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Mysterium „Fahrerflucht“

ÖAMTC-Rechtsberatung: Aus der Praxis - Viele Delikte werden mit „Fahrerflucht“ bezeichnet.

RSa-Brief ("Blauer Brief") ÖAMTC auto touring / HE
RSa-Brief © ÖAMTC auto touring / HE

Ihr Recht von Dr. Martin Stichlberger, ÖAMTC-Jurist

Ein gehöriger Schreck durchfuhr Frau Dr. A. beim Öffnen des blauen Briefes. Der Vorwurf: Sie hätte beim Abbiegen einen parallel abbiegenden Pkw geschnitten und dabei beschädigt; der Lenker erstattete Anzeige. Frau Dr. A. hatte keinen solchen Vorfall bemerkt und war weitergefahren. "Oh Gott, Fahrerflucht", seufzte sie bei der Rechtsberatung. "Was droht mir - Strafe, Führerscheinverlust?"

Worthülse

Erstaunlich: Das Gesetz kennt das gefürchtete Wort Fahrerflucht gar nicht! Vielmehr werden im Volksmund damit verschiedene Delikte bezeichnet. Denn nach einem Unfall bestehen etliche Pflichten, unter anderem: sofort anhalten; an der Feststellung des Sachverhalts mitwirken; gegenseitiger Identitätsnachweis oder unverzüglich das nächste Wachzimmer verständigen. Verletzt man eine dieser Pflichten (vulgo „Fahrerflucht“), kann für jedes einzelne Delikt eine Verwaltungsstrafe verhängt werden, meist ein paar Hundert Euro. Gibt es dazu noch Verletzte, kommt das echte Strafrecht zur Anwendung. Das Delikt heißt hier „Imstichlassen eines Verletzten“; dafür setzt es eine weit empfindlichere Strafe.

Freispruch 

Frau Dr. A. erhob Einspruch und besorgte sich eine Aktkopie. Der Clubjurist entdeckte die Schwachstelle: Der Anzeiger konnte der Polizei außer „Gummiabrieb, der wegpoliert werden kann“, keinen echten Schaden nachweisen. Das Verfahren wurde eingestellt, denn ohne Schaden gibt’s auch keine „Fahrerflucht“! Die Meldepflicht entfällt übrigens auch dann, wenn ein Schaden ausschließlich am eigenen Fahrzeug eingetreten ist.

Gut zu wissen 

  • Die Haftpflichtversicherung kann sich (nur) dann beim Fahrerflüchtigen regressieren, wenn ein Verdacht auf Alkoholisierung besteht. Neue schärfere Klauseln einiger Versicherungen sehen vor, dass der Regress nach jeder Verurteilung automatisch möglich sein soll. Ob das tatsächlich zulässig ist, ist noch offen. 
  • Bei den „Fahrerfluchtsdelikten“ kommt es nicht darauf an, ob man schuld ist; es reicht, dass das Verhalten „in ursächlichem Zusammenhang“ mit dem Unfall steht. 
  • Hält man einen Schaden für möglich und findet kein Datenaustausch statt, empfiehlt sich daher im Zweifel immer die polizeiliche Meldung – diese hat „ohne unnötigen Aufschub“ zu erfolgen. 

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