Autokauf: Herz vs. Kopf?

Der Autokauf gehört zu den größten Investitionen der Menschen. Aber wie entscheiden wir uns für ein bestimmtes Fahrzeug? Und spielen dabei lediglich rationale Argumente eine Rolle? Anatomie eines nur scheinbar trivialen Prozesses.

Maserati oder Fiat, das ist Herbert Schauer eigentlich egal. "Ich bin schon alles mögliche gefahren, für mich ist das Auto kein Statussymbol", sagt der 63-jährige Polizist im Ruhestand. Nur eines interessiere ihn: "Ich will bequem sitzen. Eine elektrische Sitzverstellung und -heizung sollte also vorhanden sein."

Ganze 14 Autos hat Herbert Schauer in seinem Leben schon besessen, bis auf zwei waren alle gebraucht. Demnächst soll Nummer 15 in seine Garage einziehen. Schauer steht also vor einer Entscheidung, die in Österreich pro Jahr mehrere Hunderttausend Male getroffen werden muss: Welches Auto soll ich mir kaufen?

Autoland Österreich in Zahlen

Im Jahr 2023 wurde fast eine viertel Million ­Autos in Österreich neu zugelassen. Oder anders ausgedrückt: Etwas mehr als 27 Pkw werden hierzulande jede Stunde neu angemeldet. Dazu kommen letztes Jahr satte 757.981 Gebraucht­wagenzulassungen. Insgesamt also äußerst viele Entscheidungen, die jeden Tag getroffen werden. Nur, wie werden sie eigentlich konkret getroffen? Basiert die Entscheidung für oder gegen ein Auto auf rein rationalen Kriterien oder spielen dabei auch emotionale Motive eine Rolle? Und welche Kaufgründe wiegen am schwersten? Für diese Reportage hat auto touring mit Autokäufern und -verkäufern gesprochen, sich mit einer Professorin der Wirtschaftsuniversität Wien ausgetauscht und auch mit einem professionellen Fuhrpark-Manager diskutiert.

Besuch im Autohaus

Mit Renault und Dacia, Opel, Toyota, Jeep, ­Hyundai, Maxus und Nissan vertreibt Anton Schmidt einen großen Teil dessen, was in Österreich auf vier Rädern unterwegs ist und nicht VW, BMW oder Mercedes heißt. Schmidt ist Geschäftsführer von Auto Ebner. 300 Mitarbeiter zählt das Unternehmen. An sieben verschiedenen Standorten in Ostösterreich verkauft Auto Ebner rund 5.000 Autos im Jahr.

Wenn Anton Schmidt mit seinen Verkäufern über ihren Job redet, dann stellt sich heraus, "dass sich in den letzten 50 Jahren im Grunde beim Ablauf des Autokaufs nichts geändert hat." Oder zumindest fast nichts: "Durch die Digitalisierung und die Kommunikation in den Me­dien weiß ein Interessent, der in eines unserer Auto­häuser kommt, heutzutage ziemlich genau, welche Fahrzeuge infrage kommen."

Ähnliches erzählt auch Monika Koller. Sie ist Assoziierte Professorin und Institutsvorständin des Institute for Marketing and Consumer Research an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Marketing und Consumer Behavior, Psychology und Consumer Neuroscience. Zunehmende Digitalisierung beeinflusst laut Koller die gesamte Costumer Journey.

Das Modell vom 'homo oeconomicus', der nur rationale Kaufentscheidungen trifft, muss überdacht werden.

Monika Koller, Assoziierte Professorin am Institute for Marketing and Consumer Research an der WU Wien

Als Beispiel nennt sie Social-Media-Plattformen: "Die Möglichkeiten dieser Netzwerke haben das Spektrum für Konsument:innen stark erweitert, vor allem auch dahingehend, direkt von anderen Konsument:innen Informationen zu bekommen, sich zu vergleichen und über seine eigenen Konsumpräferenzen zu berichten", so Koller.

Kaufmotive sind individuell

Die Digitalisierung spielt also eine große Rolle bei der Kaufentscheidung und die meisten Menschen sind heutzutage vorinformiert – so weit, so klar. Doch auf welches spezifische Kriterium Anton Schmidts Kundinnen und Kunden besonders Wert legen, kann der Auto-Ebner-Geschäftsführer dennoch nicht sagen. Zumindest nicht so allgemein: "Weil jeder Kunde ein anderes Bedürfnis hat. Die einen benötigen viel Platz, die anderen wollen ein kleines Auto", erzählt er. "Und für manche spielt auch Technologie eine große Rolle."

Wie individuell die Kaufmotive sein können, zeigt auch die "Global Automotive Consumer Study" des britischen Consulting-Unternehmens Deloitte, für die es auch länderspezifische Auswertungen gibt. In Österreich wurde in der Studie zwischen E-Auto-Interessenten und Interessenten von Pkw mit Verbrennungsmotoren unterschieden. In den meisten Punkten gewichten diese beiden Gruppen die verschiedenen Kaufmotive bezüglich ihrer Relevanz zwar ähnlich, einige signifikante Unterschiede zeigen sich aber doch.

So ist die Fahrzeug-Performance nur für 27 Prozent der Befragten, die beim nächsten Fahrzeug zu einem Verbrenner greifen wollen, ein relevanter Aspekt. Bei den Personen, die sich ein Elektroauto zulegen möchten, sind es satte 40 Prozent. Übrigens: Dass Menschen überhaupt auf ein E-Auto umsteigen wollen, hat zwar viel mit Umweltsorgen zu tun (44 %), wesentlich sind aber auch die Treibstoffkosten (47 %) und das Fahrerlebnis (29 %). "Alternative Antriebsarten werden nicht ausschließlich aus Umweltschutzgründen gewählt, hier können andere Wertdimensionen wie Emotionalität und Ausdruck für sozialen Status für manche Konsument:innen ebenso eine wichtige Rolle spielen", erklärt Monika Koller.

Welche Rolle spielt die Marke?

Zurück zu den Unterschieden. Die gibt es auch beim Image einer Marke: In der Verbrenner-Gruppe ist das Image bei der Entscheidung für eine Marke für zehn Prozent wesentlich.

In der Elektroauto-Gruppe sind es mit 16 Prozent deutlich mehr. Die Online-Plattform für Markt- und Meinungsforschung Statista kommt in Bezug auf die Relevanz der Marke für den Entscheidungsprozess auf einen ähnlichen Wert: Von den mehr als 2.000 Befragten gaben 19 Prozent an, dass die "bevorzugte Marke" zu den "besonders wichtigen" Kaufkriterien zählt.




Bei Frauen sind diese Faktoren oft ökonomische, also zum Beispiel das Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei Männern hingegen spielen eher emotionale Aspekte wie Fahrspaß eine Rolle.






Monika Koller, Institute for Marketing and Consumer Research
Den Fahrzeughersteller aktiv wechseln wollen laut Deloitte-Studie lediglich 33 Prozent. Loyalität zu einer Marke spielt also jedenfalls eine Rolle. Interessant: Auch hierbei scheint es Unter­schiede zwischen verschiedenen demografischen Gruppen zu geben.

So zeigt die Arbeit der Forscherin Koller, dass die Loyalität zu einer Marke je nach Geschlecht der Person von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird. "Bei Frauen sind diese Faktoren oft ökonomische, also zum Beispiel das Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei Männern hingegen spielen eher emotionale Aspekte wie Fahrspaß eine Rolle." Natürlich gebe es auch Motive, die für beide Geschlechter eine wesentliche Rolle spielen. "Das wäre zum Beispiel eine gute Qualität des Produktes."

Überhaupt scheint die Qualität des Autos entscheidend zu sein: So geben 42 Prozent der Befragten bei Statista an, dass eine hohe Qualität ein wichtiges Kaufkriterium ist. Bei der Deloitte-Studie sind es gar 49 Prozent. Nur ein einziger Faktor wurde dort von mehr Menschen als wichtig eingestuft: der Preis.

Der Preis als zentraler Faktor

Michael Planer leitet neben zwei weiteren Abteilungen den Fuhrpark des ÖAMTC in Wien, Niederösterreich und Burgenland.




Hauptaugenmerk liegt bei uns auf der Gesamtkostenanalyse.






Michael Planer, Leitung Sachverständigen- und Fuhrparkmanagement ÖAMTC
Aktuell betreut er mit seinem Team rund 850 Fahrzeuge, Autokäufe gehören zu seinem Job. Für ihn stehen bei der Fahrzeugauswahl jedenfalls mehrere Krite­rien im Fokus. Der Autopreis allein ist für den Profi nicht hauptausschlaggebend für den Ankauf. "Hauptaugenmerk liegt bei uns auf der Gesamtkostenanalyse. Dabei schauen wir uns natürlich auch an, wie hoch der Preis des Autos ist. Aber auch die Kosten für Betriebsmittel sowie Service-/Wartungs- und Versicherungskosten spielen eine wichtige Rolle", so Planer. Auch die Verwertung am Ende des Nutzungszeitraums ist relevant, weshalb bei der Entscheidung u.a. auch auf die Marke selbst geschaut wird. "Aber nicht wegen emotionaler Gründe, sondern weil die Autos mancher Hersteller nun mal wertstabiler sind als die anderer."

Dass der Preis ausschlaggebend ist, zeigt sich auch in Erhebungen. So gibt bei Statista mit 44 Prozent fast jede:r Zweite an, dass der Preis ein besonders wichtiger Faktor bei der Auswahl des Autos ist. Lediglich Sicherheit und Alltagstauglichkeit erreichen höhere Werte.

Bei Deloitte landet der Preis überhaupt auf Platz eins: Hier sind es 58 (Verbrenner) respektive 56 Prozent (E-Auto), die den Preis zu den wichtigsten Faktoren zählen. Stellt sich allerdings die Frage, warum Audi, Mercedes und BMW – alles Hersteller, die nicht gerade für ihre preiswerten Automobile bekannt sind – in den Topsechs der Marken mit den meisten Neuzulassungen 2023 landeten? Oder dass es die junge, emotional aufgeladene und höherpreisige, zu Seat gehörende Marke Cupra in nur wenigen Jahren geschafft hat, fast die Hälfte aller global verkauften Modelle der Seat S.A. auszumachen?

Jeder Kunde hat ein anderes Bedürfnis. Der eine braucht Platz, der andere einen Kleinwagen.

Anton Schmidt, Geschäftsführer Auto Ebner

Welche Rolle Emotionen spielen

"Aus der Forschung wissen wir, dass neben kognitiven Informationsverarbeitungsprozessen Emotionen eine große Rolle spielen können", erklärt Monika Koller, die Forscherin an der Wirtschaftsuniversität Wien. "Das ist natürlich individuell oder auch segmentspezifisch und situa­tionsabhängig zum Teil verschieden. Die Forschung aus dem Bereich 'Consumer Neuroscience' zeigt jedoch, dass das Modell vom sogenannten 'homo oeconomicus', der ausschließlich rationale Kaufentscheidungen trifft, überdacht werden muss. Kaufentscheidungen sind oft sehr wohl emotional."

Sowohl bei Deloitte also auch bei Statista ist die Qualität des Produktes fast so vielen Personen wichtig wie der Preis. Und eine höhere Qualität bedeutet in der Regel höhere Kosten.

Wer in Österreich Autos kauft

Warum sich teure Autos gut verkaufen, obwohl der Fahrzeugpreis zu den wichtigsten Kriterien gehört, zeigt sich in den Daten der Statistik Austria. Denn 69 Prozent der Neuzulassungen 2023 fallen auf "nicht unselbstständig Erwerbstätige".

Mehr als zwei Drittel der Autokäufe sind also gar keine Privatkäufe, vielmehr schaffen Firmen, Vereine oder Ein-Personen-Unternehmen die Fahrzeuge an. Während Dacia bei den Gesamt-Neuzulassungen nur den neunten Platz belegt, ist es bei den Privatkunden die zweitbeliebteste Marke. Und während der Dacia Sandero an sechster Stelle der neuzugelassenen Fahrzeuge 2023 ist (hinter dem BMW X1), landet er bei den "unselbstständig Erwerbstätigen" auf Platz eins. Klar zeigt sich: Unternehmen haben in der Regel mehr Budget als Privatpersonen und bekommen bei großen Flotten bessere Konditionen.

Mit rationalen Argumenten punkten

Sind also überwiegend doch rationale Argu­mente ausschlaggebend? Zumindest die beiden Umfragen deuten darauf hin: Emotionale Kauf­motive wie Sportlichkeit (17 %) spielen eine eher untergeordnete Rolle, während Raumangebot (33 %), Kraftstoffeffizienz (41 %) und Sicherheit (58 %) von den meisten Menschen als wichtiges Kaufkriterium ausgewählt wurde. Immerhin ist jedem Dritten das Design wichtig. Wer nun aber durch die Vielzahl an Artikeln in wissenschaftlichen Journalen zu diesem Thema surft, findet eine relativ eindeutige Antwort: Kauf­entscheidungen sind beides: rational und emo­tional.

"Die Forschung zeigt auf, dass wir oft nicht nur die Produkte und Dienstleistungen per se konsumieren, sondern vielmehr den wahrgenommenen Wert, den wir dadurch erfahren", erzählt die Wissenschaftlerin Koller. "Dieser wahrgenommene Wert ist mehrdimensional. Sprich, ein neues Auto bietet nicht nur einen funktionalen Wert, also bringt mich von A nach B. Sondern es macht mir auch Freude zu fahren, hat vielleicht auch ein ansprechendes Design oder einen sozialen Wert für die Käufer:innen im ­Sinne von Statussymbolik."

Wie der Kauf gelingt

Michael Planer appelliert dennoch an den Kopf: "Man sollte nicht nur auf die Optik oder Marke schielen, sondern im Vorfeld definieren, was wichtig ist und in Abhängigkeit davon so objektiv wie möglich entscheiden. Wie sieht mein Fahrprofil aus? Fahre ich überwiegend weite oder kurze Strecken? Alleine oder mit der Familie? Brauche ich oft viel Platz für Gepäck? Oder reicht etwas Kleines? Und natürlich: Welches Budget habe ich?"

Zurück zu Herbert Schauer und seiner Entscheidung. Die hat er im Großen und Ganzen so getroffen, wie Michael Planer sie empfiehlt. Etwas Platz brauche er eben für seine Sportausrüstung. Und elektrisch muss es sein. Nicht wegen der Umwelt, sondern weil er gerne Neues probiert. Und weil seine Photovoltaik-Anlage am Dach Strom generiert. Seine Entscheidung:

Es wird ein Kompakt-SUV.

Neu oder gebraucht? Der ÖAMTC hilft beim Autokauf

Die Qual der Wahl. Wer ein neues Auto anschafft, egal ob neu oder gebraucht, kann vieles falsch machen. Damit aus dem Traum kein Albtraum wird, hilft Ihnen der ÖAMTC. Ein Überblick, was Sie beim Kauf unbedingt beachten sollten.

Erstellen Sie vorab eine Liste:


Mobilitätsbedürfnisse. Stadt, Land, Single, Beziehung, Familie.
Kilometerleistung pro Jahr. Wie hoch ist sie?
Marktüberblick. Welche Modelle kommen für mich in Frage.
Budget. Wie hoch ist es inklusive Versicherung, Kraftstoff, Parkgebühren etc.)?
 


Tipps beim Neuwagen-Kauf:


Rabatte erfragen: Preise bei unterschiedlichen Händlern, bei Online-Portalen oder im Direktvertrieb der Hersteller untereinander vergleichen.
Förderungen checken, vor allem bei vollelektrischen Fahrzeugen (aktuell 5.400 Euro brutto).
Vorführwagen oder Tageszulassungen sind oftmals deutlich günstiger, Rabatte bis zwischen 20 und 30 Prozent sind keine Seltenheit.
In der Regel gibt es bei Barzahlung bessere Konditionen (Kredit bei der eigenen Bank erfragen). Oft bieten die Hausbanken der Hersteller attraktive Konditionen zur Finanzierung eines Fahrzeuges.
Gibt es keinen Preisnachlass, unbedingt weitere "Zuckerl" in Form von Zusatz- oder Sonderausstattungen (zusätzlicher Satz Reifen, Kosten für erstes Service etc.) aushandeln.
Eintausch des alten Fahrzeuges. Dabei aufpassen, dass man nicht "über den Tisch gezogen" wird und sich unbedingt im Vorfeld über den aktuellen Wert des eigenen Fahr­zeuges informieren.
ÖAMTC-Mitglieder können zur Fahrzeugbewertung den "Autopreisspiegel" auf der ÖAMTC-Homepage für fünf Abfragen pro Jahr gratis nutzen.
 


Tipps zum Gebrauchtwagen-Kauf:


Ankaufstest. Um möglichst viele Risiken auszuschalten, sollten ÖAMTC-Mitglieder vor dem Kauf unbedingt den Zustand des Fahrzeuges durch eine ÖAMTC-Kaufüberprüfung an einem Stützpunkt feststellen lassen. Das Fahrzeug wird dabei nicht nur auf die Betriebs- und Verkehrssicherheit, sondern speziell auf Vorschäde penibel untersucht.
Eine detaillierte Checkliste, was vor dem Kauf eines Gebrauchtwagen zu beachten ist, finden Sie auf der Homepage des ÖAMTC.
Der Gebrauchtwagenkauf zwischen Privatpersonen ist in der Regel billiger, aber auch risikoreicher. Konsumenten­schutzbestimmungen zwischen priva­ten Vertragspartnern gelten nicht. Das heißt, der private Verkäufer ist berechtigt, die Gewährleistung aus­zuschließen.
Der ÖAMTC bietet einen standardisierten Kaufvertrag zwischen privat und privat für Kraftfahrzeuge bzw. Elektro-Kraftfahr­zeuge zum Download an: www.oeamtc.at/kaufvertrag
Wenn Sie durch mehrdeutige Formulierungen an der Seriosität eines Angebots zweifeln, dann wenden Sie sich an die ÖAMTC-Rechts­beratung. Diese steht allen ÖAMTC-Mitgliedern kostenlos im jeweiligen Bundesland persönlich, telefonisch oder per Mail zur Verfügung.
Zulassung: Die Anmeldung des Fahrzeuges muss bei einer Zulassungs­stelle in jenem Bezirk erfolgen, in dem der/die Anmelder:in seinen/ihren Wohnsitz bzw. Firmensitz hat.