Später Abend in Berlin-Kreuzberg. Ich trete von der Straße in einen unbeleuchteten Innenhof und taste mich mit meinem vollgepackten Armee-Rucksack die Mauern entlang. Irgendwo hier muss doch der Eingang sein, denke ich, als plötzlich eine Gestalt mit Kapuzenpullover aus dem Schatten eines Stiegenaufgangs auf mich zutritt. Ich erschrecke, das Gesicht ist in der Finsternis nicht zu erkennen.
"Schön, dass du da bist", sagt die Figur und umarmt mich. Wir drehen uns ins Gegenlicht und mein Schreck weicht wohliger Erleichterung: Es ist Thees Uhlmann.
Der norddeutsche Rocksänger, dem von Medien gerne der Nimbus des "Bruce Springsteen vom Deich" angedichtet wird, hat mich eingeladen, ihn und seine Band sowie ihre Kollegen von Kettcar eine Woche lang auf der 15-Jahre-Jubiläumstour ihres gemeinsamen Musiklabels Grand Hotel van Cleef zu begleiten. Und zwar ganz intim und rund um die Uhr: Ich darf bei Thees im Tourbus schlafen, bei den Konzerten backstage dabei sein und auch überall sonst meine neugierige Nase hineinstecken, wo Journalisten im Normalfall der Zutritt verwehrt wird.
Sprich: eine absolute Ausnahme. Und für mich als pathologischen Musikfetischisten der Himmel auf Erden.
Es soll in dieser Reportage allerdings nicht in erster Linie um die persönlichen Befindlichkeiten der höchst aufgeregten Schreibkraft gehen, sondern wir wollen zeigen, dass das Rockstar-Klischee vom "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Leben auf der Straße vielleicht gar nicht in der romantisierten Ausschweifung zutrifft, wie viele Fans es gern glauben möchten.
Keine Angst: Die mythische Aura des tourenden Musikers bleibt während der folgenden Zeilen unangetastet. Nicht aber die falsche Vorstellung, dass eine Band bloß 90 Minuten pro Nacht arbeiten muss.
(Lese-Hinweis: Wir haben diese ausgedehnte Geschichte mit einer prognostizierten Lesezeit von etwa 15 Minuten großteils als Foto-Roman konzipiert. Der rote Faden erschließt sich in vollem Umfang nur dann, wenn Sie auch die Bildstrecken konsultieren.)
Kommentare