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© Sebastian Weissinger
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Dezember 2023

Nervenkitz(büh)el

Für das härteste Schirennen der Welt braucht es die beste Rettungsmannschaft der Welt. Eine Reportage über den ÖAMTC-Notarzthubschrauber beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel.

Es war mucksmäuschenstill. Die Zuschauer im Zielraum der Streif hielten den Atem an. Der norwegische Rennfahrer Henrik Røa hatte sich 2023 bei fast 140 km/h zweimal überschlagen und war ins Ziel gerutscht. Er bewegte sich nicht.

Sofort waren ein Notarzt und ein Sanitäter bei ihm. Innerhalb weniger Sekunden hörte man das beruhigende Knattern des CX. Der eigens bereit­gestellte ÖAMTC-Notarzthubschrauber für das Hahnenkamm-Rennen, kurz CX, ist alljährlich für drei Trainingsläufe und weitere drei Renntage in der dritten Jänner­woche einsatzbereit.

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Die Sondermaschine steht direkt im Zielhang. Die Crew mit Notarzt, Flugretter und Pilot ist jeden Moment abflugfertig. Ein Segen für das schnellste und gefährlichste Abfahrtsrennen der Welt. "Die Kooperation mit der ÖAMTC Flugrettung besteht seit mehr als 25 Jahren und ermöglicht eine Erstversorgung in Minutenschnelle!, sagt Jan Überall, Generalsekretär des Kitzbüheler Ski Clubs, der das Rennen veranstaltet und organisiert.

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Der CX wartet direkt im Zielhang auf seinen Einsatz.

Nur drei Minuten

"Im ersten Schritt sind die direkt an der Schipiste positionierten Rettungskräfte verantwortlich", erklärt Überall. Jeweils ein Notarzt und zwei Bergretter stehen an sieben Stellen entlang der Abfahrt bereit. Sie entscheiden bei einem Sturz über die allerersten Maßnahmen und den Einsatz des Hubschraubers.

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Stefan Pichlsberger kontrolliert alles für den Ernstfall. Der Flugretter ist nahezu jedes Jahr beim Hahnenkamm-Rennen im Einsatz. 

"Wir erhalten einen Funkruf und sind sofort im Flieger und in maximal drei Minuten beim Gestürzten", erzählt Stefan Pichlsberger vom Team der ÖAMTC Flugrettung am Stützpunkt C4 in Reith bei Kitz­bühel. Er ist seit vielen Jahren nahezu jedes Jahr beim Hahnenkamm-Rennen im Einsatz, die Bergetechnik ist seine Kernkompetenz.

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1 Vom Stützpunkt C4 in Reith nahe Kitzbühel geht's zur Streif. © Sebastian Weissinger

2 Die Gams darf auch auch auf der Uniform nicht fehlen. © Sebastian Weissinger

3 Der H135 ÖAMTC-Notarzthubschrauber Christophorus 4 ist bereit.  © Sebastian Weissinger

"Rettung ist Teamwork. Wir alle haben Tausende Einsätze am Berg hinter uns und wissen, was zu tun ist", sagt er und erklärt den Ablauf im Detail: "In Kitzbühel machen wir ausschließlich Taubergungen. Das Tau ist im Zielbereich rund 40 Meter lang, entlang der restlichen Strecke 30 Meter. Der Notarzt und ich fliegen am Tau hängend zum Einsatzbereich an der Strecke. Der Hubschrauber wartet in der Luft, während der Notarzt den Gestürzten versorgt, ich ihn in den Bergesack bette und dann uns und den Sack wieder am Tau fixiere." Der leichte H135 der ÖAMTC Flugrettung mit drei Personen Besatzung ist optimal für alpine Einsätze und für die Taubergung geeignet.

Vom Unfallort geht es zum ersten Zwischenlandepunkt bei einem Fußballplatz im Raum Kitzbühel, von wo ein weiterer Notarzthubschrauber den Transport ins Krankenhaus übernimmt. Der Gelbe Engel übergibt dort den Verletzten innerhalb von nur zehn Minuten und fliegt sofort wieder an seinen Standplatz im Zielbereich zurück. Das Rennen kann weitergehen.

Die Entscheidung für das Krankenhaus trifft der Arzt; St. Johann ist die erste Wahl, Innsbruck oder Salzburg werden angeflogen, wenn eine Maximalversorgung notwendig wird. Der zweite Flug dauert 25 Minuten.

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2024 erneut im Einsatz sind Pilot Martin "Smiley" Kröll und …
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… Flugretter Stefan Pichlsberger. Hinzu kommt noch ein Notarzt.
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Teambesprechung mit den Streckenposten. Der ÖAMTC ist bereits seit 25 Jahren zuverlässiger Partner auf der Streif. 

Der Schirennläufer Henrik Røa wurde 2023 nach St. Johann transportiert. Offener Waden­beinbruch. Der Schock sitzt immer tief. Das gilt auch für Josef Ferstl, der 2022 im Training stürzte: "Ich fühlte mich wie nach einem Vollwaschgang."

Schlimm sei der Horrorsturz des Österreichers Hans Grugger 2011 gewesen, erinnert sich Pichlsberger.

Er besucht uns jedes Jahr zu Weihnachten und bedankt sich für sein Leben.

Martin Kröll, Pilot

Der Notarzt rettete Grugger mit einer Intubation mitten in der Mausefalle das Leben. Seine Schikarriere musste der Rennläufer nach dem Sturz beenden.

"Er besucht uns jedes Jahr zu Weihnachten und bedankt sich für sein Leben", erzählt Pilot Martin "Smiley" Kröll, der ebenfalls 2024 zum Dienst am Hahnenkamm eingeteilt ist. Die gefährlichsten Abschnitte der Strecke seien Steilhang und Mausefalle am Start und der Zielabschnitt, meint Kröll. Hier werden auch die höchsten Geschwindigkeiten gemessen.

Ruhe bewahren unter Druck

Es ist nicht einfach, die richtigen Notärzte für einen Hahnenkamm-Einsatz zu finden. "Die Herausforderung ist, dass wir beim Rennen maximal exponiert sind. Ich muss in Sekundenschnelle über die notwendigen Maßnahmen entscheiden", erklärt Lukas Kirchmair, der leitende Flugrettungsarzt am Stützpunkt C4. "Es ist eiskalt, die Finger frieren, es ist nicht leicht, Nadeln zu legen, die Venen ziehen sich bei Kälte zurück. Hier Ruhe zu bewahren, richtig zu entscheiden, das ist eine Herausforderung. Erfahrung hilft: Alles läuft automatisiert ab, wir kennen unsere Aufgaben", so Kirchmair.

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Erfahrung hilft, um einen schnellen Ablauf zu gewährleisten. 

Flugretter Pichlsberger bestätigt: "Gerade im Zielgelände kann es turbulent zugehen. Menschen geben Tipps, rufen und schreien, Partner und Familie der Verletzten weinen, die Medien halten ihre Kameras direkt auf uns. Die Nervosität erreicht insbesondere am Haupttag, dem Samstag, einen Höhepunkt. Doch die Rettungskette ist perfekt. Wir sind auch während des Slaloms am Sonntag im Einsatz. Da ist das Tempo der Rennläufer viel geringer, aber wir sind trotzdem ready, das gibt es bei keinem Rennen."

Nachdenklich meint Jan Überall: "Ich möchte mir nicht ausmalen, wie das mit Hans Grugger damals ausgegangen wäre ohne die Rettungskette und die Professiona­lität der ÖAMTC-Crew."

Für das Hahnenkammrennen 2024 (16. – 21. Jänner) ist die ÖAMTC Flugrettung wieder bereit. Denn der wilde Ritt über die Streif ist einzigartig. Keiner möchte den Nervenkitzel in Kitz missen – nicht das ÖAMTC-Team, nicht alle Zusehenden vor Ort und vor den Fernsehern, nicht die Organisatoren, die Prominenten, die einmal jährlich zum Schaulaufen in Kitzbühel antreten, und vor allem nicht die Schirennläufer selbst.

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Jan Überall, Generalsekretär des Kitzbüheler Ski Clubs, der das Rennen veranstaltet und organisiert, lobt die Zusammenarbeit mit dem ÖAMTC.

Diese faszinierende wie einzigartige Rennstrecke ist etwas Besonderes, da sind sich alle einig. "Sie ist aufgebaut wie das perfekte Drehbuch mit einzigartiger Dramaturgie", sagt Überall und beschreibt diese im Detail: "Beim Starthaus geht es in der Direttissima runter, rein in die Mausefalle, weiter in den eisi­gen, technisch höchst anspruchsvollen Steilhang. Der Läufer kommt über den Brückenschuss zum Gschöss und bis dahin weder zum Denken noch zum Atmen. Nach dem kurzen Gleitstück steigert es sich wieder langsam über die alte Schneise, Seidlalmsprung und Lärchenschuss-Oberhausberg zur Hausbergkante mit dem Sprung in die Traverse und am Ende mit bis zu 140 km/h ins Ziel. Das ist einfach gnadenlos und packend."

Info: ÖAMTC Flugrettung

Jede Minute zählt. Mit 17 Notarzthubschaubern steht die ÖAMTC Flugrettung an 365 Tagen im Jahr als unverzichtbarer und vielseitiger Bestandteil des Gesundheitssystems für die öster­reichische Bevölkerung im Einsatz.

In der Notfallrettung zählt jede Minute. Ganz gleich, ob Herzinfarkt, Schlaganfall, Verkehrsunfall oder Frühgeburt, ob im gebirgigen Gelände oder in dicht besiedelten Regionen – die Helikopter der ÖAMTC Flugrettung bringen modernste Medizin und hochqualifizierte Notärzt:innen zum Notfallort. An drei Stützpunkten in Nieder­österreich und der Steiermark sogar rund um die Uhr.

Ein Intensivtransporthubschrauber sowie vier saisonal betriebene Winter-Stützpunkte komplettieren die Christophorus-Flotte. Darüber hinaus arbeitet die ÖAMTC Flugrettung permanent daran, die Lebensrettung aus der Luft durch innovative und moderne Lösungen weiterzuentwickeln.

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Bis zum nächsten Einsatz …

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