Bitte rechts fahren!

Warum so viele Menschen auf Österreichs Autobahnen in der Mitte oder links fahren und welche negativen Folgen das haben kann.

Wenn mich einer überholen will, hat er eh noch die ganz linke Spur", sagt die 52 Jahre alte Doris. Mateo (44) erzählt: "Bei starkem Lkw-Verkehr bleibe ich gleich in der Mitte, damit ich nicht ständig die Spur wechseln muss." Und auch die 25-jährige Agnes meint: "Wenn wenig los ist, wieso kann ich dann nicht überall fahren?"

Agnes, Mateo und Doris sind nur drei von vielen Verkehrsteilnehmer:innen, die das Rechtsfahrgebot missachten – oder zumindest großzügig auslegen.

Doch welche Gefahren birgt das noto­rische Linksfahren auf Autobahnen? Welche Strafen drohen? Und wie ist das Rechtsfahr­gebot eigentlich konkret in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt?

Um das Phänomen zu ergründen, hat auto touring mit einem Juristen, einer Verkehrspsychologin und einem Fahrschulbesitzer gesprochen. Und wir haben Linksfahrer gefragt, wieso sie das tun, aber auch mit Per­sonen Gespräche geführt, die sich von Links­fahrer:innen provoziert fühlen. Das sind laut einer ÖAMTC-Umfrage immerhin rund zwei Drittel der Autofahrer:innen.

Den Motiven auf der Spur

Welche Gründe haben Menschen dafür, das Rechtsfahrgebot zu missachten? Das eine große Motiv scheint es nicht zu geben. Laut ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger spielen meistens mehrere Gründe zusammen. Unachtsamkeit und Bequemlichkeit zählen häufig dazu. Ein subjektives Sicherheitsgefühl kann ebenso zum Linksfahren verleiten. Auch für die 52-jährige Doris ist diese vermeintliche Sicherheit der Hauptgrund, das Rechtsfahrgebot zu missachten: "Wenn was passiert, kann ich nach beiden Seiten ausweichen."

Selbst ein erzieherisches Motiv kommt laut Seidenberger in manchen Fällen in Frage: Personen sind bewusst mit der höchstzuläs­sigen Geschwindigkeit auf der linken Spur unterwegs, ohne jemanden zu überholen, nur um andere zu erziehen oder zu maßregeln. Was wiederum selten zu den Gründen fürs Linksfahren zählen dürfte, ist Unwissenheit. Zumindest wenn es nach einer Umfrage der Asfinag vor einigen Jahren geht: Dort gaben stolze 89 Prozent der Befragten an, über das Rechtsfahrgebot auf Autobahnen und Schnellstraßen Bescheid zu wissen.


Auf der Mittelspur fühlen sich viele Autofahrer:innen am wohlsten. Das ist aber kein Grund, das Rechtsfahrgebot zu missachten.

Marion Seidenberger, ÖAMTC-Verkehrspsychologin

Auch Agnes, die 25-jährige Linksfahrerin, weiß vom Rechtsfahrgebot. In der Praxis teilt sie für sich persönlich die Spuren aber trotzdem in Geschwindigkeitsbereiche: "Rechts fahren die Langsamen, in der Mitte die Mittelschnellen und ganz links die Ur-Schnellen. Ich fahre mittelschnell." Was bei Agnes außerdem hinzu kommt, sei das Gefühl, ohnehin nicht kontrolliert zu werden.

Auf eine Anfrage an das Bundesministerium für Inneres, wieviele Strafen im Jahr für die Missachtung des Rechtsfahrgebotes verhängt werden, lässt ein Sprecher ausrichten, dass "die Masse an zu vollziehenden Verwaltungsmaterien nicht statistisch erfasst wird." Allerdings sei davon auszugehen, so der Ministeriumssprecher weiter, "dass neben Themen wie Geschwindigkeit, Berauschung oder Ablenkung auch das Rechtsfahrgebot regelmäßig einen thematischen Schwerpunkt der Polizei darstellt".

Die Folgen

Wenn die Polizei unbegründetes Linksfahren ahndet, kann das richtig viel Geld kosten: Bis zu 726 Euro können fällig werden. Laut ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer werden bei Anhaltungen allerdings oft Organstrafmandate von rund 30 bis 50 Euro ausgestellt. Überwacht wird das Rechtsfahrgebot durch (zivile) Streifenfahrzeuge und bei der Videoüberwachung des Sicherheitsabstandes. Die Folgen für die Missachtung des Rechtsfahrgebotes beschränken sich allerdings nicht nur auf Strafen: Auch der Verkehrsfluss leidet – und das hat negative Folgen fürs Klima. Denn ständiges Abbremsen und Beschleunigen lässt den Verbrauch und auch die Schadstoff- sowie CO2-Emissionen in die Höhe klettern.

Darüber hinaus hat Linksfahren auf der Autobahn auch Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Laut Statistik Austria ereignen sich jährlich 2.040 Unfälle auf Österreichs Autobahnen. Doch auch wenn sich nicht eindeutig feststellen lässt, wie oft das Fahren auf der linken Spur dabei eine Rolle spielt, sieht David Nosé, Unfallexperte des ÖAMTC, einen Zusammenhang: "Chronisches Links- und Mittelspurfahren stört nicht nur den Verkehrsfluss, sondern geht zulasten der Verkehrssicherheit – auch, weil sich Autofahrende dahinter mitunter zum Blenden via Lichthupe, zum Drängeln oder Rechtsüberholen verleiten lassen."

Autofahrer wie der 50-jährige Niklas. "Weil ein Auto permanent und völlig grundlos auf der linken Spur gefahren ist und ich zu nahe an die beiden Fahrzeuge aufge­fahren bin, die hinter dem Linksschleicher gefahren sind, habe ich über 100 Euro Strafe ­wegen zu knappen Auffahrens zahlen müssen", ärgert sich der Wiener. Niklas ist kein Einzelfall: Bei einer in Deutschland durchgeführten Befragung gaben 34 Prozent an, dicht auf notorische Linksfahrer:innen aufzufahren, damit diese die Überholspur frei­machen. 29 Prozent sagen, dass sie auf der Autobahn "rechts vorbeiziehen", wenn das Vorderfahrzeug sie nicht überholen lässt.

Der richtige Umgang

Für Marion Seidenberger sind das No-Gos. Sie appelliert: "Niemals Selbstjustiz üben. Hupen, dicht auffahren oder gar rechts überholen ist nicht nur verboten, sondern bringen auch andere Verkehrsteilnehmer:innen in Gefahr."
Ihr Tipp: "Unbedingt ruhig bleiben und sich nicht ärgern, denn Stress hilft in ­dieser Situation nicht weiter. Er verleitet zu ­Aggressivität, Unachtsamkeit und riskantem Fahrstil." Außerdem solle man sich nicht persönlich angegriffen fühlen.

Dass Linksfahrer:innen in vielen ­Fällen nicht aus Boshaftigkeit agieren, zeigt sich auch in den Gesprächen mit ihnen. So erzählt Agnes von einer kürzlichen Situation, in der sie rechts überholt wurde. "Da habe mir dann schon gedacht, dass ich schon deutlich früher nach rechts hätte fahren müssen." Auch Niklas zeigt sich einsichtig: "Linksfahrer ärgern mich zwar immer noch. Aber ich habe gelernt, entspannt zu bleiben."

Das sagt die StVO ganz konkret

ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer erklärt: "Das Rechtsfahrgebot ist in der Straßen­verkehrsordnung (StVO) im Paragraf 7, Absatz 1, geregelt." Dieser lautet: "Der Lenker eines Fahrzeuges hat, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist." Bedeutet: Lenker:innen müssen so weit rechts wie möglich und zumutbar fahren.

Wo gilt das Rechtsfahrgebot?
Das Rechtsfahrgebot gilt auf mehrspurigen Freilandstraßen und Autobahnen. Hier muss so lange wie möglich der erste Fahrstreifen benützt werden.

Wann gilt das Rechtsfahrgebot nicht?
Zwar gilt das Rechtsfahrgebot grundsätzlich auch im Ortsgebiet. Wenn allerdings zwei oder mehr Fahrstreifen durch Leit- oder Sperrlinien markiert sind, darf der Fahrstreifen frei gewählt werden. Nicht so streng ist das Rechtsfahrgebot, wenn sich aufgrund der Verkehrssituation Kolonnen bilden. Hier darf man mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten nebeneinander fahren.
Einen Sonderfall auf Autobahnen stellen außerdem Teilungen einer Richtungsfahrbahn dar, hier wäre zum Beispiel beim beabsichtigten Weiterfahren auf dem linken Ast ein Rechtsfahren nicht zumutbar. Außerdem sind Bodenmarkie­rungen, die eine bestimmte Fahrtrichtung angeben, zu beachten. Will man anders fahren, muss man einen anderen Fahrstreifen benützen.

Auch auf der Wiener Südosttangente gilt das Rechtsfahrgebot. Eine Stadtautobahn gibt es nämlich nicht!

Alexander Seger, Fahrschule Fürböck

Fahren auf der Autobahn: So geht's richtig

Alexander Seger ist Besitzer der Fahrschule Fürböck in Mödling. Er kennt das Ärgernis Linksfahrer und erklärt seinen Schüler:innen eindringlich und mit Humor, wie sie es richtig machen sollen. Im Gespräch betont er: "In der Fahrschule wird es gelehrt, gelernt und geprüft."

Das sind seine Tipps für das richtige Fahrverhalten auf der Autobahn:


Beim Auffahren auf die Autobahn den Beschleunigungsstreifen ausnutzen, um sich dem Tempo der auf der ersten Spur fahrenden Fahrzeuge anzupassen.
Auf der Autobahnauffahrt gilt kein Reißverschlusssystem, die Auffahrenden haben immer Wartepflicht.
Hat ein Linksfahrender genügend Möglichkeiten nach rechts zu fahren und nützt diese nicht, macht er sich strafbar.
Beim Verlassen der Autobahn nicht schon auf der ersten Fahrspur abbremsen, sondern dafür immer den Verzöge­rungsstreifen benützen.
Rechts überholen ist verboten. Rechts vorbeibewegen ist möglich, wenn mehrere Fahrzeuge hintereinanderfahren – dann werden sie zu einer Fahrzeugreihe und können sich an Linksfahrenden vorbeibewegen. Denn das Nebenein­anderfahren von Fahrzeugreihen ist erlaubt. Ein einzelnes Fahrzeug darf einen Linksfahrer nicht rechts überholen.