Sparen ist angesagt
Eine Möglichkeit: langsamer fahren. Das ist aber bei Weitem nicht die einzige. Ein Test mit Tempo 100 auf der Autobahn.
Die Physik macht keine Kompromisse: Fortbewegung braucht Energie. Je schneller, desto mehr – um die Geschwindigkeit zu erreichen, die Masse in Bewegung zu halten, den ansteigenden Luftwiderstand zu überwinden.
Oder umgekehrt: weniger Geschwindigkeit, weniger Energiebedarf. Temporeduktion spart Kraftstoff.
Bei den derzeitigen Spritpreisen wollen das viele. Tatsächlich kann auf Einzelfahrten mit hohem Autobahnanteil – und nur dort – die individuelle Einsparung 20 bis 30 Prozent betragen, wenn man maximal 100 km/h statt 130 fährt.
Doch das rechtfertigt kein allgemeines Tempolimit von 100 km/h. Denn umgelegt auf den gesamten Verkehr in Österreich bleibt nur ein magerer Spareffekt von 1 bis 3 Prozent übrig. (Erläuterung unten.)
Vergleichs-Testfahrt: Was bringt Tempo 100 wirklich?
auto touring hat es ausprobiert: Wir haben mit drei Autos je zweimal dieselbe Strecke auf der Autobahn zurückgelegt – einmal unter Ausnützung der maximal erlaubten Geschwindigkeit von 130 km/h, einmal unter Einhaltung von Höchsttempo 100.
Ein Praxistest mit einigen auf der Strecke dauerhaft bestehenden und auch temporären Tempolimits (z.B. in Baustellenbereichen) und mit normalem Wochentags-, auch Schwerverkehr.
Wir wählten dafür eine Strecke mit hohem 130-km/h-Autobahnanteil: vom ÖAMTC Mobilitätszentrum in Wien-Erdberg über A23, A21 und A1 (Westautobahn) zur Autobahn-Raststation St. Valentin/NÖ und wieder zurück. Die Distanz beträgt 170 km, getankt wurde vor dem Start in Wien und nach der Rückkehr, nach insgesamt 340 km, wieder an derselben Tankstelle.
An Tag 1 wurden alle bestehenden Tempolimits voll ausgeschöpft. Wo immer möglich, fuhren wir 130 km/h.
An Tag 2 war Selbstbeschränkung angesagt: niemals über 100 km/h.
An beiden Tagen herrschte mäßiges Verkehrsaufkommen, es gab nicht viele Baustellen. Viele 100er- oder 80er-Tempolimits auf der Route – oder gar Stau – hätten das Ergebnis verfälschen können.
Als Testfahrzeuge wählten wir einen Kleinwagen mit Dreizylindermotor (Škoda Fabia), ein Allrad-SUV mit Turbodiesel (Mazda CX-5 AWD) und als Beispiel für einen älteren Gebrauchtwagen, zugleich für die beliebte Klasse geräumiger Familienkombis, einen E-Klasse-Mercedes, Bj. 2003.
Das kam dabei heraus:
Langsamer fahren wirkt also. Dass das SUV den höchsten Spareffekt der drei Testfahrzeuge hat, ist vermutlich auf den Luftwiderstand zurückzuführen.
Zeitverlust
Je Fahrtrichtung (Wien–St. Valentin, St. Valentin–Wien) brauchten wir an Tag 2 für die 170 Kilometer zwischen 17 und 22 Minuten länger als am Vortag, für die 340 Kilometer lange Gesamtstrecke, je nach Testfahrzeug, zwischen 36 und 41 Minuten länger. Ein Zeitverlust von rund 20 Prozent muss also für so eine Distanz einkalkuliert werden.
Was bei Tempo 100 auffiel: Die Geschwindigkeitsdifferenz zu Lkw, die wir überholten, ist unangenehm gering. Das verlängert Überholvorgänge gewaltig. Waren drei Fahrstreifen vorhanden, konnte schnellerer Verkehr uns links überholen, auf zweistreifigen Streckenabschnitten war’s für Hinterherfahrende ein Geduldspiel.
Aber…
Leider lässt sich die Verbrauchseinsparung nicht bei jeder Fahrt – und praktisch nie auf den gesamten 100 Prozent einer Fahrt realisieren. Einfach weil niemand vom Start weg bis zu seinem Ziel ausschließlich 130 auf der Autobahn fährt, und selbst dort gibt es ja Überholvorgänge, Baustellen, manchmal Stau und immer wieder Tempolimits, die schon jetzt zu beachten sind.
Bei Testfahrt 1 konnten wir einen relativ großen Streckenanteil mehr oder weniger konstant 130 fahren. Auf 16 Prozent der Gesamtstrecke bestanden jedoch Geschwindigkeitsbeschränkungen, das Sparpotenzial durch Tempo 100 auf Testfahrt 2 konnte also von vornherein nur auf 84 Prozent der Distanz ausgeschöpft werden.
Beispiel aus der Praxis
Um diese Einschränkung mit einem anschaulichen Beispiel aus dem Leben einer Pendlerin zu illustrieren: Angenommen, Frau A. fährt mit dem Auto von Eisenstadt nach Wien, das sind 54 Kilometer. Einen Großteil der Strecke legt sie auf Autobahnen zurück, aber 130 km/h sind nur auf 25 Kilometern davon erlaubt. Wer also meint, sie könnte auf dieser Fahrt durch Tempo 100 ihren Spritverbrauch um 20 bis 30 Prozent senken, liegt falsch: Auf 54 Prozent ihres Weges bringt ihr ein niedrigeres Tempolimit als das bisher bestehende gar nichts.
Das zeigt: Je geringer der 130-km/h-Autobahnanteil an einer Fahrt, umso weniger kann eine Senkung des Tempolimits von 130 auf 100 eine Ersparnis bewirken. Das mit unseren drei Beispiel-Autos erzielte Einsparungspotenzial kommt also keineswegs jederzeit und überall wirklich voll zum Tragen.
Wieso ein Tempolimit fast nichts bringt
Woher kommt die eingangs erwähnte Zahl von 1 bis 3 Prozent?
Nur rund ein Drittel der Gesamtverkehrsleistung in Österreich (das sind die von allen Fahrzeugen zurückgelegten Kilometer) wird von Pkw auf Autobahnen erbracht. Mehr als die Hälfte davon findet schon jetzt in Bereichen mit Geschwindigkeitsbeschränkung statt.
Viel entscheidender als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit sind daher die erzielten Durchschnittsgeschwindigkeiten – und die sind deutlich niedriger. Bei Testfahrt 1 mit maximal 130 km/h erreichten wir einen Schnitt von 107 km/h, bei Testfahrt 2 weniger als 90 km/h.
Mit anderen Worten: Wenn der zurückgelegte Mix aus Stadtverkehr, Landstraßen, Baustellen und Stop-and-go-Verkehr nicht auch einen hohen Autobahnanteil enthält, auf dem 130 km/h…
Ein Gesetz und staatliche Sanktionen sind nicht nötig. Überzeugen ist besser als strafen.
Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung
1. erlaubt sind,
2. verkehrsbedingt auch gefahren werden können und
3. auch tatsächlich konsequent gefahren werden,
bleibt also von dem bei Tempo 100 herausgefahrenen Minderverbrauch auf diesen Teilstrecken am Ende nicht mehr viel übrig.
Daher ist zwar für einzelne Autofahrer:innen auf einer längeren Strecke ein Einsparpotenzial von 20 bis 30 Prozent drin, rechnet man aber alle Faktoren zusammen (Stadtverkehr, Autobahnbaustellen, Schwerverkehr), reduziert sich die insgesamt mögliche Ersparnis für Österreich bei Einführung eines allgemeinen Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen auf die genannten 1 bis 3 Prozent.
Das bestätigen im Übrigen auch die Experten des Umweltbundesamts: Eine "Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h auf Autobahnen und Schnellstraßen für alle Pkw", heißt es im 2019 herausgegebenen "Sachstandsbericht Mobilität", hätte das Potenzial, den Ausstoß von 460.000 Tonnen CO2-Äquivalent einzusparen. Umgerechnet in Benzin- oder Diesel-Kraftstoff entspricht dies rund 180 Millionen Litern.
Das ist nicht wenig, entspricht aber dennoch nur knapp 2 Prozent der in Österreich pro Jahr vertankten Spritmenge von rund 10 Milliarden Litern.
Klar, für die weiter oben erwähnte Frau A. aus Eisenstadt ist es an der Tankstelle und im Geldbörsel durchaus spürbar, wenn sie individuell beschließt, ihre üblicherweise gefahrenen Geschwindigkeiten zu verringern. Doch das kann sie jetzt schon tun, wann immer sie möchte, ohne allgemeines Tempolimit.
Es ist nicht notwendig und auch nicht sinnvoll, dass jede vernünftige Handlungsweise vom Gesetzgeber vorgeschrieben wird. Bewusstseinsbildung ist das Wichtigste, deshalb heißt die Devise des ÖAMTC schon seit über vierzig Jahren "Gleiten statt Hetzen!"
Umfrage: 68 Prozent für Beibehaltung von Tempo 130
In einer repräsentativen Umfrage, die der ÖAMTC Anfang August in Auftrag gegeben hat, plädieren zwei Drittel der Befragten dafür, die bestehenden Tempolimits unverändert beizubehalten – ÖAMTC-Mitglieder (67%) und Nichtmitglieder (69%) gleichermaßen.
13 Prozent würden niedrigere Tempolimits begrüßen, aber 17 Prozent wollen sogar schneller fahren dürfen als 130 km/h.
Nach einer möglichen Einführung von Autobahntempo 100 befragt, beurteilen 59 % eine solche Regelung auf einer vierstufigen Skala negativ (davon 32% "sehr schlecht"), während nur 35% sie befürworten.
Dazu Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung: "Gesetzlich verordnete niedrigere Tempolimits hätten gesamtheitlich betrachtet einen recht überschaubaren Effekt. Jeder und jede kann und soll aber selbst etwas für vernünftiges Spritsparen tun. Überzeugen ist auf jeden Fall besser als strafen."
Was die Politik tun kann
Auch Bund, Länder und Kommunen können und sollten dazu beitragen: etwa durch Ampelschaltungen, die innerorts einen gleichmäßigen Fahrstil ermöglichen. Laut einer Studie der TU Wien lässt sich der Spritverbrauch auf einer Strecke mit 10 Ampeln durch die "Grüne Welle" um durchschnittlich 57 Prozent senken.
Ebenso bieten die Förderung von Fahrgemeinschaften, das Verhindern von "Elefantenrennen" von Schwerfahrzeugen auf Autobahnen (das Pkw-Fahrinnen und Fahrern ein konstantes, spritsparendes Fahren erleichtern würde) oder der Ausbau von Home-Office-Möglichkeiten, wie sie wegen der Corona-Pandemie mittlerweile ohnehin in vielen Berufsbranchen verbreitet sind, großes Spritsparpotenzial – weil Pendler:innen sich dadurch Arbeitswege ersparen.
Fazit: Auch ohne gesetzlichen Zwang kann jede und jeder Einzelne dazu beitragen, einerseits ihren/seinen persönlichen Verbrauch zu senken und damit andererseits den Energiebedarf Österreichs insgesamt zu verringern. Denn Spritsparen ist weitaus mehr als nur langsamer fahren.
Hier finden Sie Praxistipps des ÖAMTC zum Spritsparen.
Hier finden Sie die ÖAMTC-Podcasts zur Vergleichs-Testfahrt (#21) und zum Thema Spritsparen (#11).
Das größte Spritspar-Potenzial liegt im rechten Fuß des Fahrers/der Fahrerin. Gleichmäßiges und vorausschauendes Fahren, keine unnötige Beschleunigung und niedrige Drehzahlen sind der Schlüssel zu geringem Kraftstoffverbrauch.