich keine Kritik. Sie bemühen sich mit hohem Engagement, in der kurzen Zeit die komplizierten Balkan-Realitäten für die Besucher/-innen aus Österreich fassbar zu machen. Warum wird der Staat Serbien seinen schlechten Ruf in der Welt nicht los? Wie ist die Stadt wirklich? Und warum bauen die Belgrader wie die Verrückten an einer neuen Kirche, die der einstigen Hagia Sophia in Byzanz, dem heutigen Istanbul, gleichkommen soll? Konflikte jedenfalls sind in Belgrad immer zu Hause gewesen. Mehr als 30 Mal wurde die Stadt am Zusammenfluss von Donau und Save seit der Antike zerstört oder erobert.
Ab Belgrad beginnt die MS Prinzessin Sisi ihre – wie es Kreuzfahrtdirektorin Romana Tichy ausdrückt – "Expedition in unendliche Weiten, in die noch nie ein Flusskreuzfahrtschiff vorgedrungen ist". Zumindest kein österreichisches. 1,7 Meter Tiefgang hat unsere Prinzessin, das sollte sich ausgehen. In engen Windungen gleiten wir entlang dicht bewachsener Ufer flussaufwärts, beäugt von Kormoranen, Fischreihern und Adlern.
Wir legen in Sremska Mitrovica an, von wo aus es zunächst mit dem Bus in die Fruška Gora (Frankengebirge) mit dem sehenswerten Kloster Krusedol und retour geht. Die Stadt am Fluss war als Sirmium gegen Ende des Römischen Reiches eine der Metropolen des Imperiums. Kaiser Konstantin regierte hier lange Zeit, 583 kamen die Awaren und machten der Herrlichkeit Sirmiums ein Ende. Ausgrabungen und ein Museum erzählen die faszinierende Geschichte dieser Stadt am Schnittpunkt der Zeiten und Kulturen.
Eben waren wir noch in Serbien, schon sind wir in Bosnien-Herzegowina. Von Brčko fahren wir – neuerlich mit dem Bus – entlang schön gepflegter Gärten, in denen Obstbäume prächtig blühen, und vorbei an Moscheen samt Minaretten zum Franziskanerkloster Tolisa, wo wir von den Mönchen herzlich empfangen werden. Im Grenzort Drašje soll es im Motel-Restaurant gleich neben der Brücke über die Save rechts die besten Ćevapčići aller Zeiten geben – schwört zumindest Reiseleiterin Dara Meier. Ausprobieren können wir das nicht, schließlich wartet auf dem Schiff das vorbereitete Mittagessen.
Am fünften Tag ist – Überraschung! – die Fahrt in der kleinen Stadt Županja außerplanmäßig zu Ende, denn flussaufwärts versperrt eine Sandbank die Weiterfahrt. Da kann man nichts machen, für die folgenden Ausflüge sind entsprechend längere Busfahrten erforderlich. Zum Glück fällt der Besuch im Naturpark Lonjsko Polje nicht aus, wo auf den Dächern restaurierter Bauernhäuser zahlreiche Störche brüten – eine der größten Storchen-Populationen Europas.
Zurück an Bord, kurz vor dem Abendessen, ist das Deck menschenleer. Es ist absolut still. Den Flügelschlag des Storches höre ich, bevor ich ihn sehe. Er zieht seine Kreise um das Schiff, verschwindet nach Minuten hinter einer Flussbiegung. Später klirren im Panorama-Salon beim Abschiedsempfang des Kapitäns die Sektgläser, während draußen die Sonne über der Save sinkt. An diesem Schnittpunkt der Kulturen und Religionen ist nun ein bisschen Frieden eingezogen. Und das ist heutzutage wahrlich kein kleiner Trost.
Im Frühjahr 2018 bietet das ÖAMTC-Reisebüro wieder Flusskreuzfahrten mit der MS Prinzession Sisi auf der Save an
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