Eile mit Weile
In einer scheinbar endgültigen Handlung nahm Suzuki 2018 die Hayabusa vom Markt, ein Comeback des schnellen Sporttourers schien ausgeschlossen. Nun freuen wir uns, dass es anders kam, denn wir mochten die Alte. Was kann die Neue?
Seit einem Jahr hatte ich den Probeführerschein, als Suzuki 1999 die Hayabusa präsentierte – ein Serienmotorrad, 175 PS stark und über 300 km/h schnell. Meine mobile Wünsch-dir-was-Welt geriet schlagartig aus den Fugen – ich durfte damals ja nur maximal 34 PS starke Motorräder lenken.
Aber nicht nur meine Stimmung vibrierte – das generelle Echo war gewaltig. Für die einen stand da der wahr gewordene Hochgeschwindigkeitstraum, für die anderen war sie schlicht und ergreifend die Inkarnation des zweirädrigen Bösen.
Dem Sturm der Entrüstung folgte zwei Jahre später eine freiwillige Selbstbeschränkung seitens der Industrie auf 298 km/h Höchstgeschwindigkeit; im Fall der Hayabusa setzten die Suzuki-Techniker dafür auf eine Drehzahlbegrenzung im sechsten Gang. Außerdem endeten die numerischen Angaben auf den Tachoscheiben fortan bei 280 (nicht aber der Stricherl-Index, der weiterhin eine Höchstgeschwindigkeit jenseits der 300 km/h suggerierte).
R.I.P. schrieben ihre Fans daraufhin in den Foren.
Alexander Fischer, Redakteur
Fortan erhielt sie nur noch kleinere Modifikationen (beispielsweise ein ABS im Jahr 2013), aber da schien die Glanzzeit der großen Speedbikes in Europa ohnehin bereits abzuebben.
Für das vorläufige Ende der Hayabusa in Europa sorgte 2018 die Einführung der Abgasnorm Euro 4. Offenbar schien der technische und finanzielle Aufwand einer adäquaten Abgasnachbehandlung zu groß und zu teuer, die Nachfrage jedoch zu gering zu sein.
R.I.P. schrieben ihre Fans daraufhin in den Foren. Dass aus dem "Ruhe in Frieden" ein "See you later" werden würde, ahnte damals ja niemand.
Hayabusa 2021 – die überraschende Rückkehr
Was ist neu an der Neuen? Im Hinblick auf die eingangs besprochenen Tacho-Stricherln bzw. das Cockpit an sich hat sich nicht viel geändert. Letzte ablesbare Zahl auf der analogen Tacho-Scheibe ist die 290-km/h-Angabe. Hinzu kam eine digitale Anzeige zwischen den analogen Rundinstrumenten, die über die Mitarbeit der diversen elektronischen Assistenzsysteme informiert.
Auch die aerodynamisch wohlgeschliffene Form der neuen Hayabusa erinnert noch an frühere Versionen. Insgesamt wirkt sie aber glatter, ja, auch schlanker, wenig barock. Und man sitzt bequemer, fühlt sich noch besser integriert, weil der geteilte Lenker nun zwölf Millimeter näher an den Fahrer rückte.
Gut ist das, denn die Hayabusa benötigt trotz ihrer serienmäßigen Fülle an gut funktionierenden, vielfach einstellbaren und auch absolut notwendigen State-of-the-Art-Assistenzsystemen (Kurven-ABS, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Wheelie Control, Launch Control etc.) unbedingt eine versierte Gashand.
Ein wenig erinnert sie uns ja an den 911er-Porsche. Der ist auch superschnell bei Bedarf, kann aber genau so gut bummelnd im Stadtverkehr bewegt werden.
Alexander Fischer, Redakteur
Wenn dann am Gasgriff gedreht wird: Zucker. Denn wie die "Busa" in nahezu jeder Lebenslage beschleunigt, das ist faszinierend und in Worten schwer vermittelbar.
Dieser enorme, scheinbar nicht enden wollende Schub, der sich nicht so arg brutal-brachial wie bei Superbikes anfühlt, der eher gleichmäßig und geschmeidig, aber natürlich schon sehr vehement vorwärts drängend präsent ist – dieser Schub pusht dir deinen Gemütszustand wie ein picksüßes großes Himbeerwasser auf leeren Magen.
Und deshalb wiederholen wir hier nochmals den Hinweis von einigen Zeilen weiter oben: Mit so einem Zuckerstoß ist nicht zu spaßen, die Hayabusa benötigt unbedingt eine kundige Gashand, von der sie zielsicher geleitet wird.
Aber bitter ist das schon: Wohin mit all der Leistung? 130 km/h fühlen sich auf der Hayabusa so entspannt an wie 50 km/h auf einer Vespa. Würden wir in Deutschland leben und zwischen zwei mit der Autobahn vernetzten Städten pendeln – sie wäre unsere erste Wahl, weil sie ist, wie sie ist: ein sehr harmonisch zu fahrender, schneller Überdrüber-Sporttourer.
Ein wenig erinnerst sie uns diesbezüglich ja an den 911er-Porsche. Der ist auch superschnell bei Bedarf, kann aber genau so gut bummelnd im Stadtverkehr bewegt werden. Diese Tugend kommt der Hayabusa in Österreich, wo das Tempolimit rasch erreicht und die Kurvenradien meist enger sind, freilich sehr entgegen.
Womit wir wieder bei jenem Thema wären, das die Hayabusa seit 2001 begleitet: die freiwillige Selbstbeschränkung. Dieses Mal allerdings fahrerseitig. Denn die Hayabusa könnte ja schneller, wenn man dürfte.
Finaler Exkurs in Sachen Motor
Es ist dieser gewaltige, 190 PS starke, Euro-5-konforme 1.340-Kubik-Reihenvierzylinder, der diese Suzuki zu dem macht, was sie ist. Der ihr dank seiner mächtigen Sanftheit in der Vergangenheit zu Kultstatus verhalf, der auch in seiner aktuellen Version ein wunderbares Stück Maschinenbau ist – ihm gebührt ein Ehrenplatz in der imaginären Hall of Fame für Motorradmotoren.
Klitzekleine redaktionelle Empfehlung an dieser Stelle: Einfach die Suchfunktion in einem Social-Media-Kanal Ihrer Wahl mit dem Wort Hayabusa füttern – und staunen. Was es da an Umbauten gibt, ist zumindest unterhaltsam, manchmal auch phänomenal, aber immer von purer Kraft und unbändigem Drehmoment beseelt; das Angebot reicht von Dragbikes mit verlängerter Schwinge und Turbobeatmung übers pfeilschnelle Gokart bis hin zum wheelisierenden Golfwagerl.
Preis & technische Daten