Meine Nacht mit Batman
Exklusiv: auto touring-Reporter Christoph Lego hat den Fledermaus-Rächer aus Gotham City nach Wien eingeladen, um hier endlich einmal für Recht und Ordnung zu sorgen. Eine düstere Reportage aus der Bundeshauptstadt.
Alfred Pennyworth am Apparat, mit wem habe ich das Vergnügen zu sprechen?" lauten die ersten Worte, die ich im Zuge meiner Recherche für die Geschichte, die Sie soeben zu lesen begonnen haben, vernehme.
Ich erschrecke zuerst. Nie hätte ich vermutet, dass am anderen der Leitung jener geheimen Nummer, die ich kürzlich von einer mir weitschichtig bekannten Fotografin – wir werden sie später noch kennenlernen – erhalten hatte, tatsächlich dieser Mann abhebt: Alfred Thaddeus Crane Pennyworth, Haushaltshilfe der feudalen Residenz Wayne Manor in der an der US-Ostküste gelegenen Metropole Gotham City.
Mr. Pennyworth hat einen ganz besonderen Job: Er ist Butler des wohlhabenden Hausherren Bruce Wayne. Der Name kommt Ihnen bekannt vor? Kann gut sein. Vermutlich kennen Sie Mr. Wayne wegen seiner geläufigeren Berufsbezeichnung: Batman.
Ich bin die Vergeltung. Ich bin die Nacht. Ich bin Batman.
– ebendieser
Ferngespräch
Ich versuche am Telefon erst einmal, meine Nervosität zu verbergen, und stelle mich bei Mr. Pennyworth artig vor – als Redakteur des österreichischen Magazins auto touring, der ein durchaus kompliziertes Anliegen vorzubringen hat.
"Bitte entschuldigen Sie die Störung zu später Stunde, Sir", erkläre ich mit zitternder Stimme, "aber ich möchte höflich fragen, ob sich ihr Arbeitgeber Mr. Wayne vielleicht bereit erklären würde, mich für eine exklusive Reportage über sein geschäftiges Treiben als Rächer des Gesetzes in meinem Heimatland Österreich zu besuchen."
Ich verrate Alfred vorerst lieber noch nicht, wie es zur Idee meines ungewöhnlichen Anrufs kam. Schließlich erscheint der Grund für ihn womöglich zu profan: Mein Sohn Paul und ich sind nämlich schlicht wieder einmal während eines Corona-Lockdowns zuhause gesessen und haben uns die Zeit mit unserem gemeinsamen Lieblingshobby vertrieben – Lego bauen.
Diesmal hatten wir das Modell des 1989er-Batmobils in Angriff genommen, also das Dienstfahrzeug des Superhelden in Fledermaus-Gestalt. Und Paul meinte so nebenbei, als er soeben das Lenkrad im Cockpit montierte: "Papi? Wäre es nicht cool, Batman mal in echt zu treffen?"
Und weil man Kindern stets vorleben sollte, dass Träume keine solchen bleiben müssen, sondern in die Tat umgesetzt werden können, habe ich nach Fertigstellung des Modells begonnen mich umzuhören. Mit dem Resultat, dass ich nun eben mit dem Butler von Batman telefoniere.
"Wir werden sehen, was sich machen lässt, und melden uns in Kürze bei ihnen, Mr. Löger", sagt Alfred im britischsten Tonfall, den man sich nur vorstellen kann. Selbst die hochgezogene Oberlippe kann ich durchs Telefon förmlich sehen…
Wien, November 2020, Bezirk Erdberg.
Etwa eine Woche nach meinem Telefonat mit Alfred Pennyworth geht plötzlich alles sehr schnell. Ich solle mich am nächsten Abend kurz nach Sonnenuntergang bei der Wiener Adresse Baumgasse 129 einfinden, so die Sprachnachricht einer tiefen, mir unbekannten Stimme auf meinem Handy, die sich aus unerklärlichen Gründen nach einmaligem Anhören von selbst löscht. Der Ort des Treffens sei nicht nur mir, sondern auch dem anonymen Anrufer bekannt, höre ich kryptisch, ich dürfe aber nur zwei penibelst ausgesuchte Personen meines Vertrauens zum Termin mitbringen.
Ich brauche nicht lange nachzudenken: Unser Fotograf Markus Zahradnik soll auf jeden Fall dabei sein, beschließe ich. Schließlich ist er seit vielen Jahren ein enger Freund und knipst auch brauchbare Bilder.
Außerdem war er es, der meinen Kontakt zum Batman-Anwesen überhaupt erst hergestellt hatte – wenn auch über zwei Ecken: Im April 2015, als er für den auto touring den New Yorker Grand Central-Bahnhof ablichtete, hatte er dort nämlich die aufstrebende US-Fotografen-Kollegin Vicky Vale kennengelernt. Und die wiederum hat es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, den dunklen Rächer endlich einmal real kennenzulernen.
Von ihr bekam ich deshalb über Umwege auch die geheime Telefonnummer, die sie zuvor akribisch recherchiert hatte. Kein Wunder also, dass Markus sie – ohne mein Wissen – bereits am Vortag nach Wien einfliegen ließ.
Auftritt Batman
Ein kurzer Lichtstreif am Nachthimmel, dann landet das Batwing neben uns auf dem Dach des Wiener ÖAMTC-Mobilitätszentrums mit – Sie haben's vielleicht schon geahnt – der Adresse Baumgasse 129.
Batman steigt aus, streckt sich, knurrt "Gut, wieder mal hier zu sein", kehrt uns den Rücken zu, stapft ein paar Meter und blickt dann wortlos minutenlang auf die Wiener Skyline. Sein Umhang flattert im Wind, die Szenerie ist bizarr, mir fehlen die Worte. Im Hintergrund höre ich nur den ratternden Auslöser von Markus' Kamera.
Geheimversteck
Während ich mich noch wundere, warum unser Treffpunkt ausgerechnet mein langjähriger Arbeitsplatz ist, und erst recht, warum Batman diesen kennt, marschiert er schon voraus zum Gebäude. Wir folgen. Es geht vorbei am Haupteingang, runter über versteckte Rampen, immer wieder öffnet er per Codekarte mit Fledermaus-Symbol mir bislang gänzlich verborgen gebliebene Türen und aktiviert schließlich einen Aufzug, den wohl nicht einmal die Gebäude-Techniker des ÖAMTC kennen.
Ich blicke auf meine Uhr und stoppe die Zeit: Exakt 120 Sekunden lang fährt der ultraschnelle Lift nach unten. Mir kommt diese Zahl bekannt vor, ich kann in der Aufregung aber nicht klar denken. Erst Tage später wird es mir wie Schuppen von den Augen fallen: Natürlich, das ist der geheime Code, mit dem beim ÖAMTC nahezu alles möglich ist!
Die Türen öffnen sich, ich rechne nach: Bei dieser Geschwindigkeit müssten wir nun gut 300 Meter unter der Erdoberfläche sein.
Batman entgeht meine Verunsicherung nicht und kurz glaube ich, dass sein rechter Mundwinkel für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln simulieren will. Ohne meine Frage abzuwarten antwortet er: "Dass es nur eine Bathöhle gibt, ist ein Irrtum. Ich betreibe weltweit an neuralgischen Punkten, wo für Gesetz und Ordnung gesorgt werden muss, Stationen wie diese. Die in Wien unter eurer ÖAMTC-Zentrale verwende ich in erster Linie wegen des praktischen Dach-Landeplatzes und der guten Anbindung an die U-Bahn, in deren Röhren ich mich gerne fortbewege. Schnelle Mobilität ist nämlich das Geheimnis meines Erfolgs".
Sprach's, dreht uns wieder seinen Umhang zu und klimpert mit etwas, das ich als Motorjournalist unverkennbar als das Geräusch von Autoschlüssel wahrnehme…
In den Katakomben des ÖAMTC
Wiedersehen mit dem ewigen Strizzi
Dem tiefen Seufzer entnehme ich, dass Batman nicht wirklich erfreut ist, seinen alten Kontrahenten, den Joker, hier auf der anderen Seite des Atlantiks plötzlich anzutreffen. Ich spüre sofort, dass ihm die Situation vor Publikum höchst unangenehm, wenn nicht sogar peinlich ist.
Dazu passen auch meine Recherchen im Vorfeld dieser gemeinsamen Nacht, die ergaben, dass die beiden einander bereits seit April 1940 (!) ständig in die Quere kommen. Ganz ehrlich: Das würde mich auch nerven – und ich bin kein niemals alternder Superheld. Vor allem auch, weil dieser Mann, obwohl er ständig laut lacht und irre Grimassen zieht, auf mich als Außenstehender nicht wirklich komisch wirkt.
Ich beobachte die Szene vorsichtshalber aus ein paar Meter Entfernung und stelle mittels angewandter Alltags-Psychologie fest: Dieser Herr Joker kann einem schon auch irgendwie leid tun. Sich nach 80 erfolglosen Jahren noch immer am gleichen unbeeindruckten Superhelden reiben zu wollen, zeugt von geringer Einsicht, was den eigenen Stellenwert im Leben angeht.
Ich mache das auch an der Tatsache fest, dass in unserer Situation trotz übertrieben zur Schau gestellter Waffengewalt keiner der Bedrohten besonders verängstigt wirkt. Als engagierter Reporter habe ich die Konversationen der Protagonisten in folgenden Szenen natürlich notiert…
Du weißt, Batman: Mit dem Wahnsinn ist's wie mit der Schwerkraft. Es braucht nur einen kleinen Anstoß…
The Joker
Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Nachdem das Geplänkel zwischen Batman und Joker doch noch eine Weile hin- und hergeht und uns langsam fad wird, weil wir irgendwie spüren, dass diese Hassliebe zwischen den beiden wohl noch einige Jahre andauern wird, nehme ich all meinen Mut zusammen und spreche ein lautes und sehr bestimmtes Machtwort:
"Entschuldigung, Mr. Batman? Ich möchte keinesfalls stören, aber wäre es unter Umständen möglich, dass sie sich vielleicht wieder unserer Reportage zuwenden könnten? Es ist schon fast Mitternacht…"
"Korrekt. To the Batmobile!"
Batman lässt den verzweifelt kichernden Joker, am Sakkokragen in der Luft haltend, während er ihn rhythmisch in den Bauch boxt, anstandslos fallen und zieht von dannen.
Wir laufen ihm nach in Richtung Parkplatz, wo das Batmobil steht. Ob wir für eine kleine Tour durch "sein" Wien bereit wären, fragt er. Vicky, Markus und ich nicken freudig.
Bevor ich einsteige, drehe ich mich noch einmal um und sehe in der Ferne Mr. Joker am Boden liegen. Er kichert und weint zugleich. Wie würdelos.
Sightseeing in der Bundeshauptstadt
Exklusive Überraschung für den auto touring
3 Uhr früh: In einer gottverlassenen Nebenstraße der Industriezone nahe der ÖAMTC-Zentrale hält Batman plötzlich an, steigt aus und schaut mich, der vom Glück benommen verklärt grinsend im Beifahrersitz kauert, genervt an.
"Fahrertausch", herrscht er mich an.
Ich schalte nicht schnell genug, sende fragende Blicke.
"Du fährst jetzt", präzisiert er.
Es passiert also. Ein Traum wird wahr. Ich darf als erster Motorjournalist der Welt das legendäre Batmobil testen…
Im auto touring-Test: Batmobile Bj. 1989
Gleich vorweg: Trotz zwanzigjähriger Berufserfahrung fällt mir eine fachlich kompetente Expertise in diesem speziellen Fall äußerst schwer. Für das Einzelstück gibt es schließlich keine belastbaren technischen Daten. Kollegin Vicky will aus sicherer Quelle aber wissen, dass tatsächlich ein Zulassungsschein existieren soll – der allerdings gut versperrt im Safe von Wayne Manor liegt.
Ich entscheide kurzerhand, die strengen Mess-Verfahren des auto touring ausnahmsweise einmal links liegen zu lassen und diese einzigartige Chance zu nützen: Heute Nacht werde ich mich ausschließlich auf mein Gespür verlassen…
Testnotizen
Hinter den Kulissen: das Making-of
Vielen herzlichen Dank, liebe Leserin und lieber Leser, wenn Sie diese doch recht lange – auf dem schmalen Grat zwischen Fiktion und Wirklichkeit wandelnde – "Reportage" bis hierher gelesen haben.
Wenn Sie vielleicht nun noch wissen möchten, welche Arbeitsschritte dafür notwendig waren, empfehle ich die folgende (und letzte) Fotoshow :-)
Viel Arbeit, viel Vergnügen
Epilog: Infos, Links & Videos
Sie möchten gern den originalen Film sehen, der für diese Geschichte Pate stand – ohne fiktives Wiener Lokalkolorit? Bittesehr, hier ist der Trailer zum diskussionslos besten Batman-Film aller Zeiten unter der Regie von Tim Burton – mit einem entfesselt spielenden Jack Nicholson als "Joker". Erhältlich auf allen gängigen Streaming-Plattformen.
Sie sind nur wegen des 89er-Batmobils hier? Bittesehr, hier die zusammengefassten Filmsequenzen, in denen dieses unfassbar schöne "Auto" vorkommt.
Sie glauben nicht, dass es dieses Batmobil "in echt" gibt? Bittesehr, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird man stets eines Besseren belehrt…
Und schlussendlich: Ein Exemplar unseres Batmobil-Fotomodells dieser Geschichte ist natürlich auch im Lego-Online-Shop erhältlich – zumindest zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Story, da dieses gefragte Sammler-Set immer wieder flott ausverkauft ist. Mehr dazu hier: Batmobile 1989 im Lego-Shop