Was kann der neue Öko-Diesel HVO100?

Diesel-Fahrzeuge können mit HVO100 bis zu 90 Prozent CO2 einsparen. ÖAMTC-Experte Martin Grasslober beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den neuen Kraftstoff.
 

Österreich gilt noch immer als Diesel-Land – auch wenn seit ein paar Jahren mehr Benziner neu zugelassen werden. Wenn sich beim Fahren mit einem Diesel-Fahrzeug bis zu 90 Prozent CO2 einsparen lassen, dann klingt das nach einer bahnbrechenden Lösung, das Auto klimafreundlicher zu betreiben. Aber was kann der nicht aus Erdöl raffinierte, sondern aus Pflanzenöl hergestellte Öko-Diesel wirklich? Welche Autos vertragen ihn, wo bekommt man ihn, was kostet er? ÖAMTC-Experte Martin Grasslober beantwortet die wichtigsten Fragen.

Ist HVO100 wirklich nur gebrauchtes altes Speiseöl?

Man muss das Pflanzenöl raffinieren, also mit Wasserstoff behandeln. Damit werden die Rohstoffe in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, die dem fossilen Diesel sehr ähnlich sind. HVO steht ja für "Hydro-Treated Vegetable Oil“ und heißt, dass pflanzliche Öle bzw. Fette unter der Zugabe von Wasserstoff, z.B. in der Raffinerie, zu einem Kraftstoff verarbeitet werden. HVO100 ist also ein dieselähnlicher, hochwertiger Kraftstoff, er ist klar und fast geruchlos.

Werden tatsächlich nur Abfall- oder Reststoffe für die Erzeugung von HVO100 verwendet?

Das bezog sich auf Bio-Kraftstoffe der ersten Generation. In der Teller-oder-Tank-Diskussion vor zehn Jahren ging es darum, dass man damals wirklich Lebensmittel oder die Rohstoffe für Lebensmittel und Futtermittel verwendete, um Kraftstoff zu erzeugen. Bio-Kraftstoffe aus Rohstoffen für Lebens- oder Futtermittel dürfen schon jetzt nur maximal 7% bezogen auf den Gesamtenergiebedarf (Straße und Schiene) ausmachen. Hierbei handelt es sich um eine Europäische Vorgabe, die für die tatsächlich eingesetzte Menge gilt, unabhängig, ob die Kraftstoffe im Inland oder Ausland produziert werden. Es gibt hier also bereits jetzt eine Deckelung als europäische Vorgabe, dementsprechend wichtig und richtig ist es, auf Reststoffe zu setzen. Also auf Frittierfette und Altspeiseöle von Privaten oder aus der Gastronomie und auf Fette oder Öle aus der Lebensmittelindustrie, die wirklich als Abfall zu sehen sind. Die angesprochene CO2-Reduktion um 90 Prozent ist natürlich nur mit Reststoffen möglich. Und Palmöl darf nicht verwendet werden.

Wird wirklich kein Palmöl verwendet?

Manche Medien berichten, dass bei der Erzeugung von HVO100 auch Palmöl verwendet wird. Oder Abwässer aus Palmölmühlen – die für die HVO-Produktion grundsätzlich zulässig sind. Wenn es aber zu einer Falschetikettierung oder -zertifizierung kommt, muss die Politik einen Riegel vorschieben.

Es gibt jetzt eine Deckelung als europäische Vorgabe, darum ist es wichtig und richtig, auf Reststoffe zu setzen.

Martin Grasslober, ÖAMTC Verkehrswirtschaft

Was bringt HVO100 dem Klima wirklich?

Bei der Verbrennung, also beim Fahren, gibt es eine 90-prozentige CO2-Reduktion, aber es gibt wie bei jedem Kraftstoff auch eine Vorkette, etwa in der Produktion von HV0100 und bei der Produktion von Pflanzen können natürlich auch Emissionen entstehen, auch wenn sie jetzt nicht im Verkehrsbereich anfallen. Biokraftstoffe wie HVO100 haben aber einen sehr großen Hebel. In den letzten zwölf Jahren haben wir schon Biokraftstoffe – auch als Beimischung – verwendet, sei es Ethanol, Biodiesel und zu einem kleineren Teil schon HVO. Und in 12 bis 13 Jahren wurde damit die Menge an CO2-Emissionen durch diese Biokraftstoffe reduziert, die wir in einem ganzen Jahr im Verkehrsbereich eigentlich emittieren.

Wie wirkt sich HVO100 auf die Laufkultur des Dieselmotors aus?

Der ADAC hat gerade in einem Test festgestellt, dass es nur marginale, praktisch nicht spürbare Unterschiede in Laufkultur und Ansprechverhalten gibt.

Welche Autos dürfen HVO100 tanken?

Grundsätzlich braucht das Fahrzeug eine Hersteller-Freigabe für HVO100. Ein Blick in die Tankklappe kann Klarheit bringen: Wenn "XTL“ drinnen steht, dann ist die Freigabe gegeben. Natürlich steht es auch in der Betriebsanleitung – ansonsten muss man beim Hersteller nachfragen. Die Aufschrift XTL findet sich auch an den Zapfsäulen, ähnlich der Kennzeichnung bei E10 oder B7.

Wo kann man HVO100 tanken?

Vor kurzem gab es in Österreich erst 35 Tankstellen, die HVO100 angeboten haben, jetzt sind es schon 70. Dazu kommen noch rund 20 nur für Lkw. Was die Kapazitäten bei der Herstellung betrifft, so wird in Österreich seit Juni in der Raffinerie Schwechat auch Biomasse verarbeitet, bis dato vornehmlich für eine Beimischung in Premium-Kraftstoffe. Größere Produzenten gibt es zum Beispiel in Finnland, in den Niederlanden, in Norditalien, aber auch in Süditalien und Frankreich. Auf alle Fälle wird die Produktion überall ausgeweitet, für eine flächendeckende Versorgung wird es aber dennoch knapp. Dass HVO 100 alles, was an Diesel verbraucht wird, ersetzt, wird sich nicht so schnell ausgehen.

Vor kurzem gab es in Österreich noch 35 Tankstellen, die HVO100 angeboten haben, jetzt sind es schon 70.

Martin Grasslober, ÖAMTC Verkehrswirtschaft

Gibt es Potenzial für eine Beimischung von HVO in Dieselkraftstoff?

Auf alle Fälle. Das wird eine gute Lösung sein, die viele Bestandsfahrzeuge verwenden könnten. Etwa eine Beimischung zum konventionellen Biodiesel B7 von zusätzlich 6,5 Prozent HVO. Das wäre dann insgesamt ein Beimischungsanteil von 13,5%, wobei 7% weiterhin der konventionelle Biodiesel wäre. Das wäre ein relativ kleiner Teil, der aber durchaus dazu beitragen kann, in Kombination mit der Elektromobilität und einem Rückgang des Tanktourismus die Klimaziele für den Verkehr zu erreichen.

Bringt HVO auch anderen Vorteile?

Ja. Die Produzenten von Kraftstoffen müssen die CO2-Emissionen der Kraftstoffe, die sie verkaufen, reduzieren. Dazu haben sie unterschiedliche Möglichkeiten: Sie können zu dem Kraftstoff, den sie verkaufen, mehr Biokraftstoffe beimischen, sie können HVO 100 verkaufen oder sich auch Strom anrechnen lassen. Diesbezüglich hat es eine gesetzliche Änderung gegeben, die dazu geführt hat, dass es sehr teuer ist, die eigenen Ziele zu verfehlen. Somit war es 2023 sehr interessant, E10 flächendeckend einzuführen, weil der Druck für die Kraftstoff-Hersteller da war. Bei HVO100 ist es nicht anders, 2023 sind 40 Millionen Liter verkauft worden, im Jahr davor fast gar nichts.

Was kostet der Liter HVO100?

Derzeit kostet der Liter HVO100 rund 15 bis 20 Cent mehr als der Liter Diesel. Das zu zahlen ist auch eine Frage der Vereinbarungen im Hintergrund. Es sind sehr oft Speditionen oder große Unternehmen, die ihre Lkw mit HVO100 betanken. Da geht es auch um die CO2-Reduktion, die der Kraftstoffproduzent braucht, um seine Klimaziele zu erfüllen.

Zahlt man für HVO100 Mineralölsteuer?

Weil es sich bei HVO100 um einen wirklich hundertprozentigen Biokraftstoff handelt, wird keine Mineralölsteuer fällig. Wird HVO etwa Biodiesel beigemischt, zahlt man sehr wohl Mineralölsteuer, und zwar genauso viel wie für B7, den konventionellen Diesel mit 7 Prozent Biodiesel-Anteil. Derzeit gibt es keinen steuerlichen Anreiz, dass diese Beimischung günstiger wäre, obwohl die CO2-Emissionen dadurch natürlich sinken würden.

Die 5 wichtigsten Fakten auf einen Blick:


Bis zu 90 Prozent weniger CO2 durch HVO100: Weil der neue Öko-Diesel aus erneuerbaren Rohstoffen, etwa (gebrauchtem) Pflanzenöl, stammt, gelangt bei der Verbrennung kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre. Was andere Emissionen und den Verbrauch betrifft, hat der neue Kraftstoff keine Nachteile.
Die Sache mit der Debatte Teller vs. Tank: Die bezog sich auf Bio-Kraftstoffe der ersten Generation. Jetzt sind die EU-Vorgaben aber nur mit Reststoffen zu erreichen, also mit Altspeiseölen oder Fetten, hauptsächlich aus der Lebensmittelindustrie, die wirklich als Abfall zu sehen sind.
Wer HVO100 tanken darf: Alle Dieselfahrzeuge, bei denen „XTL“ im Tankdeckel steht, die Betriebsanleitung es erlaubt oder die eine Hersteller-Freigabe besitzen.
Wie es sich mit HVO100 fährt: Nicht anders als mit konventionellem Dieselkraftstoff. Es gibt praktisch keine Unterschiede in Laufkultur und Ansprechverhalten.
HVO100 kostet mehr als Diesel: Zwar werden wegen der besseren Klimabilanz weder CO2- noch Mineralölsteuer fällig, weil die Herstellung aber mehr kostet, liegt der Preisunterschied an der Zapfsäule bei 15 bis 20 pro Liter.