— Wie wird sich der weltweite Flug- und Reiseverkehr durch Covid-19 verändern?
Julian Jäger:Covid-19 hat die Luftfahrt in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Am Flughafen Wien verzeichnen wir Passagierrückgänge von mehr als 80 Prozent, das wird sich leider in den nächsten Monaten nicht wesentlich verbessern.
— Das Wachstum der letzten Jahre war hoch, kommt der Boom zurück? Wenn ja: In welchen Zeiträumen rechnen Sie aktuell?
Julian Jäger:Die gesamte Luftfahrt- und Tourismusbranche muss sich auf einen harten Herbst und Winter einstellen, es wird noch einmal schlechter, bevor es besser wird. Wir hoffen jedenfalls, dass die Entwicklungen spätestens nächstes Jahr in den Sommerferien zumindest in Richtung Normalität geht.
So schwer eine Prognose auch ist, wir gehen derzeit von Passagierzahlen von etwa 50 Prozent des Jahres 2019 für das Jahr 2021 aus. Wir hoffen auf den Sommerflugplan 2021. Eine weltweite Erholung der Luftfahrt kann noch einige Zeit dauern. Aber so tiefgreifend diese Krise auch ist, langfristig wird der Flugverkehr sogar weiter wachsen.
— Wovon hängt die Zukunft ab?
Julian Jäger:Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Derzeit behindern sich die einzelnen EU-Staaten mit nationalen Einreise- und Quarantänebestimmungen gegenseitig. Menschen können nur mehr unter strengen Auflagen reisen und darunter leiden alle Wirtschafts- und Tourismusregionen. Wir brauchen dringend europaweit einheitliche Reisebestimmungen. In China, wo es innerhalb des Landes keine unterschiedlichen Regelungen gibt, ziehen Wirtschaft und Tourismus bereits wieder an.
— Wie werden sich die Flugpreise entwickeln?
Julian Jäger:Die Krise verschärft den Konkurrenzkampf zwischen den Airlines und einzelne Fluglinien versuchen mit günstigen Preisen den Markt zu stimulieren. Derzeit ist die Unsicherheit unter den Reisenden aber so groß, dass auch günstige Preise nicht für mehr Passagiere sorgen.
— Wie verändert sich der Boarding-Prozess?
Julian Jäger:Fliegen hat schon heute extrem hohe Sicherheitsstandards, nicht zuletzt durch 9/11. Nun kommt das Thema Gesundheit hinzu. Die Mund-Nasen-Schutz-Pflicht oder Plexiglasschutz an den Check-in-Schaltern werden wohl länger bleiben. Mittels Wärmebildkameras messen wir die Körpertemperatur ankommender Reisender.
Wie bei den Sicherheitskontrollen braucht es auch hier internationale Standards, das würde die Reisetätigkeit für Passagiere deutlich erleichtern. Daran wird bereits gearbeitet: Der Flughafen Wien ist Test-Airport der europäischen Flugsicherheitsorganisation EASA. Unsere Erfahrungen fließen in die Gestaltung internationaler Sicherheits- und Gesundheitsstandards ein. Das Flugzeug weist schon jetzt eine deutlich bessere Lüftung als jedes andere Verkehrsmittel auf. Corona-Schnelltests bringen zusätzliche Sicherheit.
— Bedeutet die Pandemie das Ende großer Flieger? Neben älteren Modellen werden nun auch jüngere Modelle wie der A380 ausgemustert. Der größte Flugzeugabstellplatz Europas in Teruel in Spanien ist mehr als überfüllt.
Julian Jäger:Die Krise beschleunigt Trends wie das Ende für den A380. Viele Airlines flotten ältere und unwirtschaftlichere Modelle aus und setzen auf moderne Flugzeugtypen. Nachhaltigkeit spielt eine wichtige Rolle. Der Boeing 787 Dreamliner ist eines der umweltfreundlichsten Flugzeuge der Welt und bei vielen Airlines im Einsatz. Die Zukunft liegt aus meiner Sicht in Kohlendioxid-neutralem Treibstoff, dann kann die Luftfahrt langfristig wachsen. Hier braucht es mehr Investitionen in der Forschung.
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