Der Wunder-Hybrid aus Vorarlberg
Teil 1 unserer Serie "Autoland Österreich": Wie das Lustenauer Unternehmen Obrist die Nachteile von Verbrenner- und Elektromobilität ausmerzt und eine bessere Autozukunft erfindet. Ein Werksbesuch samt Testfahrt mit dem "HyperHybrid".
Etwa zwei Millionen Euro, Entwicklungskosten eingerechnet, würde das unauffällige Einzelstück, das Sie oben sehen, kosten – wenn Sie es kaufen könnten. Eine schillernde Augenweide hätten Sie damit freilich nicht erstanden, wie unschwer zu erkennen ist: Trotz seines mehr als exklusiven Prototypen-Status würde es keinen Türsteher vorm Nobelhotel hinter seinem Pult hervorlocken, um Ihnen mit dem Gepäck zu helfen.
Was macht dieses Ding also so besonders?
Nun, zuerst einmal gar nichts. Rein optisch handelt es sich nämlich um einen chinesischen Geely EC7, Stufenheck der unteren Mittelklasse und atmosphärisch vielleicht vergleichbar mit einem minimal ausgestatteten Opel Astra der Vorvorgänger-Generation.
Aber: Es ist damit ein perfektes Symbol für das globale Massen-Durchschnittsauto, das sich Bezieher von kleineren bis mittleren Einkommen in der Regel leisten können – und gerade deshalb das wichtigste Auto der Welt, wenn man vorhat, unsere Umwelt nachhaltig zu verbessern.
Sagt Frank Obrist, Gründer des Vorarlberger 35-Personen-Unternehmens, das seinen Nachnamen trägt. Und mit seinem Know-how unsere Zukunft sauberer zu machen, das hat sich der Mann zur Lebensaufgabe gemacht, wie wir bei unserem Besuch im Ländle feststellen, als wir seine Erfindung namens "HyperHybrid" im Wortsinn hautnah erfahren dürfen…
Ich liebe es, über nachhaltige Lösungen für die Umwelt nachzudenken. Das Schlüsselziel ist, umweltschonende Mobilität bereitzustellen, die noch für viele Generationen nützlich ist.
Frank Obrist, Gründer und CEO der Obrist Group
Was ist und kann der Obrist HyperHybrid?
Grundsätzlich handelt es sich um ein serielles Plug-in-Hybridsystem, das die Nachteile von Verbrennungs- und Elektromotoren weitgehend beseitigt. Es ist sparsamer, günstiger in der Produktion und baut kleiner als die bekannten (Parallel-)Hybride, bietet aber auch alle Vorzüge der Elektromobilität – minus Reichweitenangst, fehlende Lade-Infrastruktur oder exorbitante Preise. Mehr dazu weiter unten en detail.
Und so funktioniert’s: Ein kleiner 1,0-Liter-54-PS-Zweizylinder-Benzinmotor mit Obrist-Patent dient via Generator als Stromerzeuger und speist eine extrem kompakte (bereits für die Serienfertigung standardisierte) 11-kWh-Batterie, die in jedes Auto passt. Es gibt keine mechanische Verbindung zwischen Benzinaggregat und Rädern, diese werden stets vom 85-kW-Elektromotor angetrieben, der sich aus dem Akku bedient.
Der Trick ist: Die Einheit arbeitet fast permanent im optimalen Lastbereich und gibt nur soviel Leistung ab wie im Moment benötigt wird. Der Motor schaltet sich also nur dazu, wenn er wirklich gebraucht wird, alles Dynamische kommt ausschließlich aus der Batterie. Wir werden bei unserer Testfahrt später noch darauf zurückkommen.
Jetzt wollen wir uns aber zuerst einmal im Obrist-Hauptquartier umsehen…
Werksbesuch in Lustenau
Ab 2025 um 18.000 Euro zu kaufen?
Für die Marktchancen des patentierten HyperHybrid interessant: Obrist kalkuliert, dass ein damit ausgestattetes Mittelklasse-Auto um 18.000 Euro an den Kunden verkauft werden kann: "Das ist der Preis, den man erreichen muss, wenn man signifikanten Einfluss auf die Mobilität haben will, nicht 100.000 wie bei Tesla." Sprich: Das ist die finanzielle Schwelle, mit der man die mobile Welt en gros in Richtung Elektrifizierung biegen kann.
Wann er mit dem Masseneinsatz seiner Idee rechnet, wollen wir von Frank Obrist wissen: "2025, dann haben wir bereits 50 Prozent Kostenvorteil gegenüber puren Elektroautos."
Rund 60 Kilometer sind mit dem HyperHybrid übrigens rein elektrisch drinnen, das reicht für die durchschnittlichen Tagesstrecken der meisten Autofahrer völlig aus. Im kombinierten Alltagsverbrauch unter realistischen Bedingungen samt längerer Autobahn-Etappen etc. geht sich dann ein Verbrauch von weniger als 3 Liter Benzin aus. Das sind nur 60 Prozent des durchschnittlichen Praxisverbrauchs eines aktuellen Toyota Prius.
Stichwort Toyota Prius, samt O-Ton Frank Obrist: "Alle Hersteller haben bisher immer den Parallel-Hybrid favorisiert. Der Standardmotor dazu fällt ja quasi vom Serien-Band, und dann hängt man halt ein wenig Elektrifizierung dazu. Rein elektrisch kann ich damit im besten Fall ein bisschen mehr als schleichen, denn sobald ich etwa in der Stadt etwas mehr Gas gebe, springt sofort der Verbrenner ein und ich komme vom Fünfstern-Fahrfeeling in den Einstern-Bereich, wo ich einen erbärmlichen Benziner oder Diesel habe, der nur einen Haufen Lärm macht und sonst nichts. Das ist der Grund, warum die Masse sowas noch nicht kauft und sich alle Hersteller wundern, dass niemand einen Hybrid will."
Wir bemerken: Frank Obrist ist ein erfreulich geradliniger Gesprächspartner, der sich nicht scheut, seine Sicht der Dinge beim Namen zu nennen. Fade 08/15-Floskeln gibt's von ihm nicht. Ein paar Beispiele gefällig?
5 Fragen: Firmenboss Frank Obrist über…
Die Vor- und Nachteile des Konzepts
Wir verbuchen zuerst auf der Plus-Seite…
* Der HyperHybrid ist KEIN Range-Extender-System. Alles Fahrdynamische kommt immer aus der Batterie. Frank Obrist: "Darauf bin ich ganz allergisch. Es steckt ja schon im Namen 'Range Extender' alles drinnen, was da von Ingenieursseite fundamental falsch gemacht wird. Warum sollte ich ein Elektroauto kaufen, bei dem erst recht wieder ein konventioneller Verbrenner die ganze Arbeit verrichtet, wenn die Akkus leer sind? Der BMW i3 ist das beste Beispiel für diesen Unsinn."
* Ein Mittelklasse-Fahrzeug mit HyperHybrid kann um unter 20.000 Euro an den Endkunden verkauft werden, samt allen Vorteilen des elektrischen Fahrens, allerdings ohne die gefürchtete Reichweiten-Angst: Es handelt sich um ein Plug-in-System, das in punkto Reichweite keinerlei Lade-Infrastruktur benötigt. Man kann das Auto anstecken, muss aber nicht.
Obrist: "Über 65 km/h lädt unser Benzinmotor die Batterie wieder sanft nach. Was all die heutigen Akkus nämlich am allerwenigsten können, ist vollladen und komplett entladen. Da gibt’s vielleicht 500 Zyklen, danach ist die Kapazität bei 80 Prozent. Wir hingegen laden zwischendurch immer ein wenig nach, da kann die selbe Chemie zehn Mal mehr Energie umsetzen." Und wenn man doch einmal weiter weg muss als die 60 möglichen E-Kilometer? Dann sind unter drei Liter Praxisverbrauch problemlos möglich – und zwar ganz ohne bewusste Selbst-Kasteiung beim Fahren.
* Wenn der Verbrennungsmotor im HyperHybrid arbeitet, ist er – im Gegensatz zu Toyota Prius & Co. – kaum hörbar und stört damit das lautlose E-Auto-Feeling nicht. Obrist hat auf den Zweizylinder außerdem einen selbst entwickelten "Zero Vibration Generator" gepackt, dessen Prinzip der Boss so erklärt: "Alles, was das Aggregat in seinem Zyklus links herum falsch macht, macht es rechts herum nun auch, womit sich die Vibrationen per gegenläufiger Kurbelwellen aufheben. Das läuft dann tatsächlich so ruhig wie ein Zwölfzylinder, und wir können eine Münze draufstellen, die nicht runterfällt."
* Der HyperHybrid ist modular aufgebaut und kann skaliert werden, passt also in jede beliebige Fahrzeug-Kategorie – vom Kleinstwagen bis hin zum großen SUV. Trotz gleicher Größe der Antriebseinheit sind etwa mit unterschiedlicher Zell-Qualität der Akkus auch High-Power-Konzepte im Leistungsbereich von Tesla möglich.
* Die Antriebseinheit ist extrem günstig sowie platz- und gewichtssparend. So wiegt die Batterie nur 112 Kilo und kostet 2000 Euro, der Motor ist nur knapp 19 Zentimeter breit und kommt auf 1200 Euro. Hersteller, die den HyperHybrid verwenden, können viel günstiger produzieren und das Auto bei gleichbleibender Gewinn-Marge um 20.000 Euro weniger in den Schauraum stellen.
Außerdem bleiben bei vergleichbarer Außenlänge rund 25 Zentimeter mehr Innenlänge – im Autodesign ist das eine ganze Galaxie. Der Platzgewinn käme dem Insassenkomfort zugute, die Gewichtsersparnis sowohl der Fahrdynamik als auch den Kosten (leichteres Chassis, kleiner dimensionierte Bremsen, etc.). Obrist: "Mein nächster Traum wäre eine komplett neue Fahrzeugklasse zu machen: sehr dynamisch, maximaler Innenraum, aber mit verkürztem Vorderbau, ohne die benötigte Crash-Länge anzutasten."
* Die Obrist-Batterie ist weltweit der einzige isolierte Akku, der auch im Winterbetrieb klaglos funktioniert. Obrist: "So ein Akku fühlt sich bei 40 Grad plus am wohlsten, unter Null Grad arbeitet er aber nicht mehr vernünftig. Unserer kann dank der Bauweise 20 Tage lang bei minus 20 Grad draußen stehen, und die Innentemperatur ist immer noch bei 5 Grad plus."
… und wofür gibt’s ein Minus?
* Einziger Nachteil des seriellen Hybrid-Systems gegenüber den verbreiteten parallelen Kollegen: Ist der Akku unterwegs einmal nicht ausreichend geladen (etwa wenn auf Dauer viel Power abgerufen wird), kann der HyperHybrid nur so schnell fahren, wie der Generator Strom an den E-Motor nachliefert, der allein dafür verantwortlich ist, die Kraft auf den Boden zu bringen. Im diesem eher seltenen Fall stehen de facto nur die 54 PS des Zweizylinders zur Verfügung, und das bedeutet: maximal 145 km/h im flachen Geläuf samt null Reserven für Steigungen. Umgangssprachlich formuliert: bergauf verhungert man dann halt. Bei voller Batterie hingegen können alle 85 kW abgerufen werden, das reicht für 165 km/h auch auf hügeligen Autobahnen.
Der klassische E-Auto-Beschleunigungs-Wahnsinn à la Tesla ist im Obrist-Prototypen übrigens nicht vorgesehen: Systemimmanent ist zwar viel Drehmoment da, der übliche Wow-Effekt hält sich aber (bewusst) in Grenzen. Hier geht es darum, den möglichen Massen-Alltag so realistisch als möglich darzustellen.
So, es wird endlich Zeit für unsere Testfahrt im Wunderding aus Vorarlberg. Der CEO höchstpersönlich wird mich am Beifahrersitz begleiten, und er hat für uns vorab schon eine durchaus selektive Tour ins Gestein über Lustenau auserkoren, die zeigen wird, was sein HyperHybrid kann…
Erste Testfahrt mit dem HyperHybrid
Mein Fazit
Bis vor einiger Zeit war ich ein überzeugter Benzinbruder, ein "petrolhead". Je lauter und je stärker ein Auto, desto besser. Dann kam aber Tesla: Als erster Motorjournalist Österreichs habe ich am Firmengelände im Silicon Valley damals meine Premieren-Runde mit dem Model S gedreht, und mir war danach klar: Hier passiert etwas, das unsere weltweite Mobilität ändert.
Seitdem ist einiges weiter gegangen im Elektroauto-Bereich. Die Dinger werden von Modellzyklus zu Modellzyklus alltagstauglicher, für den klassischen Golf-Kunden sind 300 Kilometer Reichweite und – Hausnummer – 40.000 Euro für einen Kompakten aber verständlicher Weise immer noch zu wenig und zu viel. Die Crux ist bekannt: Reichweite, Preis und Ladeproblematik sind die Hindernisse, die ihren Erfolg so erschweren.
Nun gäbe es aber gute Kompromisse aus beiden Welten, die den (seeeehr langfristigen) Übergang zur Voll-Elektrifizierung auffangen können: das Hybrid-System ist nebst Wasserstoff (noch nicht alltagstauglich) derzeit die vermeintlich eierlegende Wollmilchsau. Manche Hersteller sind damit weit fortgeschritten, betreiben aber Augenauswischerei, weil fast kein aktueller Hybrid das bietet, was die Masse der Kunden verlangt: nämlich null Änderung in ihrem mobilen Alltagsverhalten. Das muss man akzeptieren.
So passiert es, dass ein Hybrid-Toyota Prius heute zwar relativ sparsam unterwegs ist, man wegen seiner Riesenbatterie im Kofferraum und der mühsamen Lärmbelästigung durch seinen Verbrennungsmotor in Sachen Platz und Komfort aber schlicht eingeschränkt ist. Also nein. BMW baut (neben bitteren Elektroversuchen) im Moment gute Hybride, die aber im Umfeld ziemlich teuer sind und oft daran scheitern, dass BMW-Kunden in der Regel das sind, was ich – siehe Eingangssatz oben – einmal war. Also auch nein. Als Extrembeispiel könnte man noch Porsche anführen, die sogar den vernunftbegabt unerklärlichen SUV-Erfolg Cayenne hybridisieren und mit wahnwitzig niedrigen Prospekt-Normverbräuchen locken, bloß weil die paar rein elektrisch gefahrenen Kilometer in den Normzyklus der ersten 100 Kilometer eingerechnet werden dürfen. Hier gebietet sich ein Nein schon aus gesundem Menschenverstand.
Was es also tatsächlich bräuchte, wäre ein komfortables Auto mit ökologisch nachhaltigem Antrieb, das man um kleines Geld kaufen kann, das den größten Teil des Tages elektrisch fährt, auf keine Ladestationen angewiesen ist, so weit kommt wie man will und im Falle einer längeren Strecke ein echtes Dreiliter-Auto wäre. Quasi der Dacia unter den Hybriden, was die Gesamtkosten betrifft.
Überraschung: Es gibt dieses Auto eigentlich schon, ich bin es gerade gefahren. Es kommt aus Vorarlberg, und Hersteller wie VW müssten im Prinzip nur darauf zugreifen und zwei schwarze Kastln in einen Golf schrauben, um der Welt und sich selbst etwas Gutes zu tun.