Chill mal!
Im Test: die neue BMW R1250 RT. Sie setzt auf altbewährte und gänzlich neue Assistenzsysteme. Für kontrollorientierte Menschen eine Challenge. Von Karin Mairitsch.
Unter uns Rennfahrer/-innen ist klar: Sämtliche ausschaltbaren Assistenzsysteme werden ausgeschaltet. Ich fahre mit dem Motorrad – und nicht das Motorrad mit mir. Ich habe die Kontrolle.
Aber dann: Mein Kind sagt mir, dass die Arbeitsblätter für das Distance Learning noch auszudrucken sind.
Mein Mann sagt mir, dass er später nach Hause kommen wird, weil es in der Arbeit Probleme gibt.
Meine Mutter sagt mir, dass sie mit der Anmeldung zur Corona-Impfung nicht zurechtkommt, und in der schulischen WhatsApp-Gruppe herrscht derweil sowieso heilloses Chaos.
Und dann teilt mir mein indischer Masseur auch noch mit, dass meine rechte Körperhälfte heillos verspannt ist, ich meine Einstellung zum Kontrollverlust ändern muss, denn so kann das nicht weitergehen.
Ah ja. Schnauf!
Cruise Control am rechten Fahrstreifen
Die BMW R1250 RT hat einen Tempomaten, das ist gut. Ich denke an die Worte meines Masseurs und befinde, dass 120 Stundenkilometer auf der A5 vollkommen ausreichend sind. Fahrmodus Eco, Heizgriffe und Sitzheizung aufgedreht, ah, wohlig warm. Vor mir die endlosen Weiten des sonntäglichen Weinviertels.
Die Radarsensorik der Abstandsregelung (der dazu notwendige, nahezu quadratische Sensor ist unterhalb der Scheinwerfer platziert, geregelt wird die Distanz per Taste links am Lenker) bremst sanft ab, wenn ich auf ein langsameres Fahrzeug auflaufe. Das Navigationssystem führt mich zielsicher Richtung Norden.
Großartig, momentan brauche ich mich gerade um nichts kümmern.
Schlagartig bin ich glücklich und düse drehmomentgesteuert vollkommen losgelöst durch die Landschaft.
Karin Mairitsch, Journalistin
Selbstverständlich wird mir bald einmal fad, also beginne ich mich mit dem Multi-Controller am linken Lenkergriff zu beschäftigen. Drehen, klicken, Radio, sehr gerne – oder doch die Playlist vom Smartphone? Das Windschild ist höhenverstellbar, rauf damit, kein Druck vom Fahrwind, kaum Windgeräusche. Smooth Operator geht immer.
Doch auch im Weinviertel gibt es Kurven. Beim Verlassen der Autobahn wache ich auf und schalte auf Fahrmodus Dynamic, eine im gleichnamigen Paket erhältliche Sonderausstattung, die es wert ist. Auf Knopfdruck strafft sich die Dämpfung und wird über die Datenerhebung einer 6-Achsen-Sensorbox, zweierlei Wegsensoren und mithilfe weiterer kryptischer Parameter elektronisch im Millisekundenbereich geregelt.
Das macht sich bemerkbar, ich gebe Gas, das Motorrad spielt mit. Schlagartig bin ich glücklich und düse drehmomentgesteuert vollkommen losgelöst durch die Landschaft, als hinter der Kuppe auf Ideallinie unvermutet der allseits gefürchtete Traktor auftaucht. Was bin ich froh, dass das ABS der Vollintegralbremse auch in Kurvenlage rasch und unkompliziert reagiert. Und wie gut, dass es nicht abschaltbar ist.
Derart geläutert und bereichert treffe ich meinen indischen Masseur wieder, über meine Einstellung zum Kontrollverlust müssen wir noch reden. Ich kann nicht versprechen, dass ich nicht doch bei nächster Gelegenheit die RT auf dem Pannoniaring bewegen möchte, trotz ihres hohen Eigengewichts und der wuchtigen Optik.
Namaste.
Windschutz, Stauraum und andere Details