Traisental-Radweg: Besser bergab
Unsere Empfehlung lautet: Die neue Rad-Route von Mariazell bis St. Pölten befahren. Das ist eindeutig angenehmer als in der umgekehrten Richtung.
Pilgern per Fahrrad ginge andersrum: Wer zur Gnadenmutter strampeln möchte, müsste ordentlich Kondition mitbringen. Nicht wegen der leichten Dauersteigung, aber allein für die fünf Kilometer hinauf nach Gschaid (stolze 300 Höhenmeter und Steigungen bis 18 Prozent) würde sich ein E-Bike lohnen.
Wir wollten es komfortabler, schraubten uns zuerst mit einer der schönsten Schmalspurbahnen Europas über 19 Viadukte und durch 21 Tunnels von St. Pölten nach Mariazell. Radelten durch das wunderschöne Naturschutzgebiet entlang der Walster und dem Hubertussee, über ganz neue Radwege auf alten Eisenbahn-Trassen und entlang der Traisen durch eine sich zur Ebene weitende Voralpen-Landschaft. Wir nächtigten zwei Mal, und die restlichen 24 Radweg-Kilometer bis zur Donau holen wir später nach.
Schauen Sie sich zuerst einmal den kleinen Film an, den wir unterwegs gedreht haben. Falls Sie dabei Lust bekommen haben, den insgesamt 111 km langen Weg unter die Räder zu nehmen: Unsere Strecken-Notizen finden Sie gleich darunter.
Mariazellerbahn: die beste Anreise
Bei allen weit vom Wohnort entfernten Rad-Routen, die nicht an ihrem Ausgangspunkt zu Ende sind, gab es für den radelnden Reporter und seinen (meistens etwas vorausradelnden) Fotografen stets ein logistisches Problem: Wie kommen Räder und Gepäck wieder zurück zum Auto? Bei unseren Geschichten über den Ybbstal-Radweg oder die Thaya-Runde konnten wir im Vorfeld die Hilfe freundlicher Menschen organisieren – nun, in Zeiten der Pandemie (die Recherche erfolgte im Herbst, einige Wochen vor dem Lockdown) wollten wir möglichst kontaktarm und autark unterwegs sein. Zuerst einmal trafen wir die Entscheidung, mit der Mariazellerbahn anzureisen und dazu den Alpenbahnhof St. Pölten als Ausgangsbahnhof zu wählen.
Wichtig für alle, die mit dem Fahrrad und der Bahn nach Mariazell möchten: Weil im normalen Zug, der je nach Fahrplan alle ein bis zwei Stunden im Takt fahrenden "Himmelstreppe", nur zehn Fahrräder Platz finden, ist eine Vorreservierung unbedingt nötig. Diese kann im Infocenter oder im Webshop der Mariazellerbahn vorgenommen werden.
Der Erlebniszug "Ötscherbär", der zwischen 1. Mai und 30. Oktober an jedem Samstag unterwegs ist, führt einen eigenen Fahrrad-Waggon mit, der 50 Bikes Platz bietet.
Die erste Etappe: von Mariazell bis St. Aegyd
Vom Bahnhof radelt es sich gemächlich ins Zentrum des Wallfahrtsorts. Gleich beim ÖAMTC-Stützpunkt nehmen wir die Abzweigung von der B20 nach schräg links in die Wiener Straße, die uns bis ins Zentrum führt.
Ziemlich eben geht es an Hotels, Restaurants und der Station der Schwebebahn zur 1.267 Meter hohen Bürgeralpe vorbei, ehe sich die Straße zum riesigen Hauptplatz mit der Basilika öffnet. Was in Pandemie-Zeiten wie diesen auffällt: Die meisten der Wallfahrtskirche vorgelagerten Devotionalien-Verkaufshütten sind mangels Pilgerstrom geschlossen.
Ein Stück Lebkuchen wäre jetzt fein – ist aber definitiv nichts für uns: Wir wollen ja Kilometer machen und die Zeit drängt. Also radeln wir links an der Basilika vorbei die Wiener Neustädter Straße leicht bergauf, vorbei am Tourismusbüro bis zum Ortsende an der Einmündung in die B21, in die wir links abbiegen.
Was bald darauf folgt, ist der unangenehmste Teil unserer Route: die steilen Serpentinen hinunter sind gerade eine große Baustelle mit verengter Fahrbahn. Haarscharf pressen sich Pkw und Lkw an uns vorbei. Aufatmen, als wir es geschafft haben, denn gleich darauf biegen wir in den schönsten Teil der heutigen Strecke – wir wollen bis Lilienfeld kommen – ab: in den Rechengraben in Richtung Walstern.
Wir sind jetzt seit dem Passieren der Basilika von Mariazell knappe 21 Kilometer geradelt, bis dato nur auf öffentlichen Straßen. Jetzt, nach dem Steilstück bei Ulreichsberg, atmen wir auf: Von nun an geht's bergab. Und zwar auf einem eigenen, richtigen Radweg, der neben der B21 seinen Anfang nimmt, um sich bald in den Wald zu verabschieden.
Genau dieses nun folgende Stück Weg ist der wichtigste Grund, warum wir uns entschieden hatten, Richtung St. Pölten zu pedalieren: Sechs Kilometer lang geht es ausschließlich bergab. Ziemlich steil bergab, konkret über 290 Höhenmeter. Gute Bremsen sind Voraussetzung auf dieser Strecke – die Griffe einmal losgelassen, zeigt der Tacho rasch 60 km/h. Was vor den Haarnadelkurven eindeutig zu viel ist.
Seit der Abzweigung hinter Mariazell hinein in die Walstern sind wir die letzten 25 Kilometer durch kaum oder gar nicht besiedeltes Gebiet geradelt. Jetzt, kurz vor Kernhof, ist alles anders, seit wir das dicht bewaldete Gebiet entlang der Gefällestrecke hinter uns gelassen haben: Die Landschaft öffnet sich, der Blick kann wieder ungehindert in die Weite schweifen, unser Etappenziel St. Aegyd am Neuwalde ist nur noch sieben Kilometer entfernt.
Sieben Kilometer fehlen uns noch bis zu unserem Etappenziel St. Aegyd am Neuwalde. Auf diesem Teil der Strecke genießen wir das, was normalerweise einen Bahntrassen-Radweg ausmacht: das flotte Dahinrollen ohne engen Kurven und ohne großartige Steigungen oder Gefälle, hier noch dazu auf bestem Asphalt.
Wir sind angekommen in St. Aegyd im Neuwalde, haben seit Mariazell gerade einmal knappe 30 Kilometer absolviert. Doch die Steigungen und vor allem das viele Fotografieren und Filmen haben dafür gesorgt, dass wir die Marktgemeinde im südlichen Mostviertel mit ihren 1.862 Einwohnern erst in der zweiten Nachmittagshälfte erreichen.
St. Aegyd ist Industriestandort seit über 200 Jahren. Vor allem die Eisen- und Stahlindustrie erlebte hier ihre Blütezeit. Und heute gibt es hier Betriebe, die in Sachen HiTech erfolgreich sind.
Es ist noch hell, als wir nach einer eingehenden Fotosession – Fotograf Heinz ist ein richtiger Eisenbahnfreak – unser Quartier beziehen. Ich wollte eigentlich eh schon immer in den Landgasthof "Zum Blumentritt", da ich viel Gutes über die Küche der Schwestern Christa Hollerer und Ulli Hollerer-Reichl, Gründungsmitglieder der "Jeunes Restaurateurs" in Österreich, gehört hatte. Und da bie beiden auch über ein paar Gästezimmer verfügen, war das die perfekte Gelegenheit dazu.
Ich will es kurz machen: Es hat sich gelohnt. Die 14,5 Punkte im Guide Gault Millau passen. Geflämmter Ziegenkäse auf Petersiliencreme und Roastbeef vom Reh und danach Grammelknödel auf Kernölkraut. Die Blunzenradeln mit Entenleber, für die die Schwestern berühmt sind, hebe ich mir fürs nächste Mal auf. Sie wären zu schwere Kost für die morgige Etappe.
Zweite Etappe: von St. Aegyd nach Lilienfeld
Auf dem Papier – der offiziellen Radwanderkarte zum Traisental-Radweg, die Mostviertel Tourismus bereithält – sind es zwar nur 25 Kilometer bis zu unserem nächsten Etappenziel, doch wir setzen alles daran, nach einem zeitigen Frühstück rasch wegzukommen. Der Grund: Wir haben heute zwei Abstecher von der Route auf dem Programm, einer davon sorgt für zusätzliche 18 Kilometer.
Zum ersten Sidestep von der Route sind es gar nur fünf Kilometer: Bei Hofamt, einem Vorort von Hohenberg, verlassen wir den Radweg, der bis hierher neben der Straße oder in deren Sichtweite entlang führt, in Richtung Südosten und folgen den Schildern zu den "Finsterholzwasserfällen Hohenberg". Fünf Minuten später lehnen wir die Räder an einen Holzzaun und stapfen über die Wiese zum Wasserfall. Schön, dass man dort ein Bankerl aufgestellt hat.
Wir geben uns mit dem untersten Wasserfall zufrieden, den Weg hinauf zum Beginn der Fälle und noch weiter nach Süden zum Ochsattel, der von hier ausgelobt wird, schenken wir uns. Wir nehmen noch einen Schluck aus der Trinkflasche und schwingen uns in den Sattel.
Ein Abstecher nach Türnitz
Als "Bahntrassen-Radler" radeln wir ja am liebsten auf Radwegen, die auf stillgelegten Eisenbahnstrecken errichtet wurden, und berichten darüber im digitalen auto touring. Reportagen über den Ybbstal-Radweg, die Thayarunde oder den Cottur-Radweg von Triest in den slowenischen Karst haben wir für dieses Medium schon abgeliefert.
Diesmal ist ein Bahntrassen-Radweg nur in den Bericht über einen "normalen" Radweg integriert: Es ist der Türnitzer Bahnradweg, der vom Bahnhof Freiland aus über 9,2 Kilometer nach Türnitz führt. Blättern Sie in unserem Bilderbuch:
Der Abstecher vom Traisental-Radweg hat sich gelohnt. Auch für Familien mit Kindern kann er bedingungslos empfohlen werden. Es gibt sogar eine eigene Kinder-Broschüre dazu.
Keine sieben Kilometer fehlen uns noch bis Lilienfeld, unserem zweiten Etappenziel. Immer entlang der Bahnstrecke, die ab Schrambach auch für den Personenverkehr bedient wird, oder im Blickfeld der Traisen geht es sechs Kilometer leicht bergab.
Immer die Traisen entlang kommen wir nach Lilienfeld, einen der wichtigsten Orte im Mostviertel, radeln in in Richtung Stadtmitte und trauen unseren Augen nicht: Was für ein cooles Lokal finden wir da gleich direkt an – ja, sogar auch auf – der Traisen! Eine Mischung aus Strand- und Lounge-Bar, das Salettl.
Weil die Plätze auf dem schwimmenden Ponton sind leider alle besetzt sind, lasse ich mir meinen Eiskaffee, den ich mir heute ehrlich verdient habe, an den letzten freien Tisch servieren und wende dem beliebtesten Postkarten-Motiv, der steinernen Brücke mit dem Stift im Hintergrund, den Rücken zu. Fotograf Heinz ist schon drüben, um das Lokal von der anderen Uferseite ins Bild zu rücken. Nach der Erfrischung servicieren wir erst einmal unsere Räder. Ein Heimspiel für ÖAMTC-Mitarbeiter, wie Sie in der Bildergalerie bemerken werden.
Mit korrektem Reifendruck rollen wir über die Brücke zur berühmtesten Sehenswürdigkeit Lilienfelds: zum Stift. Es handelt sich um ein Zisterzienserstift, das schon im 13. Jahrhundert durch den Babenberger-Herzog Leopold VI. als Tochterkloster von Heiligenkreuz gegründet wurde.
Für viele Pilger, die auf der Via Sacra, dem alten Pilgerweg, unterwegs nach Mariazell sind, ist es noch heute ein beliebtes Zwischenziel. Allen, die sich mehr Zeit nehmen wollen als wir, sei eine ausführliche Besichtigung empfohlen – der Kreuzgang, die mittelalterliche Klosterzellen-Trakt, der ehemalige Schlafsaal und die barocke Bibliothek mit ihren 40.000 Bänden sind es wert, sich Zeit dafür zu nehmen. Wenn es die Lage erlaubt, werden Führungen angeboten.
Wir hätten theoretisch die Möglichkeit, St. Pölten, den Ausgangspunkt unserer Tour, noch bei Tageslicht zu erreichen. Wir müssten dazu aber fest in die Pedale treten – und hätten gar keine Zeit mehr zum Fotografieren und Filmen. Also suchen wir uns hier und jetzt ein Quartier.
Im Vorfeld wurde uns das Hotel zum Glockenturm empfohlen. Das liegt zwar nicht direkt in der Ortsmitte, aber es soll ziemlich neu sein und schöne, großzügige Zimmer bieten. Und gleich daneben werden wir, so wurde uns geschildert, ein sehr gutes Gasthaus vorfinden. Aufmerksame Leser wissen bis jetzt: Weil wir unter der Woche radeln, ist einiges nicht möglich – Stichwort Ruhetage. Das Hotel ist zwar (ohne Personal und mit Self Check-in) geöffnet, aber das dazugehörige Wirtshaus ist leider zu.
Dritte Etappe: Von Lilienfeld nach St. Pölten
Von unserem Hotel in Lilienfeld-Marktl geht es nach einem Frühstück (ja, heute ist Personal da!) zuerst ein Stück am rechten Ufer der Traisen entlang durch ein enges Tal, an alten Industriebetrieben vorbei nach Traisen, den Ort, der dem Fluss den Namen gab.
Ist es die wenig übersichtliche Beschilderung hier oder haben wir etwas verpasst? Wir quälen uns am Ortsausgang die Steigungsstrecke der Hainfelder Straße durch ein den Vorort Traisen-Siedlung nach Osten. "Ihr seid hier falsch", wie uns ein Anrainer sagt. Wir sind nicht die einzigen, denen das passiert. Also: Umkehren und bergab zurück ins Traisental.
Sieben Kilometer sind es von Ochsenburg bis St. Pölten, dem Ziel unserer Tour auf dem Traisental-Radweg. Wir schießen die letzten Fotos, drehen eine letzte Videosequenz und radeln gemütlich der Landeshauptstadt entgegen. Immer die Traisen entlang, die breiter und breiter zu werden erscheint. Bald unterqueren wir die Westautobahn A1, dann wird es Zeit, den Radweg zu verlassen und uns zum Alpenbahnhof durchzuschlagen.
128 Kilometer sind wir von Mariazell bis zum St. Pölten gefahren, 18 mehr als die Gesamtlänge des Traisental-Radwegs bis zur Donau. Diesen fehlenden Abschnitt heben wir uns, wie schon eingangs erwähnt, fürs nächste Mal auf. Wer ohne Abstecher nach Türnitz und ohne unsere Foto- und Video-Extrawürste hierher geradelt wäre, hätte gerade einmal 87 Kilometer absolviert.
Was wir allen, die es uns nachmachen möchten, neben unserer Fahrtrichtungs-Empfehlung ("bergab") noch mitgeben können: Beachten Sie schon im Vorfeld die Ruhetage von Gastronomie und Hotellerie. Wir waren übrigens von Montag früh bis Mittwoch mittags unterwegs – an einem Donnerstag loszufahren wäre in dieser Hinsicht angenehmer gewesen.
Noch ein letzter Hinweis: Im Juli und im August wird ein eigener Radtramper-Bus entlang der Strecke zwischen Kernhof und St. Pölten eingesetzt werden, dessen Anhänger 30 Fahrräder aufnehmen kann.
www.traisentalradweg.at
www.mostviertel.at