Kuscheln am Kältepol

Es gibt immer ein erstes Mal: Roland Fibichs Wintercamping-Premiere letzten März während einer Kältewelle im Salzburger Lungau. 
 

Der Blick auf die Wetter-App meines Smartphones lässt mich erstarren. Für Mauterndorf im Salzburger Lungau sind minus 25 Grad vorausgesagt – und das Anfang März. Vielleicht sollte ich meinen Plan, zum ersten Mal Wintercamping auszuprobieren, doch lieber aufgeben und besser eine Flugreise nach Mallorca buchen?

Aber vor der Tür steht der Saint & Sinner von Knaus, jene Studie also, die 2017 auf einem VW Crafter präsentiert und jetzt auf Fiat-Ducato-Basis verwirklicht wurde. Übersetzt bedeutet der Name des coolen Vehikels ja ungefähr "Heiliger und Sünder". So gesehen wäre es ja eine Sünde, die Campingreise zu Eis und Schnee in letzter Minute abzusagen. Also lasse ich mir nichts anmerken und gebe vor, im Auftrag des Herrn in einer unaufschiebbaren Mission unterwegs zu sein.

Der 150-PS-Dieselmotor sorgt dafür, dass ich zügig über die Tauernautobahn (A10) am späten Nachmittag den Vier-Sterne-Campingplatz Mauterndorf erreiche, der ganzjährig geöffnet ist. Im Laufe des Tages hat sich eine Wolkendecke über dem Salzburger Land gebildet. Und das Thermometer ist auf minus sieben Grad angestiegen – eine Art winterliche Hitzewelle also, die mich mit großer Erleichterung erfüllt.

Wir brauchen Strom! Und vor allem Gas!

Entgegen meinen eher naiven Erwartungen ist der schöne Platz ziemlich gut gefüllt, vor allem mit Familien – Stammgäste aus Deutschland und den Niederlanden. Die Kinder, die nach dem Skifahren (der Einstieg in das Gebiet ist direkt neben dem Platz) um die Wohnwagen und Mobile durch den Schnee tollen, erfüllen mich mit Scham. Ich habe mich vor etwas gefürchtet, das Kindern offensichtlich großen Spaß macht.

Die freundliche Dame von der Rezeption hat mir den vorreservierten Platz direkt neben einem Bach zugewiesen. Links geht es über eine kleine Brücke hinauf zur Talstation der Bergbahnen Grosseck-Speiereck sowie zur Schialm mit Restaurant. Rechts sind die Gebäude mit den Sanitäranlagen, das Café – und eine Pension. Die Herausforderung ist also umso größer, da das warme Bett mit Zentralheizung nur wenige Meter von meinem auf Schnee und Eis geparkten Mobil entfernt ist. Sollte ich vielleicht doch zum Sünder wider den unabhängigen Camping-Journalismus werden und die Geschichte faken?

Doch das kommt selbstverständlich nicht in Frage. Schon schließe ich den Strom an, drehe den Gasanschluss auf und aktiviere auf dem einfach zu bedienenden Steuerungspanel, das sich im Fahrzeuginneren über der Tür befindet, die Heizung. Und gleich darauf strömt – ich kann es kaum glauben – wie von Zauberhand von unten warme Luft ins Innere meines mobilen Heims, was meine Stimmungslage auf einen Schlag enorm steigert. 

Also raus aus der Jacke und rein in die Hauspatschen! Ich schließe die Jalousien und richte mich gemütlich ein. Dann mache ich mir einen Kaffee, setze mich auf die Bank vor der Duschkabine und neben der kleinen Küche und bedenke meine Lage. Da ich ja doch nur eine einzige Nacht bleiben will, beschließe ich, die Wasserversorgung nicht zu aktivieren. Ich müsste dafür ja auch Frostschutz in den Abwassertank füllen. Und auch die Toilettenentsorgung nur für einen einzigen Tag scheint mir in dem von Knaus zur Verfügung gestellten Mobil dann ja doch zu umständlich. 

Beim Saint & Sinner sind die Wasserschläuche frostsicher verlegt. Ich könnte unter den Abwassertank ganz einfach einen Kübel stellen. Eine andere Möglichkeit ist, einen beheizbaren Abwassertank zu bestellen, der 318 Euro kostet. Dann erspart man sich im Winter den ganzen Abwasserzirkus bzw. muss keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Leider, leider nimmt der Gasflaschenkasten des Saint & Sinner nur eine einzige Elf-Kilogramm-Gasflasche auf, die – je nach Heizleistung – wohl nur Wärme für etwa drei Tage spenden würde. 

Mit diesen Überlegungen ist es dunkel geworden, und mein Magen beginnt zu knurren. Gut, dass es also (wie erwähnt) nur wenige Schritte zur Ski Alm sind, wo vor allem Herzhaftes zu vernünftigen Preisen serviert wird. Während der Wintersaison sollte man durchaus reservieren, vor allem, wenn man in Gruppen in das bei den Campern beliebte Lokal kommt. 

Abenteuer Abend-Toilette

So gestärkt mache ich mich an die Abendtoilette. Da ich das vollwertige und geräumige Bad des Saint & Sinner (mit Waschtisch, kleines Kästchen, Toilette und Duschwanne) aus den erwähnten Effizienzgründen nicht benützen kann bzw. will, mache ich mich mit Handtuch und Toilette-Täschchen bewaffnet bei minus elf Grad auf den kurzen Fußweg ins gut geheizte Sanitärgebäude. 

Hier gibt es (neben der unschätzbaren Wärme) praktisch alles, was das Wintercamper-Herz höher schlagen lässt: Toiletten und Duschen (die man für den exklusiven Eigengebrauch auch mieten kann), Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspüler und noch viel mehr. Gegen Extra-Eintritt kann man hier auch noch in einem Dampfbad, in der Infrarot-Wärmekabine sowie in Sauna, Solarium oder Tepidarium Wärme tanken. Entgegen meinen wohl übertriebenen Befürchtungen sind die Wege zwischen Mobil und Sanitärgebäude auch bei diesen tiefen Temperaturen mit einer leichten Jacke und festen Schuhen kurz und einfach zu bewältigen. 

Und das war es dann schon auch. Denn gegen halb zehn Uhr kann ich, gut gesäubert und wohl genährt, mein Leselicht einschalten und mich bei wohlig warmen Temperaturen auf dem Schlafplatz im Heck des Mobiles ausstrecken und zufrieden dem Rauschen der Gasheizung lauschen, das mich in einen angenehmen Schlummer begleitet. Die Nacht verläuft angenehm und störungsfrei. Nur kurz schrecke ich auf, als gegen Mitternacht die letzten Gäste der Ski Alm fröhlich-vergnügt zu ihren Mobilen heimkehren, dann ist endgültig Ruhe im Karton. 

Am nächsten Morgen ist es immer noch bedeckt, die Gasheizung blubbert noch immer zufrieden vor sich hin, draußen hat es wohlige minus 14 Grad. Ich schlüpfe in die Turnschuhe, werfe die Winterjacke über und setze sicherheitshalber die Haube auf. Letzteres ist, wie sich herausstellt, eine geradezu lächerliche Vorsichtsmaßnahme für den kurzen Fußweg. Das Sanitärgebäude ist auch zu dieser frühen Stunde gut geheizt. Das Ambiente in dem großen Waschbereich mit seinen zahlreichen Waschbecken und den Duschkabinen erinnert mich zwar schon etwas an die lang vergangenen Bundesheer-Zeiten, aber was soll’s. Zu dieser frühen Zeit bin ich bis auf einen weiteren Herren, der mit Inbrunst seine Zähne pflegt, der einzige Besucher.

So erfrischt mache ich mich auf den Rückweg, grüße dabei artig die anderen Gäste, die schon durch den Schnee stapfen und ordne im Mobil meine Dinge. Geliebter Begleiter ist dabei die Tasse Kaffee, deren Herstellung in der Küche ein Kinderspiel ist. Es ist halb acht Uhr geworden – und schon haben Shop und Café geöffnet, wo sich auch schon andere Gäste eingefunden haben. Für die meisten Besucher/-innen steht ein neuer kalter, aber sonniger Schitag bevor. Für mich aber heißt es, Abschied nehmen. Nicht nur vom Campingplatz Mauterndorf, sondern von unserem ersten Wintercamping-Abenteuer. Wie heißt es so schön: Wer nichts Neues ausprobiert, rostet früher ein. 

Zehn Tipps fürs Wintercamping


Das Fahrzeug muss passen. Das heißt, es muss über eine Heizung verfügen und gut isoliert sein. Außerdem brauchen Sie Winterreifen und eventuell auch Schneeketten.





Der Gasvorrat muss für das Vorhaben ausgerichtet sein. Eine Elf-Kilo-Gasflasche reicht je nach Verbrauch und Größe für zwei bis fünf Tage. Besser geeignet sind Fahrzeuge, in denen zwei Flaschen angeschlossen werden können.





Beheizte Wassertanks (auch fürs Abwasser) sorgen dafür, dass nichts einfrieren kann.





Damit die Batterie geschont wird, sollte man auf externe Stromversorgung setzen.





Ein Vorzelt ist als Klimaschleuse nützlich.





Schneebesen, Eiskratzer (mit einer Teleskopstange), Hammer, Zange und noch mehr Werkzeug können sich ebenfalls als sehr praktisch erweisen.





Eine Thermohaube für Front und Türen spart Heizkosten.





Fahren Sie eher Campingplätze an, die gut fürs Wintercamping gerüstet sind.





Trotz Heizung: Eine dicke Jacke, warme Handschuhe und eine Haube gehören ebenso ins Gepäck wie schneetaugliche Schuhe.





Ein warmer Tee hat schon so manchen Wintercamping-Morgen gerettet.





Noch besser: Man reist zu zweit, da kann man sich im Notfall aneinander kuscheln.




Infos zum Wintercamping und zum Camping allgemein gibt es beim Österreichischen Camping Club (ÖCC), der auch zahlreiche Vorteile für seine Mitglieder bietet,