Mit einem Knall springt der Außenbordmotor des Holzbootes an und wir gleiten hinaus in das grasgrüne Wasser des Pia-Flusses. Bis ans Ufer wuchert der Regenwald, es geht in Mäandern stromabwärts. Zur burmesischen Grenze sind es nur wenige Kilometer durch die wilde Gebirgslandschaft. Erleichtert genießen wir den Fahrtwind, der die Hitze mildert. Nach gut 20 Minuten sehen wir rechts am Ufer das Dorf: Holzhütten auf Pfählen über der steilen Böschung, Sonnenkollektoren, Satelliten-Antennen, Kunsthandwerk-Shops, Schule, Kindergarten, Fußballplatz: Das ist Ban Nam Piang Din. Hier leben Karen und Akha, Angehörige von Bergstämmen, die aus dem Nachbarland nach Thailand geflüchtet sind.
Wir sind die einzigen Besucher an diesem Tag. Ein Paar aus Deutschland wird erwartet, sie haben Spenden gesammelt für den Kinderhort, eine Hütte aus Holz und Bambus, in der die kleinsten Einwohner des Dorfes erschöpft auf Matten schlafen. Wir unterhalten uns mit der Kindergärtnerin, die hier für einige Monate einen freiwilligen Sozialdienst absolviert. Sie hat Sehnsucht nach der Stadt.
Duangthip Jongpagdee, unsere Reiseleiterin, die von ihren Gästen nur "Chip" genannt werden will, vertreibt ein bisschen das mulmige Gefühl, wir würden als reiche Ausländer arme Einheimische quasi besichtigen: "Der Eintritt ist schon bezahlt. Die Leute hier verdienen am Besuch mit." Denn Ban Nam Piang Din ist ein sogenanntes Schaudorf. Diese Einrichtung mildert das soziale Gefälle zwischen den Besuchern und den Besichtigten. Die Rollen sind klar verteilt: Auf der einen Seite die Touristen, die die Hauptstraße hinauf und hinunter spazieren, alles fotografieren bzw. Löcher in den Bauch fragen dürfen und selbstverständlich kaufen sollen. Auf der anderen Seite die Bewohner, die vom Bürgermeister Geld dafür bekommen, dass sie aus ihren bescheidenen Behausungen heraustreten und geduldig in die Kamera lächeln. In Ban Nam Piang Din sieht man auch Padaung, sogenannte Langhals-Frauen. Sie tragen als Tracht schwere Messingringe. Diese senken die Schultern ab und verlängern so optisch die Hälse. Ob sie die Ringe heutzutage nur noch für Touristen auf sich nehmen, bleibt offen. Wir probieren einen der Ringe. Er ist entsetzlich schwer. Undenkbar, dass man so was gerne in dieser Hitze trägt.
Wir besuchen die kleine Schule mit mehreren Klassen. Auf dem Stundenplan steht Englisch und Geographie. Dann wanken wir wieder über eine wackelige Holzbrücke zurück zum Fluss, steigen in unser Boot. Schon ist das Dorf der Akha und Padaung hinter der Biegung des Pi-Flusses verschwunden.
Thailand ist modern, fast unendlich breit scheint die Kluft zwischen diesem Dorf und der fernen Megalopolis Bangkok mit ihren Vergnügungsvierteln, Luxushotels und Palästen. Dieses Grenzgebirge ist eines der vielen losen Enden der Welt. Hier geht es nicht mehr weiter. Man kann nur auf dem Fluss wieder zurück in das Provinzstädtchen Mae Hong Son fahren.
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