Der vergessene Paragraph
ÖAMTC-Rechtsberatung: Aus der Praxis - Anhalten bedeutet Vorrang-Verzicht.
Ihr Recht von Dr. Martin Stichlberger, ÖAMTC-Jurist
Wann verzichtet man auf Vorrang?
Der Clubjurist staunte nicht schlecht, als ein Mitglied mitten in der Rechtsberatung ein Notebook zückte: „Schauen Sie sich den Unfall auf Video an. Wer ist schuld?“ Herr F. hatte, wohl unzulässigerweise, eine sogenannte Dashcam verwendet; dies ist aus Datenschutzgründen nur sehr eingeschränkt erlaubt (Details siehe www.oeamtc.at/dashcams).
Videobeweis
Ideal jedoch für die Rechtsberatung, denn der Hergang war klar zu sehen: Herr F. hatte vor einer Kreuzung eine Nachrangtafel zu beachten. Von rechts kam ein bevorrangter Pkw, dessen Lenker hielt jedoch etwa zwei Meter vor der Kreuzung an, um eine Fußgängerin passieren zu lassen. Dann fuhr er los und stieß in Kreuzungsmitte gegen den Pkw von Herrn F., der ohne Anhalten durchgefahren war.
Wer ist schuld?
Der Gegner pochte sofort auf seinen Vorrang – zu Unrecht! Die StVO besagt: „Das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, aus welchem Grund immer, gilt als Verzicht auf den Vorrang.“ Einzige Ausnahme: Schienenfahrzeuge in Haltestellen.
Daran denkt im Verkehrsalltag kaum jemand! Halten beide Fahrzeuge an, hat beim Wiederanfahren nicht etwa das ursprünglich bevorrangte Vorrang; die Lenker:innen müssen vielmehr Kontakt aufnehmen und klären, wer zuerst fahren darf. Unterbleibt dies, wird das Verschulden 1:1 geteilt.
Zwickmühle
Herrn F. stand eine schwere Entscheidung bevor: Sollte er das (unerlaubte) Video bei Gericht als Beweismittel nutzen (das wäre grundsätzlich zulässig) und dafür die Strafe nach dem Datenschutzgesetz riskieren? Doch es kam anders: Der Unfallgegner war dermaßen von seinem Vorrang überzeugt, dass er seiner Versicherung den Ablauf korrekt schilderte. Für den ÖAMTC war es damit ein Leichtes, Herrn F. bereits außergerichtlich zu Schadenersatz zu verhelfen.
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