Pannenhilfe backstage

24 Stunden, 7 Tage die Woche: unterschiedlichste Notfälle, eine Lösung nach der anderen. Was hinter den Kulissen passiert und wie viel Technik, Know-how und Hingabe es braucht, um 2,5 Millionen Mitglieder mobil zu halten.

Wenn an ihren Fahrzeugen technische Probleme auftreten, können sich Mitglieder des ÖAMTC an 365 Tagen rund um die Uhr und bei nahezu jeder Witterung auf ihren Club verlassen.

Rund 80 Prozent aller Pannen werden bereits vor Ort behoben – und in den seltenen Fällen, in denen das nicht möglich sein sollte, wird eine Abschleppung zur Werkstatt organisiert.

Der Mensch steht immer im Vordergrund: So lautet ein Credo des ÖAMTC. Es gilt nicht nur für die über 2,5 Millionen Mitglieder, sondern auch für alle Mitarbeiter:innen, die für schnellstmögliche Nothilfe sorgen. Sie haben über die Jahrzehnte ein ausgeklügeltes System ent­wickelt, um schnellstmöglich Helfen zu können.

Wie es funktioniert und welcher Aufwand schon hinter einer simplen Panne stecken kann, zeigt sich anhand des Tagesablaufs von zwei ­unserer Gelben Engel – Vorhang auf für Dragan Dragucanovic und Leonie Tieber.

Schichtbeginn in der Steiermark

Die Steirerin Leonie Tieber ist 23 Jahre alt, seit neun Jahren beim ÖAMTC und offiziell Europas beste Pannenhelferin. 2016 hat sie in der Polytechnischen Schule in Feldbach erfahren, dass der ÖAMTC Lehrlinge ausbildet, sich sofort beworben und im Sommer 2020 ihre Lehrabschlussprüfung absolviert. Es folgten einige Monate als Prüfdiensttechnikerin am Stützpunkt in Feldbach, wo sie auch aufgewachsen ist.

2021 wurde sie Pannenhelferin in Graz, schon zwei Jahre später kürte sie sich im Rahmen der Europameisterschaft "FIA Road Patrol Contest" zur besten Pannenhelferin Europas.

Als der auto touring Leonie am Stützpunkt Graz-West besucht, ist es kurz vor Mittag – ihr Schichtbeginn. "Für mich ist es jetzt im Kopf ­eigentlich erst früher Morgen, weil ich heute ja bis Mitternacht fahren werde", erzählt sie im südoststeirischen Dialekt, während sie ihr Pannenfahrzeug vorbereitet und mit dem notwendigen Werkzeug samt Ersatzteilen bestückt.

Ältere Herren sind oft skeptisch, wenn ich daherkomme. Das macht mir aber nichts aus.

Leonie Tieber, beste Pannenhelferin Europas, ÖAMTC Graz-West

Ihr Gefährt ist kein normales Pannenauto, wie es viele Clubmitglieder kennen, sondern ein KAP – ein kombiniertes Abschlepp- und Pannenfahrzeug. Der Klein-Lkw auf Mercedes-Sprinter-Basis wiegt 3,5 Tonnen, ist über zwei Meter hoch und hat am Heck eine Vorrichtung für Abschleppungen montiert.

Mit ihrer zarten Statur wirkt Leonie neben dem imposanten Fahrzeug ein wenig verloren. Gleich vorweg beantwortet sie lachend die gar nicht erst gestellte Frage: "Speziell ältere Herren sind manchmal ein bissl verwundert, wenn ich daherkomme. Die Skepsis ist aber spätestens dann weg, wenn ich nach ein paar Minuten ihre Panne behoben habe. Lustig ist’s oft auch mit jungen Burschen. Die stehen mit rotem Kopf hinter mir, wenn ich mich um ihren Reifenschaden kümmere und meinen, dass sie das eigentlich auch selber machen hätten können. Ist mir aber egal, mir geht’s nur darum, dass sie so schnell wie möglich weiterfahren können."

Mit Leonie von Panne zu Panne

Leonies Handy piepst, gleichzeitig wird auf dem Tablet-Bildschirm im Cockpit des KAP ihr erster Einsatz für heute angezeigt: ein liegen gebliebener Citroën C3.

Ihre Aufträge erhält Leonie über Disponent:innen von den vier Einsatzleitzentren des ÖAMTC, die die Pannen-Anfragen der Mitglieder auswerten und sekundenschnell entscheiden, welche Art von Hilfe wo benötigt wird. Anschließend werden die regional zuständigen Pannenfahrer:innen informiert und punktgenau zum Standort des Mitglieds geschickt.

Wir dürfen mit Leonie mitfahren und werden Zeugen, wie sie den defekten Kleinwagen im Stadtgebiet von Graz innerhalb von zehn Minuten wieder flottmacht. Leonie erklärt danach lapidar: "Nix Schlimmes, der Starter hat gesponnen."

Kaum eingestiegen, kommt der nächste Auftrag: Eine halbe Stunde außerhalb von Graz steht ein Mitglied mit dem Auto an einer Ampelkreuzung und kann nicht mehr weg. Wieder ist es ein älterer Citroën, Leonies Diagnose ist diesmal aber weniger erfreulich: gerissener Zahnriemen. Diesen Defekt kann sie nicht vor Ort be­heben, also hievt sie das Auto hinten an ihre Abschlepp-Vorrichtung und bringt es samt Lenkerin umgehend zur Wunsch-Werkstatt.

Unterwegs mit Leonie Tieber

Motivation: helfen wollen

Bis zu 300 Kilometer ist Leonie an einem typischen Arbeitstag in der Steiermark unterwegs. Ist es manchmal auch mühsam?

"Ja, schon. ­Untertags gut zu schlafen, um für eine Nachtschicht fit zu sein, ist nicht immer leicht. Wenn ich gegen Mitternacht noch eine Stunde alleine auf der Straße bin, um irgendwo eine Batterie zu tauschen, werde ich schon müde. Aber ich mag’s trotzdem." Warum?

"Es ist die Kombination aus Kommunikation und Technik. Nur an Autos zu schrauben wäre mir zu langweilig, nur mit Menschen zu reden auch. Beides zusammen ist perfekt." Dazu käme die Abwechslung, sagt sie: Nie zu wissen, was einen erwartet, neue Herausforderungen zu bewältigen, Lösungen für Probleme zu finden. Und natürlich: helfen zu können. Etwa Familien, die auf dem Weg in den Urlaub sind: "Wenn Kinder Danke sagen, das sind die schönsten Einsätze", lächelt Leonie.

Währenddessen in Wien…

Für Dragan Dragucanovic beginnt der Arbeitstag anders als bei seiner steirischen Kollegin – zumindest dann, wenn das stets gut gelaunte Pannenprofi-Urgestein seinen Dienst am Technischen Helpdesk (THD) in der Wiener ÖAMTC-Zentrale antritt.

Nach dem gemeinsamen Frühstück mit seiner Frau und den beiden Kindern macht sich der 45-Jährige auf den Weg nach Wien-Erdberg, und obwohl sein Dienst erst um 8.00 Uhr beginnt, möchte sich "Dragi", wie ihn alle Kolleg:innen nennen, gemütlich auf den oft stressigen Dienst einstellen. Den zweiten Kaffee des noch jungen Tages in der Hand begrüßt er alle im Büro und marschiert zu seinem Platz.

"Was machst du jetzt, Dragi?"

"Wir, das sind meine fünf Kollegen und ich, teilen uns jetzt die Telefon-Dienste über den gesamten Monat auf. Sechs davon werde ich übernehmen."

Rund 30 Anrufe aus ganz Österreich bearbeiten die THD-Profis täglich und unterstützen sowohl Mitglieder als auch Pannenfahrer:innen bei Spezialfällen: Tankt ein Mitglied etwa den falschen Kraftstoff, muss detailliert rückgefragt werden.

Dragi hilft mit seiner jahrelangen Technik-Expertise in Echtzeit auch Kolleg:innen auf der Straße, die immer wieder vor schwierigen Aufgaben stehen: "Ich bin auch Schulungs- und Informationsverantwortlicher und schule die Neuen bei uns ein. Man muss sich bewusst sein, dass der ÖAMTC-Pannendienst nicht mit einem Mechanikerjob in einer Werkstatt zu vergleichen ist", sagt er und erklärt den Unterschied: "Ein praktischer Arzt und ein Notarzt haben dieselbe Basisausbildung, aber die Herausforderung im Alltag ist eine ganz andere."

Mitten im Gespräch klingelt das THD-Telefon. Ein Pannenkollege aus Tirol hat eine Frage. Dragan leitet ihn souverän an, das Problem ist schnell geklärt. "Natürlich benötigen auch Kolleg:innen im Außendienst immer wieder Hilfe. Jede Panne ist anders, da kann es schon knifflig werden. Aber dafür sind wir ja da", lacht er.

Auf Achse im Grätzl

Tags darauf am ÖAMTC-Stützpunkt Brunn am Gebirge in Niederösterreich. Auch hier beginnt der Arbeitstag für Dragan mit Kaffee. "Ich mag es, früher in der Arbeit zu sein, dann kann ich ­alles in Ruhe vorbereiten und mich um Punkt 8 Uhr gut vorbereitet einloggen." Er kontrolliert sein Pannenauto, füllt Bestände auf, entsorgt Autobatterien vom Vortag, fährt das System hoch.

Kaum ist er eingeloggt, wird ihm schon der erste Einsatz von der Zentrale auf sein Display im Cockpit übermittelt: Der Audi einer jungen Frau springt nicht an. Dragan übernimmt den Einsatz und macht sich auf den Weg nach Favoriten, den 10. Wiener Gemeindebezirk. "Mein Bezirk, hier bin ich aufgewachsen", grinst er.

Jede Panne ist anders, da kann es schon knifflig werden.

Dragan Dragucanovic, ÖAMTC-Pannenfahrer-Urgestein

Der Weg zur Panne entspricht einer flotten Sightseeing-Tour durch "sein Grätzl", sprich: Er kennt sich hier wirklich gut aus. Besser als jedes Navi steuert er durch die verwinkelten Gassen und den dichten Verkehr bis zum Ziel. Kein Wunder, dass das Mitglied nicht lange warten muss. Schnell ist das Problem behoben. Wieder einmal wurde eine Batterie getauscht. Es folgt die Abrechnung für das Ersatzteil samt freund­licher Verabschiedung vom dankbaren Mitglied. In vielen Fällen reiche auch die Starthilfe, das sei aber situationsabhängig, sagt Dragan.

Wichtig für ihn bei vielen Einsätzen heutzutage: das korrekte Auslesen der Daten und die Löschung der Fehler aus dem Fahrzeugsystem. "Es ist so wichtig, dass wir Pannenhelfer:innen vor Ort Zugang zu den Fahrzeugdaten haben. Viele Hersteller sehen das aber leider nicht so und erschweren uns den Zugang dazu mittlerweile immer mehr" (siehe Info dazu ganz unten oder hier).

Von einem Einsatz zum nächsten

Kaum ist die neue Batterie in den Audi eingebaut, wartet auf Dragan bereits der nächste Einsatz auf dem Display. Bei der Anfahrt erzählt er: "Viele Fälle in der Stadt sind leere Batterien oder Reifenpannen. Bei platten Reifen ist zumeist Dank beigefügtem Flickzeug eine ­rasche Lösung möglich. Doch es kommt hin und wieder vor, dass ein Reifen irreparabel beschädigt ist und eine Abschleppung nötig wird. "

Ankunft am Pannenort. Dragan diagnostiziert aufgrund von Taubenfedern und Bissspuren im Motorraum des VW Polo sofort: Marderschaden. Die aufgelöste Besitzerin freut sich, dass die vermeintlich süßen Raubtiere kein größeres Malheur angerichtet haben, denn Dragan gelingt es, die angeknabberten Kabel schnell wieder zu flicken: "So kann die Dame jetzt noch in aller Ruhe ihre Einkäufe erledigen und in den nächsten ­Tagen zu ihrer Werkstatt fahren."

Pannenhilfe von Dragan

Was Gelbe Engel antreibt

Am Tag unserer Mitfahrt kann Pannenprofi Dragan im Alleingang 25 Mitgliedern erfolgreich weiterhelfen. "Im Oktober feiern wir in Wien das 70-jährige Jubiläum der ÖAMTC-Pannen­hilfe. Ich bin schon sehr stolz darauf, in den letzten 20 Jahren ein Teil dieser Erfolgsgeschichte gewesen zu sein."

Was ihn antreibt? "Mit einem Lächeln in den Tag zu starten. Höflich, geduldig, ruhig und auch ­unter Stress professionell zu bleiben", lacht Dragan. "Im Endeffekt sollen ja das Mitglied und ich selbst auch zufrieden sein, oder?"

Auf einen Blick

Wenn die Pannenfahrer:innen des ÖAMTC zu einem Einsatz gerufen werden, steckt dahinter ein ausgeklügeltes System, auf das sich Clubmitglieder seit vielen Jahren verlassen können. Erhält die Einsatzzentrale eine Pannenmeldung, wird in Sekunden entschieden, welche Art von Hilfe wo genau benötigt wird.

Disponent:innen informieren daraufhin jene Gelben Engel über ein Display in ihren Fahrzeugen, die am schnellsten vor Ort sein können. Ein Pannenprofi macht sich dann auf den Weg, um rasches tmöglich zu helfen.

In 80 Prozent aller Fälle kann die Panne noch direkt vor Ort wieder behoben werden.

Info: Mitgliedschaft & Schutzbrief

Die Mitgliedschaft beim ÖAMTC umfasst Leistungen wie die Fahrzeug-Pannenhilfe rund um die Uhr und im Falle einer nicht behebbaren Panne die kostenlose Abschleppung des defekten Fahrzeugs zur nächstgelegenen passenden Werkstatt (innerhalb Österreichs).

Damit Clubmitglieder auch dann mobil bleiben können, stehen österreichweit 350 Clubmobile als Ersatzfahrzeuge bereit – bei Bedarf bis zu vier Tage kostenlos.

Im Pannenfall auch in der Mitgliedschaft inkludiert: zum Beispiel der Transport zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel oder die Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten. Ebenfalls gut zu wissen: Mitglieder erhalten von Clubjurist:innen kostenlose Hilfe in allen Rechtsfragen rund um Auto, Verkehr, Reise und Freizeit.

Alle Details zur ÖAMTC-Mitgliedschaft unter www.oeamtc.at/mitgliedschaft

Zusätzlich zur normalen Mitgliedschaft gibt es außerdem den Schutzbrief, der weitere Leistungen samt umfassender Nothilfe im In- und Ausland bietet. Darin inkludiert sind unter anderem (Auszug): Hubschrauber-Rettung nach Freizeit-Alpinunfällen in Österreich bzw. Hubschrauber-Rettung/-bergung im Ausland, Kranken- und Kinder-Rückholung, Fahrzeug-Rückholung, Krankenschutz im Ausland, Heim- oder Weiterreise etwa nach Unfall oder Erkrankung, Wildschadenhilfe und vieles mehr.

Für wen gilt der Schutzbrief? Für den/die Inhaber:in als auch Partner:innen im selben Haushalt sowie deren Kinder bis 19 Jahre, selbst wenn alle getrennt verreisen.

Der Gültigkeitsbereich des Schutzbriefs umfasst Österreich, alle Länder Europas, alle Mittelmeerinseln und die außereuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten, die Kanarischen Inseln, die Azoren, Madeira sowie die Russische Föderation.

Alle Details zum ÖAMTC-Schutzbrief unter www.oeamtc.at/schutzbrief

Info: Mein Auto, meine Daten

Um bei Pannen helfen zu können, müssen die ÖAMTC-Pannenfahrer:innen einen freien Zugang zu den Daten im Fahrzeug erhalten. Ohne diesen würde bereits die Behebung ganz alltäglicher Pannen (wie der Tausch einer Batterie) bei vielen Autos extrem erschwert.

Der Grund: Autos sind heute fahrende Computer, die ständig Daten sammeln und austauschen. Ohne das Auslesen und die Löschung von Fehlercodes oder dem Anlernen der neuen Batterie über den OBD-Diagnosestecker wäre eine Reparatur vor Ort nicht mehr möglich – und eine Abschleppung zwingend.

Im Sinne seiner Mitglieder ist es dem ÖAMTC deshalb ein großes Anliegen, dass die Daten der Fahrzeuge bei den jeweiligen Fahrzeughalter:innen bleiben und nicht bloß bei den Herstellern. Nur so kann der Club auch weiterhin eine konsumentenfreundliche, günstige und schnelle Pannenhilfe garantieren. Ginge es nämlich nach dem Willen mancher Fahrzeug-Hersteller, bräuchte es künftig einen elektronischen Zugriffsschlüssel, der im Pannenfall kostenpflichtig online abgerufen werden müsste.