Wir sehen rot
Die Region Emilia-Romagna beherbergt zwei der weltweit berühmtesten Sportwagen-Manufakturen. Ein Vater-Sohn-Roadtrip nach Norditalien.
Als Motorsport-affiner Mensch mit pathologischer Zuneigung zu Großbritannien bin ich selbstverständlich Fan von Sir Lewis Hamilton. Seit 2013 sehe ich dem 39-jährigen Formel-1-Piloten mit königlicher Freude dabei zu, wenn er an Sonntagen seiner Arbeit nachgeht.
Es ist ein Hobby, das ich mit meinem Teenager-Sohn teile. Wir haben seit mehreren Jahren – egal, ob zuhause oder unterwegs – kein einziges Rennen gemeinsam vor einem TV-Bildschirm verpasst. Er kennt sich in der Materie besser aus als ich – und fährt mir sowohl im echten Kart als auch virtuell auf der Spielkonsole schlicht um die Ohren.
Dennoch trennt uns etwas. Nämlich die Person, für die wir auf der Couch unsere Daumen drücken: Er ist Fan von Charles Leclerc, sein "cuore sportivo" schlägt demnach für den italienischen Rennstall Ferrari.
Nun ist es – Eltern kennen das – leider so, dass Teenager mitunter schwierig für gemeinsame Unternehmungen zu begeistern sind. Mein Sohn liebt allerdings ausgedehnte Roadtrips. Ein Umstand, den ich vor Kurzem genützt habe, um ihn ins Auto zu setzen und gen Süden aufzubrechen.
Ziel: die Emilia-Romagna, jene Region in Norditalien, die mit Lamborghini und Ferrari zwei der legendärsten Sportwagen-Hersteller der Welt beheimatet…
Rennwagen sind weder schön noch hässlich. Sie sind dann schön, wenn sie gewinnen.
Enzo Ferrari (1898-1988)
Anreise mit Zwischenstopp
Bei einem richtigen Roadtrip geht es nicht darum, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen, sondern das Unterwegssein an sich zu genießen. Für mich bedeutet das auch immer: Die musikalische Untermalung muss dazu passen, da bin ich streng.
Simple Radio-Berieselung geht gar nicht, wichtig ist der Einklang mit der Umgebung, durch die ich fahre. Was im konkreten Fall unserer Tour bedeutet: Es läuft eine klassische Italo-Pop-Playlist (mit solchen Songs etwa).
Mein Sohn erträgt Adriano Celentano & Co. dann tatsächlich mit Würde, auch wenn ihm die tapfere Mimik trotz aller Bemühungen manchmal entgleitet. Tja, Erziehung ist leider oft ein sehr einschneidiges Schwert.
Auf halber Strecke zwischen Wien und unserem Ziel taucht auf der Autobahn der Wegweiser nach Venedig auf. Der Spross war noch nie dort, würde aber "gerne einmal die Film-Schauplätze von Indiana Jones sehen".
Wir verlassen die Superstrada, parken und nehmen die Personenfähre nach Venedig. Unser dreistündiger Spaziergang durch die Lagunenstadt begeistert den jungen Mann – was unter Umständen auch an der sensationell guten (und überraschend günstigen) Pizza liegen mag, die er jetzt verdaut. Und Eis ist sowieso nirgendwo besser als in Italien.
Erste Station: Lamborghini
Wir erreichen den kleinen Ort Sant'Agata Bolognese, mit dem Auto rund 45 Minuten nordwestlich der Regional-Hauptstadt Bologna gelegen.
Wo 1948 begonnen wurde, ausgerechnet Traktoren zu bauen, laufen heute sauteure Exemplare der optisch wie motorisch ärgsten Supersportwagen der Welt von den Bändern.
Ich war schon mehrere Male beruflich hier und werde auch diesmal wieder überrascht von der Art und Weise, wie das Personal der Luxusmarke, deren Produkte sich global nur ein einstelliger Prozentsatz der Menschheit leisten kann, mit besuchendem "Fußvolk" wie uns umgeht: ungespielte Freundlichkeit, herzlicher Umgang, keinerlei Gefühl von "Geduldetsein".
Das ist für Besucher:innen der Fabrik auch deshalb interessant, weil der Eintritt zum kleinen, aber feinen Werksmuseum kostenlos ist: Auf zwei Ebenen sind Autos aus der Marken-Historie zu bestaunen, darunter auch der feuchte Traum aller Buben (inklusive dem Autor), die in den 1980ern ein Poster davon über dem Kinderbett hängen hatten…
Kleine Überraschung
Ursprünglich hatte ich für den Besuch bei Lamborghini auch eine (kostenpflichtige) Werksführung geplant, bei der man von einem Guide durch die Produktionshallen geführt wird.
Kurz vor unserer Abfahrt kam aber ein Mail von Lamborghini: Man könne dies leider nicht anbieten, da dort momentan an streng geheimen Prototypen gearbeitet würde. Völlig verständlich, kein Problem.
Allerdings: Bei unserer Ankunft wird dafür extra ein "regulärer" Lamborghini Huracán Supperleggera aus der Halle gerollt, den Sohnemann und ich ganz alleine begutachten dürfen.
Zweite Station: Ferrari
Maranello, die Heimatbasis von Ferrari, liegt eine Stunde Fahrt von Bologna entfernt.
Die Stadt ist allerdings kein wirkliches Schmuckstück und wird dessen, was sich Touristen unter "Italien" meist vorstellen, eher nicht gerecht – und das liegt nicht nur an dem Sauwetter, mit dem uns Maranello begrüßt.
Italien ist hier im Norden landschaftlich flach, industriell geprägt – und deshalb nicht besonders schön.
Aber: Hier kommt Ferrari her. Und wer die Stadt wegen ihres berühmtesten Export-Produkts besuchen möchte – da hätten wir drei Foto-Tipps…
Übernachten in Maranello
Wer in diese Stadt kommt, tut das entweder beruflich oder um als Tourist das Ferrari-Werk zu besuchen.
Da wir zu letzterer Klientel zählen und möglichst authentisch bleiben wollen, haben wir ein Zimmer im Hotel Maranello Village gebucht. Das ist eine riesige Anlage, die Fabrikshallen ähnelt, aber nur ein paar Minuten vom Wunschziel "Ferrari-Museum" entfernt ist – und relativ günstig. Alle Zimmer sind thematisch an das "springende Pferd" angepasst und sauber – für Besucher:innen eine empfehlenswerte Basis.
Im Ferrari-Museum
Zum Schluss im Bus
Da wir schon hier sind, buchen wir anschließend an den Museums-Besuch auch noch die Bus-Tour durch das Werksgelände.
Vorweg: Auf den einschlägigen Bewertungs-Seiten im Internet steigt diese rund halbstündige Rundfahrt nicht immer gut aus. Der häufigste Kritikpunkt: Man dürfe währenddessen nicht aussteigen und müsse das Handy in der Tasche lassen, da Fotos streng verboten sind.
Nun ist es so, dass man bei dieser Busfahrt tatsächlich durch das berühmte historische Tor fährt und dahinter eine kleine Stadt erlebt. Eben das Gelände, auf dem Ferrari-Modelle entstehen – und zwar auch neue. Dass Handy-Fotos dabei unerwünscht sind, ist verständlich.
Was wir hingegen im Bus erleben: eine kompetente junge Dame, die in perfektem Englisch jeden Zentimeter der Tour über den Lautsprecher mit spannenden historischen Infos spickt. Und da soeben auf der hauseigenen, direkt daneben gelegenen Teststrecke nichts Geheimes getestet wird, fährt der Bus auch dorthin.
Mein Sohn sagt: "Arg, dass wir jetzt genau da sind, wo Michael Schumacher damals sogar in der Nacht getestet hat."