Trotz Einschränkung mobil bleiben
Eine Querschnittslähmung bedeutet nicht das Ende der Mobilität. Mit Anpassungen ist Autofahren oder Verreisen dennoch möglich. Wir haben Betroffene befragt und Tipps von Expert:innen gesammelt.
Sowie ich nicht mehr gehen konnte, hatte ich nichts anderes mehr im Sinn. Mein Nervensystem verlangte hysterisch nach Mobilität", erzählt August Kargl, der seit zwanzig Jahren mit einer inkompletten Querschnittslähmung mit dem Rollstuhl unterwegs ist. Selbstständige Mobilität war und ist ein Grundbedürfnis für ihn. Sie begann ganz langsam mit einem Transfer aus dem Spitalsbett in einen klapprigen Rollstuhl. Heute fährt der ehemalige Redakteur problemlos Auto, nutzt Öffis in Wien und fliegt durch die halbe Welt.
Im Auto
Ohne Hilfe Auto zu fahren ist für manche Menschen gleichbedeutend mit Selbstständigkeit. Ein Wort, das für Edith Grünseis-Pacher, die ebenfalls seit einem Unfall mit einer inkompletten Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzt,
alles bedeutet hat: "Für mich war nach meinem Verkehrsunfall die größte Hürde, von einem Tag auf den anderen nicht mehr selbstständig mobil sein zu können und für einfachste Dinge Hilfe zu benötigen", erzählt die Oberösterreicherin. Sie ist Gründerin von Club Mobil und Gerichtssachverständige für Fahrhilfenfeststellung und
Fahreignungsüberprüfung.
Umbauten im Auto
Heutzutage ist es möglich, beinahe jedes körperliche Defizit mithilfe von behindertengerechten Umbauten so weit auszugleichen, dass ein Auto sicher gelenkt werden kann. Bei speziellen Werkstätten werden Umbauten vorgenommen, die das Fahrzeug auf die Bedürfnisse des oder der Lenkenden anpassen. Bevor aber auch nur ein Hebel umgebaut wird, müssen Betroffene erst ein passendes Auto finden.
Eine nicht unbedingt leichte Aufgabe, erzählt August: "Das Fahrzeug darf, wenn man im Rollstuhl sitzt, nicht zu hoch sein. Im Kofferraum sind Ladekanten störend, außerdem braucht es genug Platz für den Rollstuhl." Da es zunächst noch einiger Umbauten bedurfte, war es nicht möglich das Auto vorab zu fahren. "Es war unglaublich komisch für mich, ein neues Fahrzeug zu kaufen ohne eine Probefahrt", schildert August sein Erlebnis. Geliefert wurde August schließlich ein Opel Astra Twinport mit einer Schiebetüre, Schubstange und Schnur zum Öffnen und Schließen, einem Ring zum manuellen Gasgeben am Lenkrad, einem Bremshebel und einer Abdeckung für die Pedale.
Für Edith gab es ein anderes System: Ein Handbediengerät für Gas und Bremse sowie eine Assistenzeinrichtung am Lenkrad. Eine Sache haben die zwei Autos gemeinsam: das Automatikgetriebe.
Schnell dran gewöhnt
Für beide war es erstaunlich einfach, das neue Autofahren zu erlernen. "Da der Ablauf der Bedienung dieses Gas- und Bremshebels mit der Hand völlig logisch und einfach ist, war es überhaupt nicht schwierig", erzählt Edith.
August war bei seiner ersten Fahrt sogar Stunden unterwegs: "Ich habe vollgetankt und bin dann einfach nur gefahren. Es war so ein tolles Gefühl, wieder allein unterwegs zu sein." All diese Anpassungen können allerdings rasch mehrere Tausend Euro kosten. "Ich hatte Glück, dass ich weiter arbeiten konnte. Doch für viele ist ein Handicap ein Schritt in die Armutsfalle", erzählt August.
Um Behindertenparkplätze nutzen zu dürfen, benötigen Betroffene einen Parkausweis für Menschen mit Behinderungen nach § 29b StVO. Außerdem müssen erhebliche Veränderungen am Fahrzeug, welche die Verkehrs- und Betriebssicherheit beeinflussen, erst behördlich genehmigt werden.
Aus dem Auto in den Rollstuhl
August hat seine eigene Methode, wie er ins Auto hinein und auch wieder rauskommt. Er öffnet die hintere, fahrerseitige Tür mithilfe einer Schubstange, den klappbaren Rollstuhl hievt er vom Fahrersitz aus in Position.
Regelungen Führerschein
Wie sieht es mit dem Autofahren eigentlich gesetzlich aus? Ab wann darf denn überhaupt gefahren werden?
Es gilt der Grundsatz: Ein Fahrzeug darf nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen. Um sich im Fall eines Unfalls gegen eine Regressforderung der Versicherung bestmöglich zu schützen, kann man seine Fahreignung (auch freiwillig) durch den Amtsarzt der Verkehrsbehörde feststellen lassen.
Werden technische Ausgleichseinrichtungen benötigt, um ein Kraftfahrzeug sicher steuern zu können, lässt der Amtsarzt die erteilten Auflagen und Beschränkungen als Zahlencodes in den Führerschein eintragen. Zur Feststellung der benötigten Hilfen kann auch eine Beobachtungsfahrt mit einer technisch sachverständigen Person angeordnet werden.
Auf Reisen
Menschen mit Mobilitätseinschränkungen haben bei Reisen, ob mit Flugzeug, Bahn oder Bus, spezielle Rechte. Etwa auf eine Beförderung oder die Mitnahme von Mobilitätshilfen wie einen Rollstuhl. Schon bei der Buchung wird der Grad der Bewegungseinschränkung bekannt gegeben und bis 48 Stunden vor dem Flug kann zudem der Bedarf an Unterstützung beim Reiseunternehmen oder der Airline angegebenen werden.
Mit ein wenig Wartezeit ist auch eine kurzfristige Betreuung möglich. Von A nach B geht es also recht schnell. Die Organisation fängt aber hier gerade erst an. "Mit einer körperlichen Einschränkung ist es ratsam, gut zu planen. Etwa die Frage, ob das Hotel wirklich vollständig barrierefreie Zimmer hat und welche Medikamente vielleicht auch gekühlt werden müssen. Eventuell werden auch Atteste gebraucht", rät die ÖAMTC-Expertin Barbara Reiter. Ihr Tipp: Wichtigen medizinischen Bedarf immer mit dem Handgepäck transportieren!
Selbstständige Mobilität ist bei guter Planung auch mit Rollstuhl sehr gut möglich.
Barbara Reiter, ÖAMTC-Expertin für Behinderung und Mobilität.
Reise- und Motorsportredakteur mit Rollstuhl? Kein Problem!
Papierkram und Organisation rauben Zeit und Nerven, halten aber wahrhaftig Reisebegeisterte nicht auf. August hat in seiner Zeit als Redakteur zahlreiche Reiseberichte verfasst und das mit einem ganz neuen Blick: "Kreuzfahrten sind ideal für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, die Sehnsucht nach der weiten Welt verspüren. Fliegen ist kein Problem und auch Zugfahrten funktionieren gut. Wichtig ist, rechtzeitig den notwendigen Hilfsbedarf anzumelden."
Mit den Öffis
Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es vielerorts noch Aufholbedarf. "An meinem Hauptwohnsitz im Innviertel sind die Busse nicht barrierefrei und seit der Bahnhof in meinem Heimatort nicht mehr 'besetzt' ist, kann mir niemand mehr beim Einsteigen helfen", beschreibt Edith ihre Situation.
In größeren Städten wie Wien ist das barrierefreie Angebot dank Niederflurfahrzeugen, die dem Boden so nahe wie möglich sind, sowie Bussen, die sich hydraulisch absenken können, bereits auf sehr hohem Niveau. Mithilfe einer Rollstuhlrampe können dann die letzten Zentimeter überwunden werden. Sind behindertengerechte Öffis vorhanden, nutzt Edith dieses Angebot auch gerne: "In Wien genieße ich das schnelle, barrierefreie Von-A-nach-B-Kommen, ohne einen Parkplatz suchen zu müssen", bestätigt Edith. Auch August fährt, wenn er in Wien ist, gern mit der U-Bahn.
Immer mobil bleiben
Der Rollstuhl bedeutet nicht das Ende der Mobilität, sondern lediglich eine Veränderung. August und Edith haben sich den Herausforderungen gestellt und gezeigt, dass es möglich ist, eine selbstständige Mobilität wiederzuerlangen – man muss nur wissen, wie.