Sylt: In Schale geworfen

Man kennt Sylt vor allem als VIP-Hotspot. Die Nordseeinsel empfängt aber jeden mit offenen Armen, der naturverbunden ist und dieses schmucke Eiland mit Friesenhäusern und Wattenmeer liebt. Plus: 10 Tipps für Ihre nächste Sylt-Reise.

Weißt du, wie du eine Auster richtig isst?", fragt mich Ulf Schmidt, Fischer von Dittmeyer’s Austern-Compagnie in List. "Du musst sie mindestens zehn Mal gut kauen. Denn dann schmeckt sie wie eine Salatgurke", zwinkert Ulf. Tatsächlich. Ich habe Austern bisher sofort runterschluckt und nur das Salzwasser geschmeckt. Die Zitrone, die im Restaurant mitserviert wird, dient lediglich der persönlichen Qualitätskontrolle. "Wenn du sie über die Auster träufelst, sollte sich eine frische etwas zusammenziehen", erklärt der Fischer. "Eine tote Auster riecht man sofort." Ich bin beruhigt und schlürfe die nächste. 

Austern haben das ganze Jahr über Saison

Viel zu unachtsam wurden die Austern früher gefischt, seit den 50er-Jahren gibt es gar keine heimischen mehr. Vor 23 Jahren wurde die Pazifische Felsauster auf Sylt angesiedelt und wird seitdem in Deutschlands einziger Austernzucht kultiviert und als Sylter Royal verkauft. "Die Setzlinge kommen im Alter von einem Jahr aus Irland und sind etwa so groß wie eine Zwei-Euro-Münze", erklärt der Fachmann. Bis zum Verkauf vergehen Jahre. Ulf fährt jeden Tag bei Ebbe zu den Zucht-Austernbänken aufs Wattenmeer. Früher wurden die Schalentiere in Säcken geschüttelt und gedreht, damit sie nicht zusammenwachsen. "Das machen wir seit Kurzem nicht mehr. Die Auster würde dauernd eine auf den Kopf bekommen", lacht er. 

"Im Winter, wenn das Wattenmeer friert, bringen wir die Zucht-Austern an Land, lagern sie in riesigen Becken und trennen sie voneinander", erklärt der Fischer. Mittlerweile haben sich auch wieder wilde Austern im Wattenmeer angesiedelt. Verkauft werden die Sylter Royals je nach Größe im Alter von zwei bis vier Jahren um 1,50 Euro. Die wilden kosten je nach Größe etwa das Doppelte.  

Wenn Mauern sprechen…

Weiter südlich, ebenfalls am Wattenmeer, liegt das schmucke Dorf Keitum. Wer durch den kleinen Ort spaziert, fühlt sich wie in einem Freilichtmuseum. "Schaut euch die Häuser an, sie stehen fast alle unter Denkmalschutz. Sie erzählen uns eine Geschichte", so Autorin und Gästeführerin Silke von Bremen und deutet auf die Jahreszahl 1786, die an ­einem Haus zu lesen ist. Und auch die anderen Bauten sprechen: 1775, 1783 und 1792. "Sie stammen alle aus der Goldenen Zeit, das war aber leider auch eine extrem harte Zeit", betont Silke. "Die Männer ließen Frau und Kinder zurück, um auf See zu gehen. Wenn sie überhaupt je wieder zurückkamen, dann erst nach einigen Monaten." 

Das relativ neue Severin*s Resort & Spa ist ebenfalls im Friesen-Stil gebaut: Ein weißes Anwesen mit Reet-Dach und nur einem Obergeschoß ganz ohne Balkone. Der Spa-Bereich ist sehr großzügig und bietet auch an stürmischen Nordseetagen wohlige Wärme. 

"Alle 30 bis 40 Jahre muss das Dach neu mit Schilf gedeckt werden", betont die Fremdenführerin. "Nicht nur das Reet ist teuer, sondern auch die Brandschutzversicherung." Ein neues Dach kostet etwa 180.000 Euro. Da die Hälfte der Insel unter Naturschutz steht, wird fast das ganze Reet zugekauft, etwa aus Ungarn oder Polen. Auch aus China wurde sogar schon Schilf billig importiert, die Qualität war jedoch nicht gut, Pilze wucherten. "Einheimische kaufen nur das Sylter Reet", erzählt die Fremdenführerin. "Das hält doppelt so lange, weil es feiner ist und lang­samer und unter den heimischen Bedingungen wächst." Wer noch mehr Anekdoten aus Sylt erfahren möchte, kann in Silkes Buch "Gebrauchsanweisung für Sylt" reinlesen. 

Nomen est omen

Durch Keitum fährt seit einigen Wochen ein autonomer Kleinbus der Marke Navya. Ein Operator ist aus Sicherheitsgründen vorerst mit an Bord. Wir steigen direkt vor Johannes Kings Genuss-Shop am Ortseingang aus. Johannes wurde erst kürzlich mit seinem Partner Jan-Philipp Berner zum "Koch-Duo des Jahres" von Gault&Millau Deutschland gekürt. Ihr Rezept: Sie verwenden ausschließlich regionale und saisonale Produkte. Gemüse und Kräuter ernten sie direkt aus ihrem Garten – von Bronzefenchel über Taubnessel bis zur Knoblauchrauke. Im Genuss-Shop kostet ein Gemüsesalat mit Kürbisfrischkäsecreme und Rapsöl-Vinaigrette 14 Euro, ein Röstbrot mit Matjes, Radieschen und Kräutern 15 Euro. "Wir bereiten das zu, was die jeweilige Jahreszeit gerade bietet. So schmecken all unsere Gerichte intensiver", betont Johannes. "Aber auch Fische werden nur in ihrer Saison gefangen." Aus den Blüten der Sylter Heckenrose, die auf der ganzen Insel so schön rosa blüht, übrigens auch Kamtschatka-Rose genannt, macht Johannes Sirup, Marmelade und Gin. Johannes hat sein Sterne-Restaurant im Söl’ring Hof mit 15 Zimmern – mitten in der Dünenkette der Westküste.  

10 Tipps für Ihre nächste Sylt-Reise

Was Sie neben Austern-Schlürfen und Wattwandern nicht verpassen dürfen oder einfach wissen sollten ;-)



Moin Sylt! Moin kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Begrüßung sagen. Sagen Sie bitte nur einmal "Moin" – zweimal klingt als geschwätzig, wie es die Deutschen zu sagen pflegen.  


Das berühmte Strandrestaurant Sansibar sollte man zumindest gesehen haben. Abends sind die Tische bereits ein Jahr im Vorhinein reserviert, aber bis 18 Uhr können Sie kommen und versuchen einen freien Platz zu ergattern. Sie werden übrigens auch freundlich bedient, wenn sie "nur" eine Currywurst mit Pommes oder Bratkartoffeln (12 Euro) bestellen. Sehr zu empfehlen: die Trüffel-Pommes mit Parmesan (15 Euro). Für Kinder ist der Piraten-Spielplatz in den Sanddünen der Hit. 


Apropos Spielplatz: Von 1. Juli bis 23. August 2019 gibt es in Wenningstedt einen Mitmachzirkus für Kinder zwischen drei und 16 Jahren. Neu ist heuer der In- und Outdoorspielplatz rund um das Familienrestaurant für Kinder bereits ab einem Jahr (samt Kinderbetreuung). 


Kuchen essen im Hobbitland: In der Kupferkanne in Kampen sitzt man bei Schönwetter im Freien und schaut auf das kleine Kaffeehaus mit Grasdach. Wärmende Decken zum Einhüllen an kühlen Tagen vorhanden. Sehr gut ist der hausgemachte Kuchen. Die Stücke sind so groß, dass man sich am besten eines teilt (vom Apfel- bis zum Nusskuchen jeweils 3,90 Euro). 


Naturphänomen: Der Rundweg um das geologisch einzigartige Morsum Kliff bietet atemberaubende Ausblicke auf das Wattenmeer. Kaum zu glauben, dass man auch in der Hochsaison ruhige Plätzchen auf der Insel findet, wie etwa hier. Der Wanderweg ist übrigens direkt vor der Haustüre des Landhauses Severin*s, dass nur über 13 Zimmer und einen Spa-Bereich verfügt (Doppelzimmer ab 160 Euro).


Was wäre eine Sylt-Reise ohne die höchste Erhebung zu erklimmen. Die Uwe Düne in Kampen ist stolze 52 Meter hoch ;-) Die Aussicht lohnenswert. Der angrenzende, sehr gut ausgebaute Spazierweg führt an der Nordsee entlang.


Wenn der Blanke Hans zu Besuch ist: An einem stürmischen Regentag lässt man am besten die Seele baumeln in einem großzügigen Wellnessbereich. Zum Beispiel im Severin*s Resort & Spa in Keitum (vier Stunden kosten 45 Euro).


Sauna-Erlebnis: Auf Sylt in eine der vier Strand-Saunen gehen und danach nackt in die Nordsee springen (in List, Wenningstedt, Rantum oder Hörnum, geöffnet von April bis Oktober).


Willi füttern im Hafen Hörnum: Die Kegelrobbe Willi ist doch tatsächlich ein Weibchen. Sie hatte bereits den Namen bekommen, als Experten herausfanden, dass es sich um eine "Sie" handelt. Willi kommt immer wieder ins Hafenbecken in Hörnum, weil sie gefüttert wird. Sie ist so berühmt, dass es sogar einen Wikipedia-Eintrag gibt ;-) Und wer Glück hat, sieht auch ihre Freundin namens "Sylta".


Haute­vo­lee von Sylt: Wollten Sie immer schon mal im lässigen Badeoutfit und mit Flip-Flops durch teure Boutiquen schlendern? Kampen ist zwar der Promi-Hotspot auf der Insel – trotzdem ist es dort möglich. Niemand wird schief angeschaut ;-)


Angebot von ÖAMTC Reisen

Das ÖAMTC-Reisebüro bietet Nord- und Ostsee-Reisen zu mehreren Terminen an. Nähere Infos unter Tel. 0810 120 120, in allen Filialen und im Internet-Portal.

Die Reportage ist auch in der Mai-Ausgabe 2019 von auto touring erschienen.