So klingt die Wüste
Der Süden Tunesiens ist alles andere als karg und leer. Eine Reise zu Dünen und Sternen, in die Geschichte der Berber und zu unerwarteten Köstlichkeiten. Eine Reportage von Michaela Hessenberger.
Stille. Kein Wind, keine Vögel, kein Verkehrslärm. Nur Stille. Ich sitze auf einer roten Düne in der Sahara und stecke meine Hand in den warmen Sand. Greife danach. Die Körnchen rieseln leise durch meine Finger. Danach ist es wieder faszinierend still. Der Ruhe setzen ein "Ratsch" und ein Schmatzen ein Ende. Das Dromedar, auf dem ich von der Oase bis hierher reiten durfte, hat sich zu einem verdorrten Büschel Gras hinuntergeneigt und es abgerissen. Nun kaut es seelenruhig darauf herum. Lärm und Tempo sind nicht mitgekommen in die tunesische Wüste. Sie sind draußen geblieben.
Ein paar Sanddünen weiter hocken drei Männer in der tief stehenden Sonne auf dem Boden. Sie gehören zu Mohammeds Leuten und bereiten das Abendessen vor.
Sie arbeiten an zwei Feuerstellen. An der einen kochen sie Gemüsesuppe, backen Fladenbrot. Den Teig bedecken sie mit heißem Sand und Glut. Die Glut ist auch an der zweiten Feuerstelle für das Garen der Speisen zuständig. In ein traditionelles Tongefäß, das an eine Amphore erinnert, kommen Tomaten, Paprika, Zwiebel, Gewürze und Ziegenfleisch. Langsam schmoren die Zutaten vor sich hin.
Streetfood in der Sahara
Mohammed spricht ein Deutsch mit Schweizer Färbung. Bei Zürich betreibt er eine Kamelzucht. In Tunesien bietet er Touren in die Wüste an. Er scherzt: "Wenn man in einer Oase 'Mohammed' ruft, drehen sich zehn Männer um!" Mit einer einladenden Geste führt er seine Gäste in das Zelt, das seine Leute tagsüber bereits in der Sahara aufgebaut haben.
Auf dem Boden liegen Teppiche, am Tisch stehen Kerzen. Das Dinner an diesem spektakulären Ort beginnt mit Brik: In Teig haben die Köche einen Mix aus Kartoffeln, Eiern und Petersilie gehüllt. Die Dreiecke werden in Öl als tunesisches Wüsten-Streetfood herausgebacken. Nach einer würzigen Gemüsesuppe werden die Tongefäße aus der Asche ins Zelt gebracht. Der Inhalt der großen Schüssel wird heiß genossen. Als Nachtisch gibt es Datteln und frisches Obst – ein Zeichen von Wohlstand.
Draußen ist es längst Nacht geworden. Und deutlich kühler. Mit jedem Schritt, der vom Zelt und der Gesellschaft drinnen wegführt, kehrt die Stille zurück. Der Mond scheint so hell, dass die Milchstraße nicht zu sehen ist, obwohl der Ort fernab von Städten und ihrem Lichtsmog perfekt dafür wäre. Ein Gruß aus der Zivilisation taucht geräuschlos auf, als mit dem Satelliten-Netzwerk Starlink Dutzende Lichtpunkte, aufgefädelt wie an einer Perlenkette, am Horizont erscheinen und in großer Höhe ihrer Bahn folgen.
So tickt der Süden
Begonnen hat die Reise weiter im Norden, auf der Insel Djerba. Auf der Jahrhunderte alten Römerbrücke herrscht reger Verkehr samt Gehupe. Eine nicht enden wollende Autokolonne verlässt morgens auf der einen Fahrspur die Insel, auf der anderen kommen neue Gäste und Lieferanten an. Linienbusse bringen Frauen und Männer zu ihren Büros in die Hauptstadt Houmt Souk. Lautstark plappernde Möwen segeln über den Dächern der Fahrzeuge herum, gleich neben der Fahrbahn werfen Männer ihre Angeln aus. Unser Geländewagen reiht sich auf der Fahrbahn Richtung Süden ein.
Die Route säumen unzählige Olivenbäume, die in großen Abständen gepflanzt sind. Wasser ist hier ein kostbares Gut. Der Raum zwischen den Bäumen stellt sicher, dass alle genug Nass abbekommen. Unter manchen Oliven sitzen Frauen und Männer auf weit ausgebreiteten Netzen und sortieren Früchte. Andere stehen auf Leitern und ernten. Je weiter wir in den Süden vordringen, desto trockener werden die Bäume – bis wir uns der Stadt Medenine nähern und an verdorrten Jungpflanzen vorbeifahren. So wie das Grün verschwindet, werden auch endlich die endlos vielen, achtlos weggeworfenen Plastikflaschen am Straßenrand weniger.
In den Cafés, die entlang der Strecke auftauchen, sitzen ausschließlich Männer. Mit neugierigem Blick folgen sie den Fahrzeugen und erwecken den Eindruck, als träfen sie sich mitten am Tag bei starkem Kaffee oder Tee zum örtlichen philosophischen Zirkel. Zu Tratschen gibt es offenbar genug.
Dass Helmpflicht in dieser Region kein Thema ist, wird uns klar, als wir einen Mann mit Kaftan und Kopftuch auf seinem Moped überholen. Sein tuckerndes Gefährt lenkt er mit einer Hand. Mit der anderen presst er sein Handy ans Ohr und brüllt hinein.
Solarstrom & Wüstencafé
Wir schlagen den Weg nach Ksar Hallouf ein. Die Landschaft verändert sich erneut, die Steine entlang der Piste werden kleiner und erste vom Wind angewehte Sandhaufen prägen das Bild. Flussbetten, die seit Ewigkeiten kein Wasser mehr gesehen haben, durchfurchen die Gegend. Nur hie und da bäumt sich das Leben mit Kakteen oder Palmen auf. Was es am Weg in die Sahara zu sehen gibt? Eine Handvoll Solarpanele, ein paar Schafe und viel Nichts, bis sich Sanddünen erheben und den Lärm der Zivilisation verschlingen. Stille.
Wir biegen ab und folgen steilen Serpentinen. Sie führen auf einen Hügel, schon befinden wir uns in der Befestigungsanlage Ksar Hallouf aus dem 13. Jahrhundert. Gleichzeitig hat sie den umherziehenden Berbern einst als Getreidespeicher gedient. Die einzelnen Kammern sind im Bündel gebaut und erinnern trotz ihrer konischen Form an Bienenwaben. Sie umrahmen den Hof, an dessen Ende wir etwas entdecken, womit wir nicht gerechnet haben: In dicken Buchstaben prangt das Wort "CAFE" auf einer (nicht historischen!) Mauer. Ob dies das Café am Ende der Welt ist? Leises Rumoren durchdringt die Stille des Hofs und das Gesicht des Betreibers erscheint hinter der Theke. Pflichtschuldig nähern wir uns, bestellen Kaffee und löffeln dunkelgelben Honig, der aus der Region stammt, wie uns der Mann glaubhaft macht. Er erzählt von den Besucherinnen und Besuchern aus allen Teilen der Erde, die in die historische Anlage kommen. Tunesien bemühe sich, Ksar Hallouf zum UNESCO-Weltkulturerbe zu machen, habe die Stätte bereits nominiert.
"Star Wars" & Graffitis
Bis dahin ist die Anlage jedenfalls ein genialer Platz für Fotos, der aussieht, als wäre er der perfekte Drehort für einen "Star Wars"-Film. Und in der Tat: Die karge tunesische Landschaft, die Wüste und die erstaunlichen Höhlenwohnungen in ihr haben wirklich Regisseur George Lucas und seine Filmcrew angezogen. Szenen für "Episode I – Die dunkle Bedrohung" sind in der kleinen Stadt Matmata entstanden. An dem Originalschauplatz, nunmehr das Hotel Sidi Driss, können sich Fans umsehen und Luke Skywalker, Meister Yoda und Darth Vader treffen – oder zumindest ihre auf Wände gepinselten Konterfeis. Mit der Ruhe ist es spätestens hier vorbei. Nicht einmal der durch das Hotel schallende Soundtrack vermag die Begeisterungsschreie so mancher Besucher zu übertönen.
Nach der Tour in die Wüste und in die Stille sind wir bereit, über die belebte Römerbrücke nach Djerba zurückzukehren. Wir wollen nicht abreisen, ohne Erriadh besucht zu haben. Das kleine Dorf ist zur Galerie geworden, als es 2014 durch ein Street-Art-Festival zur "Djerbahood" und damit zur Hochburg der Graffiti-Sprayer-Szene geworden ist. Je weiter man vom Marktplatz wegkommt, umso größer wird die Chance, ein paar Sekunden ohne geschäftigen Lärm zu erhaschen. Die alles umfassende, faszinierende Stille der Wüste haben wir seit unserem Ritt in die Sahara jedoch nicht mehr gefunden.
Vier Tipps von Redakteurin Michaela Hessenberger
Dicke Wollsocken ins Gepäck stecken, wenn es in die Wüste geht. Dort wird es nachts so kalt, dass sich die Zehen dankbar an Gestricktes klammern.
Daunen-Jacke: Dementsprechend ist eine klein zusammenfaltbare (Daunen-)Jacke ebenfalls ratsam.
Sandstürme: Die beste Zeit für Touren in die Wüste ist von Oktober bis April. Danach beginnen die Sandstürme.
Sidi Bou Saïd gilt als "St. Tropez Tunesiens". Zu Recht: Weiße Häuschen mit knallblauen Vordächern und Fensterläden versprühen mediterranes Flair. Gourmets kommen ebenfalls auf ihre Rechnung. Und in der Marina liegt so manche Jacht vor Anker.
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