Zwei Achterl in Ehren
Warum die KTM Duke 125 heute ist, was die Puch 125T vor 75 Jahren einmal war. Woher das "Oha" im Kopf kommt, wenn man von der einen auf die andere umsteigt. Und was die Alte besser als die Neue kann.
Es war im Februar 1947, als Dr. Ing. Gerhard Seidel schlicht und herzergreifend "Unsere Puch 125" titelte und damit den allerersten Zweiradbericht im auto touring einleitete, schon in der zweiten jemals erschienenen Ausgabe.
Was folgte, war eine Ode an das "nach zwei Jahren Frieden noch immer einzige Motorrad unserer Produktion" bzw. die "Königin ihres Reichs". Seidel lobte den "erstaunlichen" Fahrkomfort, mahnte, dass "der 125er sich rächen würde", wenn man "mehr als sechzig Stundenkilometer Dauerleistung verlangt", und resümierte wohlwollend: "… wenn es einmal wieder größere Motorräder zu kaufen geben wird, das kleine Püchlein bleibt doch die billige, sparsame und unverwüstliche Maschine der bescheidenen Ansprüche und damit der breiten Masse".
Vage blieb er nur beim Thema Preis: "zwischen 2.000 und 2.500 Schilling ab Werk".
Puch und KTM
Warum die KTM Duke 125 hier nun ebenfalls mit von der Partie ist? Weil sie gewissermaßen heute das ist, was die Puch vor 75 Jahren war: Eine Maschine der breiten Masse, die bestverkaufte 125er einer österreichischen Motorradmarke, verlässlich, preiswert und sparsam.
Typenschein-Vergleich: Bei der Puch sind stramme 5,2 PS sowie eine Höchstgeschwindigkeit von immerhin rund 70 km/h eingetragen. Die kleine Duke schafft 15 PS und einen Topspeed von 110 km/h.
Alexander Fischer, Redakteur
Damals und heute, Preis und Leistung
Freilich, diese Erfahrungen, die Dr. Seidel seinerzeit schilderte, müssen im Kontext der damaligen Zeit gesehen werden: Ein ungefedertes Rahmenheck war einst quasi Standard, Teleskop- oder Upside-Down-Gabeln (wie sie heute an nahezu jedem Motorrad zu finden sind) hatten absoluten Seltenheitswert und noch lange nicht jene überragende Funktionalität, die ihnen Jahrzehnte später zur technologischen Vorherrschaft verhalf.
Omnipräsent in den Nachkriegsjahren war auch der Zweitakt-Motor. In der Puch 125 T arbeitet einer mit Doppelkolben. Als "größte Nutzleistung" standen seinerzeit stramme 5,2 PS bei 4.500 Upm im Typenschein notiert, als Höchstgeschwindigkeit "auf ebener und gerader Bahn ca. 70 km/h".
Daten, die uns gegenwärtig wohl eher an ein nicht ganz StVO-konformes Moped oder einen hurtigeren Elektroroller denken lassen würden, damals aber definitiv State of the Art waren.
Eine aktuelle 125er leistet da natürlich deutlich mehr. Die kleinste Duke mit ihrem Einzylinder-Viertaktmotor beispielsweise kommt auf vergleichsweise stattliche 15 PS bei 10.000/min und eine Höchstgeschwindigkeit von rund 110 km/h. Keine Frage, das marschiert natürlich ganz anders durch das städtische Gewusel oder entlang diverser Landstraßen. Auch weil das Fahrwerk voll mitspielt. Und die Bremsen. Und die Reifen.
Das war früher schon sehr anders und hat sich eigentlich erst mit Beginn der 1990er-Jahre so richtig zum Positiven verändert.
KTM jedenfalls hat mit der kleinen Duke ein strammes fahraktives Paket für den Zweirad-Nachwuchs geschnürt. Listenpreis: 5.399 Euro (das hätte früher rund 74.300 Schilling entsprochen).
Fun Fact: Wer sich aktuell eine Puch 125 T in gutem Zustand in den eigenen Fuhrpark holen will, wird zumindest einen ähnlichen Betrag in die Hand nehmen müssen.
# pic Fahrfoto
Sitzkomfort-Vergleich: Die KTM – straff. Auf der Puch dagegen fühlt sich das eher nach Fahrrad an, Modell Hollandrad – tiefe Sitzposition, hoher Lenker, bequemer Sattel.
Alexander Fischer, Redakteur
Der größte Unterschied zwischen KTM und Puch?
Für uns ist's nicht die Motorentechnik, nicht das optische Erscheinungsbild, es sind auch nicht so offensichtliche Kennzahlen wie Gewicht, Größe oder Geschwindigkeit – für uns ist's, oha: der Geradeauslauf.
Es ist unfassbar, wie stoisch die Puch mit ihren schmalen 19-Zoll-Speichenrädern dahinrollt, wie scheinbar unbeirrbar sie ihre Bahn zieht, auch in (sanfter) Schräglage.
Dafür mangelt es ihr an Agilität – der feinsten Tugend einer 125er-Duke wiederum. Diese ist zwar mit deutlich breiteren 17-Zöllern bestückt, allerdings reicht bei ihr gefühltermaßen schon ein vergleichsweise kurzer Blick zur Seite, um sie hurtig abbiegen zu lassen.
Als weiteren emotionalen Unterschied und Pluspunkt für die Puch küren wir den Sitzkomfort. Während man nämlich bei der KTM auf einem recht straff gepolsterten Sitzplatz hockt (und dafür zuvor das Bein übers hohe Heck geschwungen haben muss), fühlt sich das auf der Puch eher nach Fahrrad an, Modell Hollandrad – tiefe Sitzposition, hoher Lenker, bequemer Sattel.
Und ganz so falsch ist dieses Gefühl ja auch nicht. Da die Puch über ein komplett ungefedertes Heck verfügt, musste seinerzeit eine andere Lösung für mehr Fahrkomfort herhalten – der Sattel. Aus gewebeverstärktem Gummi gefertigt, stützt er sich via zweier parallel montierter Zugfedern am Rahmen ab. Und weil eben diese Federn in ihrer Vorspannung verstellbar sind, kann somit auch der Komfort justiert werden, zwischen Sänften-artigem Nachschwingen und dezent bockigem Gesäß-Gewippe.
Einen Anflug von Wehmut spürten wir schließlich beim Startprozedere der kleinen Puch. Die wenigen Handgriffe, die vorab getätigt werden müssen, damit anschließend per definiertem Tritt auf den Fußhebel Kolben & Co. in Dauer-Schwung versetzt werden können, das hat schon eine eigene Art der Magie.
Ob es sich dabei um gute oder böse Magie handelt, hängt freilich vom weiteren Gelingen des Startversuchs ab. Fahrer jüngerer Motorräder werden diese elektrisierenden Momente der Inbetriebnahme kaum nachempfinden können, woher denn auch. Die moderne Technik ist deutlich bedienfreundlicher geworden, erfordert weniger technischen Aufwand und Pflege.
Am ehesten sind diese Augenblicke zwischen Hoffen und Bangen, ob es mit der Initialzündung überhaupt klappt, daher vielleicht noch mit der ersten Betätigung des Startknopfes nach der Winterpause zu vergleichen – dann, wenn der Anlasser einen Tick länger als gewöhnlich dreht.
Angetreten, Platz genommen, los gefahren
Gute, letzte Worte
Wir wollen ihnen, liebe Leser, abschließend nicht vorenthalten, wie der eingangs zitierte Fahrbericht der Puch 125 T im auto touring anno 1947 endete – mit einer Bestandsaufnahme, die sogar 75 Jahre später noch vollinhaltlich übernommen werden kann.
Voilà: "Wir wollen also bescheiden sein und uns fürs Erste mit der kleinen, treuen 125er begnügen – in einiger Zeit wird sicher etwas Kräftigeres nachkommen."
Wie wahr, wie wahr, denn damals wie heute fungiert die Achtelliterklasse als Einstieg in die Welt der großen und stärkeren Motorräder. Geändert hat sich in all diesen Jahren jedoch der Stellenwert des Motorrads, weg vom Fortbewegungsmittel für die Massen, hin zum vergnüglichen Freizeitobjekt.
Ob die Gültigkeit dieses Satzes weitere 75 Jahre überdauern kann? Wir hegen da leichte Zweifel…
Die schönsten Aufnahmen aus dem Fotostudio
Persönlicher Appendix
Es war im Herbst 1978, als ich in einem Weinviertler Krankenhaus meine Einleitung ins irdische Dasein erlebte. Warum ich das hier erwähne? Nun, Zweirad-Artikel verfasse ich seit etwa 15 Jahren, meine (wortwörtliche) Erfahrung mit Motorrädern älterer Baujahre reichte bis dato nur in die sehr frühen 1980er-Jahre zurück. Was davor produziert wurde, kannte ich also bestenfalls im statischen Zustand. Doch weil es bekannterweise meist anders kommt als man denkt, führte mich die Suche nach dem allerersten Motorrad-Fahrbericht im auto touring nicht nur literarisch in das Jahr 1947 zurück, sondern bescherte mir schlussendlich sogar diese kleine Zeitreise mit der Puch 125T – und davon künden diese Zeilen hier.
Möglich wurde der charmante Vergleich dank der tatkräftigen Unterstützung von Karl Pollak und Puch-Spezialist RBO Stöckl – herzlichen Dank dafür.