Wege zur grünen Mobilität

Wie schaffen wir die Energiewende im Verkehr? Im Interview: Dr. Bernhard Geringer, emeritierter Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU-Wien.
 

Zugegeben: Der Begriff „Motorensymposium“ klingt heute antiquiert, er ist es aber nicht. Denn jeder Fahrzeugantrieb braucht einen Motor, der wiederum Energie benötigt. Ob diese elektrisch ist, aus Kraftstoffen stammt oder aus Wasserstoff, ist zunächste egal. Doch da der klimaschädliche CO2-Ausstoß begrenzt werden soll, spielen die Energie und ihre Bereitstellung heute eine ganz entscheidende Rolle. Das stellte auch Prof. Geringer im Vorfeld des Symposiums klar, das er als Vorsitzender des österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik organisierte und leitete.

Wie weit ist Europa beim Einsatz von grüner Energie?

Europa steht mit einem hohen Anteil an nachhaltig grünem Strom grundsätzlich gut da. Österreich generiert derzeit etwa 70 bis 80 Prozent des Stroms aus nachhaltigen Quellen, Deutschland die Hälfte, Länder wie Polen sehr viel weniger. Ein weiterer Ausbau ist der richtige Weg. Frankreich hat ­– unter Anführungszeichen – sehr viel grünen Strom, nämlich aus Atomkraft. Zwar ohne CO2, aber eben nicht aus regenerativer Energie.

Für eine gesamtheitliche CO2-Bilanz müssen aber auch die Primärenergieträger betrachtet werden, also das Öl, Gas und die Kohle, die in Europa für unterschiedlichste Zwecke verwendet werden. Wird das eingerechnet, steht Europa bei etwa 20–25 Prozent regenerativer Energie, Österreich bei rund 32 Prozent, weil kaum Strom aus Öl oder Gas erzeugt wird. Wir nutzen also konkret zwei Drittel der gesamten verbrauchten Energie aus fossilem Ursprung. Die Herausforderung liegt also darin, nicht nur die Stromerzeugung umzustellen, sondern unser gesamtes Energiesystem.

70 bis 80 Prozent des Stroms gewinnt Österreich aktuell aus nachhaltigen Quellen.<br />
 

Bernhard Geringer, Vorsitzender ÖVK

Welcher Weg zur Klimaneutralität im Verkehr ist aus ihrer Sicht am besten?

Wenn es eine ideale Methode gäbe, wären alle glücklich. Einen einzigen Weg gibt es aber nicht. Wir müssen alle, die nur möglich sind, beschreiten. Wir brauchen dazu Technologieoffenheit – sowohl bei den Fahrzeugantrieben als auch bei der Bereitstellung der Energie. Deshalb werden wir alle Formen grüner Energie brauchen, aber auch noch andere CO2-arme fossile Energiequellen, die in ausreichender Menge für eine Umstellung vorhanden sein müssen. Auf nachhaltige Energie umzustellen ist eine riesige Herausforderung.

Das wird ein Marathon und kein Sprint.

Bernhard Geringer, Fahrzeugexperte

Welche Entwicklungen zeichnen sich aktuell bei den einzelnen Antriebsarten ab? Beginnen wir bei der Elektromobilität.

Deren Technologiestand ist heute schon hoch, bei der Effizienz ist allerdings noch einiges drin. Die Wirkungsgrade der Motoren können noch höher werden, weil es bei den Wandlern, die Gleichstrom der Batterien in Wechselstrom für die Motoren umwandeln, noch Potenzial gibt. Da werden weniger Verluste mehr Reichweite bei gleicher Batteriegröße bringen. Eine große Herausforderung ist das Thema Batterie-Rohstoffe. Da versucht man gerade, Kobalt zu ersetzen. Und dann werden noch die viel zitierten Feststoffbatterien kommen, die eine Steigerung in der Energiedichte und damit weniger Gewicht, weniger Volumen, vor allem aber mehr Sicherheit, Stichwort Brandgefahr, erwarten lassen. Sie werden in zwei bis drei Jahren serienreif sein. Auch bei den Lade-Lösungen tut sich einiges. Bei Wallboxen geht es nicht um Geschwindigkeit, da wird Induktionsladen ohne Anstecken zum Thema. Man muss nur darüber parken. Beim Schnellladen gibt es ebenfalls große Fortschritte: Das Ziel ist, von 10 auf 80 Prozent der Batteriekapazität so schnell zu laden wie man heute konventionell tankt.

Bleiben Plug-in-Hybride relevant?

Ja, auch wenn sie mit doppeltem Antrieb, also Verbrennungsmotor mit Tank plus Batterie mit allen E-Antrieben und Wandlern, teuer und kompliziert sind. Solange es nicht wirklich ausreichende Ladestellen und grünen Strom gibt, bleiben sie wichtig. Sie bieten den Vorteil, fünfhundert Kilometer mit einem Verbrennungsmotor fahren zu können. 50 elektrische Kilometer sind schon Standard, jetzt kommen immer mehr Modelle mit 100 Kilometer E-Reichweite – perfekt fürs elektrische Fahren im Nahbereich und in der Stadt. Und ein guter Kompromiss für alle, die oft Kurzstrecke fahren, aber gelegentlich auch sehr lange Strecken. Wenn sich Infrastruktur und Randbedingungen ändern, kann es aber sein, dass man Plug-in-Hybride nicht mehr brauchen wird.

Haben klassische Verbrennungsmotoren noch eine Zukunft?

Das hängt stark von den Weltregionen ab. Es gibt welche, wo es überhaupt keine oder kaum Elektrofahrzeuge gibt: in Afrika, in Asien oder auch in Südamerika. In Europa und den USA ist ein Hochfahren der E-Mobilität das politische Ziel, anderswo nicht. Südamerika fährt schon lange mit der Strategie der alternativen Kraftstoffe, hauptsächlich Ethanol, in Richtung CO2-Freiheit. In Europa sind Autofirmen gezwungen, möglichst viele Elektro- oder Hybridfahrzeuge in den Markt zu drücken, weil sie bei Überschreiten ihrer Flotten-Grenzwerte Strafabgaben zahlen müssen. Auf der anderen Seite sind diese elektrifizierten Fahrzeuge einfach teurer, auch weil sie immer strengere Abgasregeln einhalten müssen. Und das ist nicht von Fahrzeuggröße und Motorenleistung abhängig, das kostet quasi einen Paketpreis, der die kleine Motoren überproportional teurer macht, weswegen manche Hersteller ganz darauf verzichten.

In Europa und den USA ist ein Hochfahren der E-Mobilität das politische Ziel, anderswo nicht.

Bernhard Geringer, em. Prof. TU-Wien

Könnten Verbrennungsmotoren nicht auch CO2-neutral fahren?

Wir haben heute schon biogene Kraftstoffbeimischungen aus speziell gezüchteten Pflanzen oder Reststoffen wie Altspeise- oder Tierfetten. Der Reiz dabei ist, dass die Basisprodukte nachwachsen, CO2 aus der Luft binden und wir einen geschlossenen Kreislauf haben. Aber auch E-Fuels sind ein spannendes Thema, weil ihre Erzeugung CO2 erfordert, das man aus vorhandenen Quellen nehmen könnte.

Wasserstoffautos scheinen nicht vom Fleck zu kommen. Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung?

Wasserstoff hat eine große Zukunft, aber speziell für Antriebe von Nutzfahrzeugen. Man kann ihn in einer Brennstoffzelle verwenden, also mittels Umkehrung der Elektrolyse, wobei Strom zum Antrieb eines Elektromotos erzeugt wird. Große Lkw-Hersteller wie Daimler, wie Volvo oder Scania sind da dran. Aber Brennstoffzellen sind noch nicht ganz nicht ausgereift, wenig standfest und teuer. Und jetzt arbeitet man auch daran, Wasserstoff in einem Verbrennungsmotor zu nutzen, das hat man schon einmal versucht und wieder aufgegeben. Das hätte den Vorteil, dass der Wasserstoff nicht so rein sein muss wie für die empfindliche Brennstoffzelle. Wasserstoff hat generell aber einen großen Nachteil: Er ist schlechter speicherbar und die Tankstellen müssen viel aufwendiger gebaut sein, weil sie hohen Druck und eine extreme Abkühlung benötigen.

Die 5 wichtigsten Thesen auf einen Blick

1. Europäische Stromerzeugung: Europa produziert einen beträchtlichen Anteil des Stroms aus nachhaltigen Quellen, mit Österreich bei ca. 70-80% und Deutschland bei 50%. Allerdings ist der Anteil regenerativer Energie in ganz Europa, wenn fossile Primärenergieträger einberechnet werden, nur bei ca. 20-25%.

2. Technologieoffenheit für Klimaneutralität: Es gibt keinen einzelnen Weg zur Klimaneutralität im Verkehr. Die Kombination aus verschiedenen grünen Energien und technologischen Ansätzen ist notwendig, einschließlich einer geringen Nutzung CO2-armer fossiler Energiequellen während des Übergangs.

3. Entwicklung bei Elektromobilität: Die Technologie der E-Mobilität schreitet voran, mit Verbesserungspotenzial bei Batterieeffizienz und Ladeinfrastruktur. Feststoffbatterien, die in zwei bis drei Jahren serienreif sein könnten, werden eine höhere Energiedichte und mehr Sicherheit versprechen.

4. Rolle von Plug-in-Hybriden: Plug-in-Hybride bleiben relevant, besonders als Übergangslösung, solange die Ladeinfrastruktur und Versorgung mit grünem Strom nicht flächendeckend sind. Sie sind nützlich für Nutzer, die kurze Wege elektrisch und selten auch lange Strecken fahren.

5. Zukunft des Wasserstoff- und Verbrennungsmotors: Während es Regionen gibt, in denen die Zukunft des Verbrennungsmotors unsicher ist, werden biogene Kraftstoffe und E-Fuels als CO2-neutrale Optionen für klassische Verbrennungsmotoren erforscht. Wasserstoff hat großes Potenzial für Nutzfahrzeuge, steht aber aufgrund von Speicher- und Infrastrukturherausforderungen noch am Anfang.