Winter-Wander-Land
Winter in Österreich ist mehr als "nur" Skifahren. In Lech/Zürs lernen wir die entschleunigende Wirkung des Gehens kennen – auf zertifizierten Wanderwegen.
Skifahrer:innen schleppen ihre Ausrüstung durch den Ort, auf den Terrassen der Hotels und Restaurants fließt Sprudel in Strömen, Autos schlängeln sich auf der Hauptverkehrsader, viele davon sind im Hochpreissegment angesiedelt: Ja, an diesem Tag Anfang März 2024 präsentiert sich Lech eigentlich genauso, wie man sich die Ski-Hochburg in Vorarlberg vorstellt: elegant, extravagant, teuer.
Dass Lech/Zürs aber so viel mehr als Schampus und Skifahren ist, sollte ich in den nächsten Stunden erfahren.
"Die Bedürfnisse der Winterurlauber:innen haben sich in den letzten Jahren verändert. Winteraktivitäten beschränken sich nicht mehr ausschließlich auf die Skipisten", sagt Ulrich Andres, Geschäftsführer von Österreichs Wanderdörfern. Der Verein zertifiziert gemeinsam mit dem Österreichischen Wandergütesiegel seit einem Jahr Winterwanderwege. Wichtige Voraussetzungen: Die Wege müssen klar und durchgehend markiert sowie gut präpariert sein. Spezielle Ausrüstung oder alpine Kenntnisse sind nicht notwendig. Insgesamt elf Winterwanderwege wurden österreichweit zertifiziert, einer davon befindet sich in Lech/Zürs.
Die Winterwaldrunde Zugertal
Es waren nur fünf Minuten, höchstens zehn. Doch die haben ausgereicht, um den Trubel völlig hinter mir zu lassen. Die sieben Kilometer lange "Winterwaldrunde Zugertal" führt von Lech nach Zug und wieder zurück. Sie ist für ein breites Publikum geeignet: Der Weg ist nicht zu übersehen, bestens präpariert und flach. Aber auch wer zum Kopf-frei-Bekommen mehr Anstrengung, mehr Fight, mehr Puls braucht, kommt in Lech/Zürs auf seine Kosten. Denn die zertifizierte Runde ist lediglich ein sieben Kilometer langer Teil eines insgesamt mehr als 40 Kilometer langen Winterwander-Netzes.
Mehr Höhenmeter, mehr Puls
An Tag zwei entscheide ich mich für eine ambitioniertere Tour: von Lech zur rund 500 Meter höher liegenden Kriegeralpe. Hier ist der Kontrast zwischen Tourismus und Natur besonders stark: Nach kurzer Zeit kämpfe ich mich alleine den Hang hoch, keine lärmenden Autos, kein Après-Ski, kaum eine Menschenseele ist zu sehen – und das, obwohl Lech bei 1.600 Einwohner:innen in der Wintersaison 2022/23 mehr als 700.000 Übernachtungen zählte.
Dann, urplötzlich, stehe ich vor einer Piste, es wimmelt nur so vor Skifahrer:innen. Das hat allerdings auch seine Vorzüge, Stichwort Gastronomie. Auch wenn das wohlverdiente Weizenbier auf der Kriegeralpe mit dem Reminder auf der Rechnung daherkommt, dass Lech nicht der preisgünstigste Wintersportort des Landes ist.
Abschließender Tipp: Der Weg führt am Skyspace Lech vorbei, einer Kunstinstallation des US-Amerikaners James Turrell. Führungen auf Deutsch gibt es während der Wintersaison jeden Donnerstag, auf Englisch dienstags. Kostenpunkt: 15 Euro.
Meine drei Tipps
Sonnenbrille nicht vergessen: Die Sonne versteckt sich hinter einer massiven Wolkendecke und vielleicht schneit es sogar? Die Sonnenbrille sollte dennoch mit, selbst ohne direkter Einstrahlung ist der reflektierende Schnee unangenehm bis gefährlich für die Augen.
Nicht überschätzen: Zwar sind die Winterwanderwege präpariert, doch das Gehen im Winter und auf Schnee ist deutlich anstrengender als im Sommer – allein schon wegen der dicken Kleidung. So fühlen sich 200 Höhenmeter schnell nach dem Doppelten an.
Anreise: Vor allem für Anrainer:innen nahe der Weststrecke ist der Zug eine Überlegung wert: In bestenfalls fünfeinhalb Stunden geht es von Wien nach St. Anton am Arlberg, von Linz sind es 4:10 Stunden, von Salzburg 2:59 Stunden. Stündlicher Bus von St. Anton nach Lech.