14 Kilometer westwärts
Teil 5 unserer Serie "Autoland Österreich": Von der Tiroler Seite aus tauchen wir in Österreichs längstes Wurmloch ein, den Arlberg-Straßentunnel. Und lüften die Geheimnisse des Mega-Bauwerks.
Sprachlich besonders peniblen Leserinnen und Lesern könnte unser Titel zu dieser Geschichte durchaus ein Dorn im Auge sein. Schließlich führt der Arlberg-Straßentunnel nicht bloß in eine Himmelsrichtung, sondern natürlich deren zwei, beinhaltet folglich also Gegenverkehr: Er verbindet lokal unsere beiden westlichsten Bundesländer, fungiert überregional aber auch als schnelle Alpen-Underground-Connection in mitteleuropäischer Longitudinal-Ausrichtung.
Wir kommen für diese Reportage auf der Landkarte heute "von rechts", also aus dem Osten. Ein Großteil des Arlberg-Tunnels befindet sich nämlich auf Tiroler Boden, weshalb wir in Kürze auch von dort starten werden. So wie dieser anonyme Biker, der eine komplette Durchfahrt mitgefilmt hat…
Warum sind wir heute aber überhaupt hier? Weil die ASFINAG, oberste Instanz des heimischen Straßennetzes, den auto touring exklusiv eingeladen hat, zwei Tage vor der offiziellen Wiedereröffnung des Tunnels (nach der mehrmonatigen Sperre im Vorjahr) ganz alleine dessen Innerstes zu erkunden. Wir dürfen einsam durch die ewig lange Röhre fahren, unser Auto mitten im Tunnel quer über die Fahrbahn parken, uns flach auf den Asphalt legen und dem meditativen Luftzug lauschen, sprich: alles tun, was keinem der x-tausend Menschen, die hier täglich im Blechkastl durchzischen, im Normalfall erlaubt ist.
Wir bekommen gleich aber auch einen höchst seltenen Einblick in die Eingeweide eines technischen und architektonischen Wunderwerks, dessen ursprüngliche Konstruktion und laufende Anpassung nur zweierlei im Sinn haben: Mobilität und Sicherheit.
Willkommen im Arlberg-Straßentunnel.
Was Gott durch den Arlberg getrennt hat, hätte der Mensch nicht durch den Tunnel verbinden dürfen.
Westösterreichischer Schwank, gern am Stammtisch überliefert. Urheber unbekannt, Ablaufdatum überfällig.
Zahlen, Daten, Fakten
Grund für den Bau des Straßentunnels war ursprünglich die Tatsache, dass die bis dahin bestehende Verbindung zwischen den Bundesländern Tirol und Vorarlberg, die Arlberg-Passstraße, den stetig zunehmenden Verkehr in den 1970er-Jahren schlicht nicht mehr stemmen konnte. Man entschied sich deshalb für eine Lösung durch den Berg, die eine wintersichere Alternative zur Pass-Überquerung darstellen sollte.
Zur Finanzierung des Monster-Vorhabens wurde 1973 die Arlberg-Straßentunnel Aktiengesellschaft (ASTAG) gegründet, deren Anteile zu 60 Prozent dem Bund, zu 26 Prozent dem Land Tirol und zu 14 Prozent dem Land Vorarlberg gehörten. Die Gesellschaft ging später in der heutigen ASFINAG auf. Die Baukosten betrugen 4,8 Milliarden Schilling, inflationsbereinigt entspricht das aktuell knapp 1 Milliarde Euro.
Am 1. Juni 1974 begannen die Arbeiten, der Tunnel-Durchstich erfolgte am 9. Oktober 1977. Am 1. Dezember 1978 wurde die neue Verbindung schließlich für den Verkehr freigegeben. Obwohl das Gebirgsverhalten nicht den Erwartungen entsprach und insbesondere übermäßige Gesteinsbewegungen abgefangen werden mussten, konnten alle Baufristen eingehalten werden.
Eigentlich besteht der Tunnel sogar aus deren zwei, da parallel zur Straße auch der Arlberg-Eisenbahntunnel verläuft. Zwischen beiden Röhren bestehen Verbindungsstollen, die durch Schleusen vom Fahrraum getrennt sind und Sammelräume aufweisen, die im Notfall fast 1.000 Menschen Platz bieten (mehr dazu später).
Zählt man alle Einfahrts-Bauwerke wie die Galerien auf beiden Seiten dazu, beträgt die Gesamtlänge 15.537 Meter. Die Tunnelbreite beträgt 9,40 Meter, davon entfallen 7,50 Meter auf die Fahrbahn und je 0,95 Meter auf die Gehsteige.
2017 führte die ASFINAG die jüngste Generalsanierung durch, bei der die Sicherheitstechnik des Tunnels auf den modernsten Stand gebracht wurde. Die dafür notwendige Vollsperre dauerte vom 24. April bis zum 29. September 2017.
Was in dieser Zeit im Detail verbessert wurde und warum der Arlberg-Straßentunnel zu den sichersten seiner Gattung zählt, wollen wir uns jetzt genauer ansehen…
Vom Licht ins Dunkle
Exkurs: keine Angst vor Tunnelfahrten!
Gar nicht so wenige Menschen leiden an Tunnelphobie, einer Sonderform der Klaustrophobie, also der Angst vor oder in geschlossenen Räumen. Betroffene meiden oft Tunnelfahrten und nehmen dabei mitunter große Umwege in Kauf.
Hilfreich zur langfristigen Bewältigung ist neben einer eventuellen psychotherapeutischen Behandlung vor allem auch das Wissen um das korrekte Verhalten bei unvorhergesehenen Zwischenfällen im Tunnel, wie etwa Pannen oder Unfällen.
Tipps, wie man richtig, angstfrei und sicher durch die vermeintlich gefährliche Röhre kommt, hat die ASFINAG im folgenden Video schön zusammengefasst. Noch mehr Sicherheitseinrichtungen werden wir im Anschluss vor Ort weiter unter die Lupe nehmen…
Sicher ist sicher!