Wie wär's mit Montenegro?
"Côte d'Azur des Balkans" wird Montenegros wunderbare Küste genannt. Aber auch das Hinterland des jungen Staates ist eine Entdeckung wert.
Nur knapp länger als eine Stunde waren wir in der Luft, als der Austrian-Direktflug von Wien in Podgorica aufsetzt, der Hauptstadt Montenegros. Im Landeanflug haben wir zuerst die Adria-Küste gesehen, Dubrovnik von schräg oben, dann schwenkte der Flieger kurz ins Hinterland und der riesige Skutarisee kam ins Blickfeld der nun rasch an Höhe verlierenden Maschine.
Der Flughafen selbst ist klein, obwohl es sich ja um einen Hauptstadt-Airport handelt, wir gehen zu Fuß von der Maschine ins Gebäude.
Geld wechseln müssen wir nicht – in Montenegro gilt der Euro als offizielles Zahlungsmittel. Und das, obwohl das Land nicht zur EU gehört. Wir passieren die Passkontrolle, draußen soll schon ein Fahrer auf uns warten. Mit einem Mercedes der E-Klasse aus den frühen Nullerjahren, hatte man uns gesagt.
Und da ist er schon. Wir steigen ein und fahren los. Nach einer Dreiviertelstunde, in der wir den Skutarisee auf einem ewig langen Damm und einer Brücke überquert und ein paar Berge überwunden haben, kommt plötzlich die Küste ins Blickfeld.
Kurve um Kurve, Serpentine um Serpentine schraubt der Mercedes sich die spektakulär angelegte Straße hinunter. Weil es weiter südlich einen neuen Tunnel gibt, ist auf der Bergstraße viel weniger los, erklärt uns der Fahrer.
Wir sind quasi im ersten Stock über der Küste unterwegs in Richtung Norden nach Budva. Nach einer Viertelstunde taucht die Stadt, in der wir ein paar Tage verbringen und von der aus wir Montenegro erkunden werden, in einem zum Meer hin offenen Talkessel auf. Hier scheinen die Häuser in den Himmel zu wachsen, und wer ganz genau hinschaut, kann auch eine Altstadt ausmachen.
Budva: die beliebte Bade-Metropole
Nein, wir sind hier nicht in Monte Carlo, wir sind in Montenegro. Obwohl der allererste Blick auf den bedeutendsten Badeort des Landes einen ähnlichen Eindruck vermittelt wie die Glamour-Metropole an der Côte d'Azur.
Dort, in einem neuen Stadtteil, der bis zur Erklärung der Unabhängigkeit des Landes von Serbien 2006 nur von kleinen Siedlerhäusern, Werkstätten und Brachland geprägt war, entstanden und entstehen moderne und zum Teil sogar mondäne Hotels und Appartement-Anlagen. Dazwischen eingestreut unfertige Neubauten und verfallende, aber immer noch bespielte Relikte aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Etwa die gelbe Halle aus Stahl und Glas im Sixties-Stil, die sich zwischen unser Hotel und die Strandpromenade schiebt: Grand Bazar steht drauf und viel Ramsch wartet drin auf ahnungslose Käufer, von Billig-T-Shirts mit riesigen Markenlogos bis hin zu Fake-Uhren. Und ein Standl, an dem man mit Darts auf Luftballons schießen kann. Wer das stundenlang tut, hat sicherlich Chancen auf einen übergroßen Teddybären. Wir wollen das nicht und starten unsere Erkundung.
Nur ein paar Schritte sind es zur Strandpromenade, die sich von den Klippen kilometerlang zur Altstadt hinzieht und quasi der Laufsteg für Einheimische und Urlauber ist. Ein höchst vielfältiger Catwalk. Da reihen sich Strand an Strand, Lokal an Lokal. Für jeden Geschmack und jede Geldbörse ist etwas dabei, von der Kaffeeterrasse über die Aperitifbar und den Biergarten bis zum klassischen Strand-Grill mit Tischen auf einer eigenen Mole. Dazwischen jede Menge Ruhebänke – sogar welche mit einer Sitzfläche aus Sonnenkollektoren und der Möglichkeit, das Smartphone-Ladekabel anzustecken. Und am Rand der Altstadt, wo die mondänen Yachten vor Anker liegen, präsentiert ein mobiler Fischhändler seine Ware. Sogar Austern lassen sich da schlürfen.
Baden vor der Stadtmauer – auch das ist also in Budva möglich. Der Altstadtstrand etwa liegt gleich neben der Zitadelle an der Astoria Beach Bar, dem angesagten Hotspot für den Sundowner. Wer von hier aus den schmalen Fußweg einschlägt, der sich entlang der überhängenden Klippen zum Mogren-Sandstrand schlängelt, der darf sich auf den wahrscheinlich schönsten Spazierweg des Landes freuen.
Abendzeit ist Essenszeit. Wir beschließen, morgen an den Strand zu gehen, und kehren um, schlüpfen durch eines der engen Stadttore, schlendern zurück durch die engen, kaum zwei Meter breiten Gassen und fühlen uns an Grados innerste Altstadt erinnert – nur dass die hier komplett von Mauern umgeben und größer ist. Viele kleine Shops, ein paar Restaurants mit Schanigärten, eine Bäckerei, die auch Imbisse anbietet. Wir ziehen weiter, durch ein größeres Stadttor, vorbei an einem vorgelagerten riesigen Chinalokal (da wollen wir trotz des Schanigartens nicht hinein) wieder zurück zur Strandpromenade. Im Vorbeigehen vernehmen wir einige Worte Tirolerisch – von einem Kellner! Das schauen wir uns genauer an.
Wir haben einen Volltreffer gelandet und genießen das Essen am Wasser. Dazu gibt es ein Glas Krstač, das ist ein Weißwein einer autochthonen Traube aus Montenegro. Was will man mehr? Chefin Christine gibt uns noch einen Tipp, den wir am nächsten Tag gut nachvollziehen können: Die besten Reisezeiten für Montenegro sind die Vor- und die Nachsaison.
Es bleibt bei einem Glas Wein, denn morgen haben wir viel vor. In der Stranddisco ist noch Highlife, unser Hotel liegt aber ruhig. Gut so.
Kotor: die schöne Hafenstadt
Nur eine halbe Autostunde von Budva entfernt liegt Kotor, in der K.-u.-k.-Monarchie dank seiner geschützten Lage im südlichsten Fjord Europas einer der Flottenstützpunkte Österreich-Ungarns. Wobei nur jener zehn Kilometer lange Teil der Inneren Bucht von Kotor bis zu ihrem Endpunkt am dortigen Hafen die Bezeichnung Fjord verdient: Nur dort türmen sich die Berge auf beiden Seiten des Wassers 800 Meter hoch auf. Die Äußere Bucht hingegen ist der offenen Adria zugewandt, viel größer – und unterm Strich wegen der weniger hohen Erhebungen auch sonniger. Auf der Fahrt nach Kotor, die wir am zweiten Reisetag nach dem Frühstück antreten, zeigen sich zuerst beide Buchten, bevor sich die Straße zur Inneren Bucht – und damit nach Kotor – hinabschlängelt.
Kotor, unser heutiges Ziel, ist einer der Gründe, warum Christina Niklanović gestern riet, nicht im Juli und August zu kommen: Denn dann wird die Altstadt, in der ein paar Hundert Menschen und noch viel mehr Katzen leben, nämlich von Tausenden Kreuzfahrt-Touristen gestürmt. Heute liegt nur ein einziges Schiff vor Anker.
Am Kai, an dem heute nur ein einziges Schiff liegt, beginnen wir unseren Spaziergang, der uns zuerst durchs Stadttor und dann von der großen Piazza mit dem Uhrturm hinauf auf die vier Kilometer lange Stadtmauer führt. Wir begehen allerdings nur ein kleines Stück von ihr. Der Grund: Im Mittelalter verlief die Grenze zur Türkei auf den Bergen überhalb der Stadt. Und weil die Angriffe von dort besonders gefährlich waren, mussten die Venezianer, die hier noch vor den Habsburgern herrschten, die Ummauerung ganz weit nach oben hinaufziehen. Mehr Zeit und bessere Kondition vorausgesetzt, hätten wir über 1.350 Stufen und steile 215 Höhenmeter bis zur Festung des heiligen Johannes hinaufsteigen und von dort aus die Stadt fotografieren können.
Perast: reif für die Insel
Michael Douglas soll zehn Kilometer weiter ein Ferienhaus besitzen – in Perast an der engsten Stelle des Fjords: ein kleines, hart ans Ufer gedrängtes Städtchen mit Häusern aus der Renaissancezeit. Wir fahren hin, parken das Auto vor dem Schranken (Perast ist Fußgängerzone) und nehmen das Boot zur Gospa od Škrpjela (deutsch „Unsere Liebe Frau am Felsen“), einer künstlichen Insel – aufgeschüttet dort, wo ein Seemann im 15. Jahrhundert eine Ikone fand, die angeblich über Heilkräfte verfügte. Von da an platzierten Seefahrer (und davon gab es hier viele) jedesmal an der Fundstelle einen Stein – bis eine künstliche Insel entstand, auf der man eine Kirche bauen konnte.
Wieder zurück in Perast gönnen wir uns einen Kaffee und eine Cremeschnitte – direkt am Ufer. Beides typisch für das Land: Die Montenegriner lieben Kaffee in allen Variationen, trinken mehr davon als die Italiener, wie uns der Konditor versicherte. Und sie lieben Mehlspeisen über alles, vor allem Cremeschnitten. Wir überzeugen uns, dass diese zu den allerbesten gehören, die wir jemals probiert haben. Ehrlich.
Während der Pause checkt Fotograf Heinz noch rasch seine Bilder von der Insel, dann brechen wir gestärkt zum Auto auf. Der Ort selbst gibt ja auch noch einige Fotomotive her.
Njegusi: Montenegros Schinken-Dorf
Atemberaubend die Kurven, die wir am nächsten Tag erleben. Wieder von Budva aus (das sich übrigens als optimaler Ausgangspunkt für Tagesausflüge eignet) geht es über 25 steile Kehren und begleitet von einer traumhaften Aussicht auf die Äußere und die Innere Bucht hinauf auf 1.000 Meter Höhe nach Njegusi. Die Bauern dort erzeugen einen luftgetrockneten, leicht geräucherten Schinken, der dem Vergleich mit einem würzigen Prosciutto locker standhält.
Cetinje: die alte Hauptstadt
Hinunter durch eine karstige Felsen-Landschaft geht es nach Cetinje. Kaum zu glauben: Der Ort war einmal Hauptstadt des Fürstentums (1852–1910) und später des Königreichs (1910–1918) Montenegro. Die ehemaligen Botschaften im Stil der sie repräsentierenden Länder sind alle noch erhalten. Der Fürst und spätere König Nikola wurde "Schwiegervater Europas" genannt, weil er seine fünf Töchter perfekt an Europas Höfe vermittelte. Eine von ihnen, Prinzessin Helena, nach Italien. Der dort erfundene und ihr zu Ehren Amaro Montenegro genannte Likör ist heute weltweit erhältlich.
Skutarisee: größter See des Balkans
Ein besonderes Erlebnis, so hörten wir, sei ganz sicher auch eine Bootstour auf dem Skutarisee. Der ist fast so groß wie der Bodensee, reicht hinüber bis nach Albanien und ist an seinen Ufern von Seerosen gesäumt, die ihn im Frühjahr in ein Blütenmeer verwandeln. Gute Skipper erklären auf einer Bootstour die Vogelwelt (270 Arten, darunter Pelikane und Kormorane).
Und da ist er auch schon, unser Skipper. Er führt uns zu seinem Boot, und wir fahren hinaus auf den See. Abgesehen von der Vogelwelt und den Seerosen gibt es noch etwas Einzigartiges hier. Lassen Sie sich überraschen!
Nach dem Verzehr der frisch geernteten Wasserkastanien holt unser Skipper einen Korb mit gebackenen Mäusen (wir erinnern uns: die Montenegriner lieben Süßes), Schafskäse und Honig hervor – ein kleiner Imbiss für den Weg zurück zum Ausgangspunkt unserer Bootstour.
Ostrog: ein Kloster wie ein Adlerhorst
Um spirituelle Werte hingegen geht es in unserem nächsten Ausflug. Wir fahren durch die Hauptstadt Podgorica in Richtung Nordwest zu einem der imposantesten Sakralbauten der orthodoxen Kirche. Das Kloster Ostrog, eine Autostunde entfernt, klebt wie ein Vogelnest in einer Felswand. An genau jener Stelle, an der die Einsiedlerhöhle lag, die der Heilige Blasius 1656 zu einem Kloster ausbaute, das heute von Nonnen bewirtschaftet wird. Wer die kleinen Ikonenbretter mag, kann sie an den üppig damit ausgestatteten Souvenirständen erwerben. Sie werden von den Frauen der Umgebung in Handarbeit hergestellt.
Ziemlich rasch vergeht die Zeit in Montenegro, vor allem dann, wenn in die Reise Besichtigungen eingeplant sind. Wir müssen heute wieder zurück – dabei haben wir längst noch nicht alles gesehen. Nicht den Badeort Herzeg Novi mit seiner drei Kilometer langen Uferpromenade "Pet Danica", nicht die Tara-Schlucht, die längste und tiefste Europas im Durmitor-Nationalpark, und nicht die berühmte mondäne Hotelinsel Sveti Stefan. Zu der hat nur Zutritt, wer dort ein Zimmer gebucht hat – das hätte unser Reisebudget gesprengt. Fotograf Heinz hätte sich auch gerne eines der ehemaligen K.&k.-Forts angesehen, an denen wir vorbeigefahren sind.
Ein Badetag an einem der Strände in oder um Budva wäre auch schön gewesen – vielleicht gibt's ja ein nächstes Mal. Ein letzter Espresso unterm Sonnenschirm in der Astoria Beach Bar geht sich aber noch aus. Dort ziehen wir dann auch unser Fazit: Montenegro, kaum größer als Oberösterreich und nur eine Flugstunde von Wien entfernt, ist auf dem Urlaubsradar der Österreicher noch nicht wirklich angekommen. Zu Unrecht.
Angebot von ÖAMTC Reisen
Das ÖAMTC-Reisebüro bietet Montenegro-Reisen zu mehreren Terminen an. Nähere Informationen unter Tel. 01 711 99 34 000 sowie im Internet-Portal von ÖAMTC Reisen.