Amore Motore

Es gibt Menschen, für die ein Leben ohne Motorrad kaum vorstellbar ist. Weil ohne das Motorrad zu wenig Liebe in ihrem Leben wäre. Text: Karin Mairitsch

Warum fahren Menschen Motorrad? Wie und wo kommen sie mit dem Thema in Berührung? Ist der Wunsch Motorrad zu fahren schon immer in ihnen vorhanden gewesen? Oder braucht es einen kon­kreten Anknüpfungspunkt, um sich ein Motorrad zuzulegen? Welchen Stellenwert hat das Motorrad in ihrem Leben? Ist es ein zentrales Element, Mittel zum Zweck oder eher ein Lifestyle-Objekt?

So viele Fragen, so viele mögliche Antworten. Motorradfahrer:innen sind eine höchst heterogene Mischung quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersklassen. Wir haben drei recht unterschiedliche Menschen vor den Vorhang geholt, um von ihnen Antworten auf unsere Fragen zu bekommen.

Das überraschende Ergebnis: Bei allen drei Personen – Ina, Wolfgang und Marion – liegen die Wurzeln der Affi­nität zum Motorrad in der eigenen ­Familie. Es gab einen Elternteil, einen Großvater oder einen anderen nahen Verwandten, einen geliebten Menschen also, der das Thema in die Familie ­brachte. Das Motorrad-Virus scheint also zumindest ansteckend, womöglich auch vererbbar zu sein.

Was unsere drei Interviewpartner:innen darüber hinaus eint, ist die Tatsache, dass sie ihre Motorräder sehr bewusst gewählt haben. Die pragmatische Ina schätzt ihre Honda, weil sie zuverlässig ist und sie mit ihr auch durch Wind und Wetter fahren kann. Der junggebliebene Wolfgang betet seine ­Suzuki an, weil sie so schön und sportlich ist. Und die selbstbewusste Marion erinnert die Vespa an die Zeit ihrer unbeschwerten Jugend. Und alle drei sind sie glückliche Menschen.

Ina Hein, 23, Projekt-Managerin

Ina war schon immer sehr selbstständig unterwegs. Sie fährt bereits länger Motorrad als ihr Mann. Die sympathische Rothaarige ist eine waschechte Vielfahrerin, die mit ihrer Honda CB 650R bei fast jedem Wetter fast alle Wege bestreitet.

Zum Zweiradfahren kam sie über ihre beiden Onkel, beide begeisterte Motorradfahrer, die Ina und ihre Schwester bereits im zarten Kindesalter auf ihren Motorrädern probesitzen ließen. Mit 15 war es für Ina dann nur logisch, dass ein Moped angeschafft wurde. "Der Schulweg von Gänserndorf nach Deutsch-Wagram dauert eine Stunde, mit dem Moped sind es 17 Minuten." In ihrer Klasse war sie die Einzige mit einem Mopedführerschein. Das Moped war eine Gilera DNA 50, die in ihrer äußeren Erscheinung der eines Motorrades sehr nahekommt. Daher geschah es nicht selten, dass Ina von entgegenkommenden Motorradfahrer:innen gegrüßt wurde. Ihr wurde bewusst, dass Motorradfahrer:innen nette Menschen sind, die auf einander aufpassen, die für einander da sind, die einander Hilfe leisten und eine Gemeinschaft bilden. Ina und ihr Mann Dominic besitzen kein Auto. Die beiden unisono: "Wozu auch?"

Warum sollte ich ein Auto besitzen, wenn ich es gar nicht brauche?

Ina Hein, Projekt-Managerin

Wolfgang Sucharda, 64, Tischlermeister und Möbeldesigner

Selbstverständlich liebt Wolfgang seine Frau mehr als sein Motorrad. Seine Frau, Jutta, heißt bei ihm "Baby One", sein Motorrad, eine Suzuki Bandit 1250 S, nennt er "Baby Two". Das Motorrad wurde angeschafft, weil Jutta bald nach dem Kennenlernen im Tanzcafé vor 17 Jahren die zentrale Frage stellte: "Ich habe im Keller ein Motorradgewand hängen. Fährst du Motorrad?"

Diese Aussicht öffnete bei Wolfgang eine seit vielen Jahren verschlossene Türe: In seinen jungen Jahren fuhr er leidenschaftlich eine Kawasaki Z650, sein Vater nannte eine Puch SGS 250 sein Eigen, "wunderschön, rot und mit zwei Schwingsätteln". Wolfgangs Eltern lernten sich damals sogar über das Motorradfahren kennen.

Wolfgangs eigene Hochzeit fand erst vor zwei Jahren statt, kurz nach dem Pensionsantritt. Die Suzuki Bandit war als Trauzeugin dabei, selbstverständlich. Vor einigen Wochen hat Wolfgang sich zusätzlich zur Bandit noch eine Suzuki GSX-S 1000 zugelegt. Für Spaßausfahrten, wie er augenzwinkernd hinzufügt.

Genieße den Augenblick, das Hier und Jetzt. Niemand weiß, was nächste Woche ist.

Wolfgang Sucharda, Tischlermeistser und Möbeldesigner

Marion Stelzer-Zöchbauer, 43, Geschäftsführerin

Sie wusste schon immer, was sie wollte. Und mit rund 15 Jahren war das eine Vespa. Nicht irgendeine, sondern die dunkelblaue Vespa 50 Special Baujahr 1978, die bei einem Händler in Graz stand. Genau die. Marion war damals per Gesetz noch nicht geschäftsfähig, also sollte der Großvater den Kaufvertrag unterschreiben. Der schmunzelte und tat wie ihm geheißen, schließlich war er selber mit dem Motorrad um die Welt gereist. Ihre Jugendjahre verbrachte Marion also auf der Vespa Special, knatterte mit ihr zum Handballtraining, in die Schule und am Samstagabend in die Disco. Es war eine großartige Zeit!

Als sie dann knapp 20-jährig die Vespa verkaufen musste, weil sie das Geld für ein Auto brauchte, tat sie das unter Tränen. Vor vier Jahren hielt dann eine Vespa GTS 300 Notte Einzug in Marions Familie. Da war ihre Vespa-Welt endlich wieder in Ordnung. Und der Opa, heute 85-jährig, schenkte ihr seine gebrauchte Vespa GTS 125 gleich dazu – und freute sich, dass sie in der Familie blieb.

Auf meinem Schlüsselanhänger steht "Vespa forever". Das stimmt.

Marion Stelzer-Zöchbauer, Geschäftsführerin