Sonderzug nach Bangkok

Mit dem Eastern & Oriental Express auf Schiene von Singapur nach Bangkok. Das Reisetagebuch.
 

Ich liebe Zugfahrten. Aber keine üblichen, sondern solche, bei denen der Weg das eigentliche Ziel ist. Bei denen ich mit einem Cocktailglas in der Hand am Panoramadeck wunderbare Landschaften vorbeiziehen sehe und die letzten Stahlen der untergehenden Sonne genieße, bevor im nostalgischen Speisewagen ein exquisites Dinner aufgetischt wird. Klingt nach Luxus – und ist es auch. Solche Reisen kosten bis zu 50 Mal mehr als die Tickets für die normale Zugfahrt auf der gleichen Strecke, aber sie bieten 100 Mal mehr Erlebnisse. Und sie entschleunigen ganz wunderbar.

In Afrika bin ich schon mit so einem Zug gefahren, dem Pride of Africa von Rovos Rail, meine Reportage lesen Sie hier. Jetzt sollte es Asien sein. Der Zug heißt Eastern & Oriental Express, er verbindet auf seiner Stammstrecke Singapur mit Bangkok, und dieser 48-Stunden-Trip über 2.000 Kilometer mit zwei Nächten im Zug ist ab 2.500 Euro inklusive Vollpension an Bord und Ausflügen noch der günstigste.

Ich bin am Vorabend in Singapur angekommen habe mir aus einem ganz speziellen Grund ein Zimmer im Fairmont Hotel genommen: Dort kann ich länger schlafen, weil ich mittags nur über die Straße gehen muss, um meine Fahrt zu beginnen.

Sonntag, 12:40

Singapur, Beach Road 1, Raffles Hotel. Gegründet vor 130 Jahren, benannt nach Thomas Stamford Raffles, dem Gründer der Stadt – und auch heute noch das erste Haus im Stadtstaat. Eine Hotel-Legende im strahlend weißen Kolonialstil, noch strahlender sogar als das Weiß des Turbans, den der davor stehende grimmig blickende indische Doorman trägt. Der trennt die Spreu der Sightseeing-Touristen von den echten Hotelgästen und mustert mich, wie ich mit meinen sieben Sachen an ihm und dem Haupteingang vorbei zu den Arkaden schreite. Denn dort sammeln sich alle, die heute mit dem Eastern & Oriental Express reisen, zum Check-in. Und zur Gepäck-Trennung: Was im Zug nicht benötigt wird, kommt in den verschlossenen Gepäckwagen, wird hier ab- und in Bangkok wieder ausgegeben. Alles andere wird einem vor der Abfahrt direkt ins Abteil gebracht.

Es ist drückend schwül. Ich werde zum Bar & Billard Room geleitet, vorbei an der Warteschlange aller, die nur einen Singapore Sling probieren wollen und mich neidisch mustern. Der berühmte Cocktail wurde zwar ums Eck in der Long Bar erfunden, aber die wird zur Zeit renoviert. Hier, wo der Legende nach im Jahr 1902 der letzte Tiger Singapurs (unter dem Billardtisch!) erlegt worden sein soll, serviert man uns unter den leise rotierenden Decken-Ventilatoren – eh klar – auch einen. Dazu allerdings nicht die traditionellen Erdnüsse, deren Schalen man ebenso traditionell auf den Boden wirft, sondern Sandwiches.

Da sind sie nun, meine Mitreisenden, allesamt adrett gekleidet und in gespannter Erwartungshaltung. Ich taxiere sie auf gehobene Mittelschicht. Das jüngste Paar dürfte Ende 20 sein und aus England kommen, er vom Typ Nerd mit Bart und Brille, sie mit feuerrotem Hut wie die Duchess of Cambridge beim Derby. Sie plaudern angeregt mit einer älteren Dame. Ich kann nur Gesprächsfetzen vernehmen, etwa dass sie, von ihrem Enkel begleitet, aus London angereist ist. Dort drüben ein Ehepaar im reiferen Alter, das aus Deutschland stammt. Amerikaner, Franzosen, Italiener, zwei Japaner – wir sind international. Und ich bin der einzige Österreicher.

Klar, dass der Zug selbst nicht vom vornehmen Raffles-Hotel abfährt, leider auch nicht mehr von Singapurs Tanjong Pagar-Bahnhof, einem Jugendstil-Juwel – denn der ist seit ein paar Jahren geschlossen. Die Reise beginnt von der eher tristen Woodland-Station an der Grenze zu Malaysia. Dorthin werden wir alle per Bus verfrachtet. Und da steht er auch schon, der Zug.

Sonntag, 15:00

380 Meter lang ist er, und diesmal besteht er aus 17 Waggons. Zehn davon dienen uns Passagieren als rollende Hotelzimmer. Wir konnten zwischen drei Kategorien von Abteilen wählen, die alle klimatisiert sind und mit und einem einklappbaren Tisch, einer kleinen Garderobe und einem eigenem Badezimmer samt WC und Dusche ausgestattet: Pullmann heißt die günstigste, sie misst 5,8 m2 und hat eine durchgehende Sitzbank, die der Steward am Abend in zwei übereinander liegende Betten umbaut. Das State-Abteil mit 7,8 m2 hat zwei nebeneinander liegende Betten, die untertags zu Chaiselongue und Fauteuil mutieren. Und die Presidential Suite, der wahre Luxus auf 11,8 m2, bietet sogar einen eigenen Ankleideraum und Platz, zwei weitere Gäste zu empfangen. Für jeden dieser Waggons steht ein eigener Steward zur Verfügung, der nachmittags High Tea – also eine Kanne Tee und süße Naschereien – ins Abteil serviert und während des Abendessens die Betten bereitet. Meiner heißt Nadthanan. Er empfängt mich vor meinem Waggon und bringt mich in mein wohltemperiertes Abteil.

Ich schmeiße mich in den Fauteuil, strecke die Beine aus, fühle mich gut. Außer Nadthanan sind 30 weitere Menschen im Zug tätig, zwei Drittel davon stammen so wie er aus Thailand. Das Personal übernimmt alle Grenz- und Zollformalitäten, Lokomotive und und Lokführer stammen stets aus dem Land, in dem der Zug gerade unterwegs ist.

Der Zug selbst ist 1971 in Japan gebaut worden und war als Nachtzug in Neuseeland im Einsatz, entnehme ich dem personalisierten Bordbuch, das man mir bereits Wochen vor Reiseantritt zugeschickt hatte. 1993 wurde er in ein Kreuzfahrtschiff auf Meterspur umgebaut, mit einer Inneneinrichtung im Kolonialstil – edle Hölzer, dicke Pölster und wertvolle Stoffe prägen das Erscheinungsbild. Immer dabei sind auch zwei Restaurant-, ein Bar- und ein Salonwagen mit gut bestückter Bibliothek (in der auch Massagen für gestresste Füße angeboten werden) sowie ein Panoramawaggon samt halb offener Aussichtsplattform am Ende des Zuges. Mein Lieblingsort im Zug, nicht nur, weil ausschließlich hier eine WLAN-Verbindung angeboten wird. Hier einen Sitzplatz zu ergattern, um das große Landschaftskino im Fahrtwind genießen zu können, ist gar nicht so schwer: Länger als eine halbe Stunde halten es die meisten sowieso nicht in der Hitze Malaysias und Thailands aus. Ich übrigens auch nicht. Also nichts wie zurück ins klimatisierte Abteil.

Sonntag, 17:00

Meine Sachen sind längst im kleinen Kasten verstaut, mein Sakko – es gilt beim Abendessen als Minimal-Dresscode für Männer und entspricht hoffentlich der Forderung nach "tropical elegance" – aufgehängt. Wir haben Johor Bahru hinter uns gelassen, die Stadt am südlichen Ende Malaysias mit eineinhalb Millionen Einwohnern und gefühlten 100 Einkaufszentren am Streckenrand. Wir sind an Wellblechhütten vorbeigefahren, zwischen denen von die ingapuris ausgemusterten Autos parken. Und jetzt passieren wir Palmen, Palmen und wieder Palmen, übersichtlich in Plantagen Spalier stehend. Da klopft es an der Abteiltür. Vor mir steht Nadthanan mit einem voll beladenen Tablett, das er auf den aufgeklappten Fenstertisch stellt: High Tea. "Der Tee kommt aus den Cameron Highlands", sagt er. Das sei ein auf 1.500 Meter gelegenes Hochland, das wir morgen früh um sieben Uhr durchqueren werden, er wecke mich gerne. Warum nicht. Aber jetzt mache ich mich erst einmal über Kekse, Kuchen und Sandwich her, die ich hastig verschlinge. Denn am Ende des Zuges, im Bar-Waggon mit dem Observation Deck, wartet bald der Train Manager auf mich. 

Valentin Waldman, der Zugs-Chef, ist Franzose und war von seinem ersten Asien-Besuch vor zehn Jahren so fasziniert, dass er blieb, zuerst als Hotelmanager auf der Insel Koh Samui. Seit fünf Jahren ist er bei Belmond tätig, dem Unternehmen, das den Eastern & Oriental Express betreibt. "Von September bis April lebe ich quasi auf Schienen“, erzählt er, „da pendle ich zwischen Singapur und Bangkok." Ja, zwischen den Turns gebe es stets zwei Tage Pause, da ist er daheim in Bangkok. Im Sommer mache der Zug Pause, da sei es viel zu heiß, da werde er wieder für die nächste Saison in Schuss gebracht. 

Der Barkeeper bringt zwei Cocktails, die Valentin geordert hat. "Zwei von unseren fünf neuen Signature Drinks", erklärt er stolz. Und dass Zutaten und Farbe von genau jenen Landschaften inspiriert seien, die der Zug durchfährt. Klingt ziemlich werblich, ist aber – zugegeben – gut.

So nippe ich, durchaus passend zur Landschaft draußen, am grünen "Malay Jungle" aus Vodka, Chartreuse, Estragon, Thai-Basilikum und Gurke. Schmeckt frisch, trügerisch leicht. Und ist quasi ein schneller Aperitif, denn gleich ist das Abendessen angesagt – und ich bin noch nicht umgezogen.

Sonntag, 19:00

Der Wasserstrahl der Dusche war zwar recht dünn, aber Shampoo und Duschgel riechen super nach Grüntee und Zitronengras: Ich fühle mich wieder frisch. Bin umgezogen und schließe ich mich dem Treck durch die engen Gänge durch vier Waggons an, zur ersten Sitzung im Restaurant-Waggon. Fixplätze gibt es keine, Gerangel auch nicht. Ich werde gebeten, neben Ruth und Alfred Platz zu nehmen. Sie ist bei der NASA in Cape Canaveral tätig, er in Australien als Lehrer. Für zwei Wochen, erklärt sie, seien sie, die alten Jugendfreunde, ein Paar – ein platonisches allerdings, betont sie. Ich stelle mich kurz vor, und schon geht es los.

Nach einem schaumigen Tom Yam-Cappuccino mit Fenchel als Appetitanreger servieren die livrierten Kellner zuerst mit Hoisin-Sauce glasierte gegrillte Makarele mit Steckrüben, knusprigen Wantan-Teigtaschen und Gurken-Coulis. Wir durchfahren gerade eine Rüttelstrecke, die pünktlich endet, als Rinds-Medaillons mit Püree aus Taros (das sind Kartoffel-ähnliche Knollen), asiatischen Erbsen und Lotuswurzeln aufgetragen werden.

Das Dessert löffle ich vollkommen schüttelfrei, der Zug hält scheinbar ewig in einem Bahnhof. Es gibt asiatische Zitrusfrüchte mit einem wunderbaren Yuzu-Sorbet. Yuzu? Sehen aus wie verschrumpelte Zitronen, wie ich später googeln werde, und schmecken köstlich nach Mandarinen. Immer mehr Spitzenköche schätzen sie – auch Yannis Martineau, der Franzose, der im Eastern & Oriental Express für die Küche verantwortlich ist.

Als er nach dem Essen seine Ehrenrunde dreht, mache ich mir gleich einen Termin für morgen in der Küche aus. Unterschreibe meine Getränkerechnung. Mineralwasser, Kaffee und Tee gibt’s immer gratis, das Glas Wein kostet leider 12 US-Dollar. Aber ich will mich ja nicht betrinken, und außerdem ruft schon das Bett.

Montag, 7:00

Ich habe schlecht geschlafen. Wahrscheinlich war der Jet Lag schuld daran. Und die Air Condition, die auf meinen Kopf zielte – bis ich mir meine Schirmkappe aufsetzte. Meine Erinnerung reicht zurück bis viertel zwei, da sollten wir laut Plan Kuala Lumpur verlassen haben. Die Stadt selbst ist nur bei den längeren, teureren Touren Zwischenziel. Als mich Steward Nadthanan um halb sieben (so wie bestellt) weckte, war es noch finster. Jetzt schlürfe ich am Panoramadeck einen Espresso und reibe mir den letzten Schlaf aus den Augen: In der Morgendämmerung der Cameron Highlands tauchen plötzlich und völlig unvermittelt bizzarre, schroffe Riesenfelsen auf.

Dicht an den letzten Felsen gedrängt, den ich fotografiere, ist die riesige Zementfabrik nahe dem Ort Padang Rengas. Dann wird es heller – und grüner und grüner. Teeplantagen umhüllen üppig sanfte Hügel. Der Zug schraubt sich die Schienen-Serpentinen leicht bergab, im Abteil wartet bereits mein Frühstück.

Ein Pfiff, ein Ruck, ein Halt. Kuala Kangsar, eine Sultansstadt im Norden Malaysias mit Vergangenheit: Vor 140 Jahren pflanzte der britische Statthalter ein aus Brasilien eingepflanztes Kautschukbäumchen ein. Bald darauf sah man: Ein idealer Boden dafür. Man legte Plantagen an. Und bald darauf war das Land der Welt größter Kautschukproduzent. Aber wir sind nicht wegen des Rohmaterials für Autoreifen da, sondern wegen der Kultur. Ein Bus bringt uns vom Bahnhof der Hauptstadt des Bundesstaats Perak zur alten Sommerresidenz des Sultans, wobei „alt“ relativ ist. Das wundersam fragile Gebäude stammt aus dem Jahr 1926 und ist ganz aus Bambus. Kein einziger Nagel wurde verwendet, dafür Unmengen von goldener Farbe.

Ein Pfiff, ein Ruck, ein Halt. Kuala Kangsar, eine Sultansstadt im Norden Malaysias mit Vergangenheit: Vor 140 Jahren pflanzte der britische Statthalter ein aus Brasilien eingepflanztes Kautschukbäumchen ein. Bald darauf sah man: Ein idealer Boden dafür. Man legte Plantagen an. Und bald darauf war das Land der Welt größter Kautschukproduzent. Aber wir sind nicht wegen des Rohmaterials für Autoreifen da, sondern wegen der Kultur. Ein Bus bringt uns vom Bahnhof der Hauptstadt des Bundesstaats Perak zur alten Sommerresidenz des Sultans, wobei „alt“ relativ ist. Das wundersam fragile Gebäude stammt aus dem Jahr 1926 und ist ganz aus Bambus. Kein einziger Nagel wurde verwendet, dafür Unmengen von goldener Farbe.

Montag, 12:00

Der Zug passiert den Bukit Merah-See. Riesengroß. Ab zum Observation Deck am Ende des Zugs. Heißer Fahrtwind, Kamera-Klicken überall: Die Landschaft ist hier großes Kino – Reisfelder am Rand und Berge am Horizont. Die Schienen führen über einen Damm, minutenlang. Wunderschön.

Montag, 17:00

Müde, wegen der Hitze sogar ziemlich müde. Nach dem Mittagessen habe ich ein Nickerchen gemacht, 20 Minuten sollten es werden, zwei Stunden waren es. Ich scheine ein schönes Stück Malaysia einfach verschlafen zu haben. Dope mich mit einem Espresso im Barwaggon und stapfe 200 Meter in Richtung Zugspitze zum Restaurantwagen. Dort wartet bereits Küchenchef Yannis Martineau auf mich. Der gebürtige Franzose zeigt mir seine Edelstahl-Küche.

Sechs Mann auf schmalen 12 Quadratmetern. Wie schaffen die das, auf dem kleinen Raum so große Menüs zu kochen? „Alles Routine“, meint er. „Und alles ist voll durchorganisiert.“ Erstaunlich, zumal wir wieder eine holprige Streckenpassage passieren, die beim Umgang mit voll gefüllten Töpfen Balance erfordert. Die Crew hantiert blitzschnell, niemand steht dabei im Weg herum. Sein Credo als Koch? „Die Reise soll sich auf den Tellern spiegeln. Deshalb verwenden wir viele regionale Produkte, so wie das Grüne Curry heute Abend, und wenn wir westlich kochen, dann auf asiatische Art. Unsere Zutaten sind alle frisch." In den Kühlschränken sind zehn Kilo Fisch, 20 Kilo Rind und 20 Kilo Huhn gebunkert, dazu Unmengen an Gemüse und Obst.

Kurz darauf ein Halt. Wir sind an der Grenze zu Thailand, stellen die Uhren eine Stunde zurück. Eine gewonnene Stunde. Wir passieren kunterbunte Hochhäuser und primitive Wellblechhütten, Reisfelder und Rinder. Bis zum Abendessen: Heute gibt es Meeresfrüchte mit Austernpilzen, Rotem Pfeffer, Curryöl und knusprigem Ingwer, das vom Chef angekündigte Grüne Curry (den Fisch hatte er mir verschwiegen, er ist wunderbar zart) und dann noch Passionsfrucht-Mousse mit Kokosnuss-Panna Cotta. So lässt sich’s leben.

Dienstag, 9:00

Der Schock beim Aufwachen: Wir fahren ja in die falsche Richtung! Dann die Bestätigung nach dem Frühstück: Das Panoramadeck ist nicht mehr am Ende des Zuges, sondern direkt hinter der gelben Lok, Panorama gleich null. Die Erklärung: Wir sind auf eine Nebenstrecke in Richtung zur Grenze nach Burma abgebogen. Und sollen in einer halben Stunde in Kanchanaburi sein.

Kanchanaburi? Die Stadt, 130 Kilometer westlich von Bangkok, kennt kaum jemand, die Brücke am Fluss dort hingegen viele. Sehr viele. Sie liegt am Mae Nam Khwae Yai – "Mae Nam" heißt „Fluß“ und "Khwae Yai“ wird „Kwai“ ausgesprochen. Alles klar? Nach ihr wurde ein Film benannt, mit einem Ohrwurm von gepfiffenem Marsch als Soundtrack: „Die Brücke am Kwai“.

Dienstag, 10:00

Wir sind also an der Brücke am Kwai. Direkt. Auch wenn es nicht die ursprüngliche ist (die lag etwas flußaufwärts), die Strahlkraft des Films macht den Ort dennoch zu einem magischen Platz. Oder, kritisch betrachtet: zu einer Art Rummelplatz. Großer Bahnhof und viele, viele Leute. Der Zug hält exakt vor der Brücke. Wir werden über 70 Stufen hinunter zum Fluss geleitet, dort wartet eine schwimmende Plattform. Die paar, die zwecks Fotos auf die Brücke gingen (es gibt sogar Balkons, auf denen man stehen kann, wenn ein Zug – langsam – darüber rollt), werden freundlich zurückgebeten. Ein Motorboot taucht auf, einer wirft ein Seil von der Plattform hinüber, das Boot nimmt uns in Schlepptau. Wir unterqueren die berühmte, 320 Meter lange Brücke und warten in der optimalen Fotodistanz, dass unser Eastern & Oriental Express über sie fährt. Das tut er im Schritttempo – und alle Kameras klicken.

Die Brücke am Kwai: Das war nicht nur der Film, das war vor allem ein Drama. Im 2. Weltkrieg hatten die Japaner Thailand besetzt und wollten eine Eisenbahnverbindung nach Burma (heute: Myanmar) bauen – mit Hilfe von 270.000 als Zwangsarbeiter eingesetzten Kriegsgefangenen aus Thailand, den USA, Großbritannien, Australien, Indien und China. Unter unmenschlichen Bedingungen, in feuchtheißem Klima quer durch den Dschungel. Über 100.000 von ihnen starben beim Bau der Trasse und der Brücke, die seit damals auch „Todesstrecke“ und „Todesbrücke“ genannt werden. An Bord zeigt uns ein Historiker das alles in Schaubildern, während wir einen Kilometer weit flußabwärts gezogen werden.

Wir legen an einer bunten Tempelanlage an und schlagen uns zu einem Museum durch, das dem Leid beim Eisenbahn- und Brückenbau gewidmet ist und in dem leider Fotografierverbot herrscht. Gleich gegenüber eine riesige Freifläche: der Friedhof der beim Bau ums Leben gekommenen Gefangenen.

Am Abend zuvor fanden alle Zugspassagiere, als sie vom Abendessen in ihre Abteile zurückkehrten, eine Puang Malai, die traditionelle Glückskette aus weißen Blütenblättern, auf ihren Betten. Mit der Bitte, sie auf eine der kleinen Grabplatten zu legen. Ich erweise Victor F. Rudkin, einem Fahrer des Corps of Royal Engineers der Britischen Armee, meine Ehre. Er musste am 19. Jänner 1944 im Alter von 24 Jahren sein Leben lassen.

Dienstag, 14:30

Unser Zug ist die 77 Kilometer des einspurigen Schienenstrangs der Todesstrecke bis zu ihrem Ausgangspunkt bei Nong Pladuk zurückgerumpelt, vorbei an Maisfeldern, Zuckerrohr- und Papayaplantagen. Wasserbüffel stehen regungslos in der brütenden Sonne. An den kleinen Bahnhöfen, die wir passieren, bieten Frauen Fisch- und Currygerichte an.

Wir im Speisewagen sind bereits beim Dessert, Schokomousse auf knuspriger Haselnusspraline mit Orangenspalten und Kokos-Coulis.

Dienstag, 15:30

Das Rumpeln hat ein Ende gefunden, die Schienen machen einen neuen, frisch verlegten Eindruck. Wir haben die Peripherie Bangkoks erreicht. Der Zug bahnt sich seinen Weg durch den Rand der Mega-Metropole. Dicht vorbei an ärmlichen Baracken, Wäscheleinen, illegalen Müllhalden. Hindurch unter wild verlegten Stromkabeln und Fragmenten von scheinbar funktionslos in der Landschaft stehenden Betonbrücken. Wir passieren Kinder, die gleich hinter dem Zug das Gleis als Spielplatz okkupieren, Männer, die in unserem Fahrtwind Nähmaschinen reparieren, dahinrostende ausrangierte Loks und händisch betriebene Bahnübergänge: Nähert sich der Zug, rollen sie ein großes Gitter über die Straße, ist der Zug vorbei, schieben sie es weg und die Hundertschaft an wartenden knatternden Mopeds hat wieder freie Fahrt.

Dienstag, 16:00

Angekommen. Der Zug steht auf Gleis 3 in der riesigen Halle des Hua Lamphong-Bahnhofs mitten in Thailands Hauptstadt. Wir sind am Ziel. Im nächsten Jahr soll das hundertjährige Gebäude im Stil der italienischen Neo-Renaissance zum Museum mutieren – der Eastern & Oriental Express soll dann an einem hypermodernen Terminal ankommen.

Das ÖAMTC-Reisebüro Reisen mit dem Eastern & Oriental Express zu mehreren Terminen an.

Nähere Infos unter Tel. 0810 120 120, in allen Filialen und im Internet-Portal von ÖAMTC Reisen.