KI deckt gefährliche Situationen auf dem Schulweg auf
Der Club hat das Verkehrsgeschehen vor einer oberösterreichischen Schule beobachtet und mittels künstlicher Intelligenz (KI) analysiert.
Jedes Jahr passieren auf Österreichs Schulwegen etwa 460 Unfälle mit Personenschaden. Doch diese Unfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Viel häufiger gibt es „Beinahe-Unfälle“, die oft unbemerkt bleiben. Um diese Gefahren aufzudecken, hat der ÖAMTC in Zusammenarbeit mit dem AIT Austrian Institute of Technology das Verkehrsgeschehen vor einer oberösterreichischen Schule beobachtet und mittels künstlicher Intelligenz (KI) analysiert.
Herzstück der Beobachtungsstudie ist die „Mobility Observation Box“ (MOB). Eine kleine, unauffällige Box, die alle Verkehrsteilnehmenden anonym erfasst, sie mittels KI nach Fortbewegungsart klassifiziert und ihr Verhalten bewertet. Anhand definierter Parameter werden so gefährliche Situationen aufgezeigt, aus denen sich Verbesserungsmaßnahmen ableiten lassen. „Künstliche Intelligenz ist genauer, objektiver und kann mehrere gleichzeitige Interaktionen erfassen und bewerten“, erklärt Michael Aleksa, Verkehrsforscher am AIT, das das System entwickelt hat.
Im Beobachtungszeitraum von fünf Schultagen wurden vor der Schule im Zentralraum knapp 3.400 Verkehrsinteraktionen aufgezeichnet und analysiert: der Hauptanteil (73 Prozent) entfällt auf PKW, Fußgänger:innen machen rund 20 Prozent aus. Jeweils weniger als 3 Prozent sind mit Fahrrad, Bus, Lieferwagen oder LKW unterwegs. Die Schule liegt in einem Wohngebiet mit Tempo-30-Zone. Die Verkehrsinfrastruktur vor der Schule ist übersichtlich und klar gestaltet. „Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass zahlreiche Verhaltensfehler begangen wurden, die beispielgebend sind und so auch täglich überall vor Schulstandorten vorkommen können. Viele gefährliche Situationen würden sich vermeiden lassen, wenn alle erwachsenen Verkehrsteilnehmenden aufmerksam unterwegs und sich ihrer Vorbildrolle bewusst wären“, sagt ÖAMTC Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.
Konfliktsituationen
Besonders häufig fuhren Pkw-Lenker:innen morgens an dem in der Bushaltestelle stehenden Bus vorbei – manche auch dann noch, wenn der Bus bereits angehalten hatte und Kinder ausgestiegen waren. Zur Erinnerung: An Schulbussen – erkennbar an einer Schulbuswarntafel – darf bei eingeschalteten gelbroten Leuchten sowie aktivierter Warnblinkanlage nicht vorbeigefahren werden – egal, ob mit Rad, Motorrad, Pkw, Bus oder Lkw. An gewöhnlichen Linienbussen – wie vor der beobachteten Schule – ist das Vorbeifahren zwar gestattet, trotzdem gilt erhöhte Vorsicht, reduziertes Tempo und volle Konzentration auf Personen im Haltestellenbereich. „Insbesondere kurz vor Unterrichtsbeginn bzw. nach Unterrichtsschluss ist immer mit Schüler:innen auf der Straße zu rechnen – oft auch in Gruppen –, die besonders unaufmerksam gegenüber Geschehnissen im Verkehrsumfeld sind“, betont die Expertin.
In der Beobachtungsstudie fielen weiters Personen auf, die ihr Fahrzeug mitten auf der Fahrbahn anhielten, um ihr Kind ins Auto steigen zu lassen. Rund 60 Prozent der Pkw-Lenker:innen hielten sich an die Tempo-30-Beschränkung. Ein Drittel hatte mit einem Tempo bis 45 km/h den Tacho nicht im Blick, etwa drei Prozent waren noch schneller unterwegs. „Das Überschreiten eines Tempolimits vor einer Schule ist ein absolutes No-Go“, mahnt Seidenberger.
Vorbildfunktion von Erwachsenen
Kinder sind im Straßenverkehr besonders schutzbedürftig und von der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgenommen. Die Verantwortung liegt bei den erwachsenen Verkehrsteilnehmenden. „Erwachsene, insbesondere Eltern und Pädagog:innen, sollten sich ihrer Vorbildrolle bewusst sein. Kinder lernen durch Nachahmung, und wünschen sich, dass Erwachsene ihre Rolle als Vorbild ernst nehmen“, so Seidenberger.
Gefahrenstellen entschärfen
Nicht immer sind Unfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. „Verkehrssicherheit hängt ganz wesentlich von der Interaktion der Verkehrsteilnehmenden untereinander sowie mit der Straßeninfrastruktur ab. Unfallbegünstigende Faktoren sollten beseitigt oder zumindest so weit wie möglich entschärft werden“, sagt Harald Großauer, Landesdirektor des ÖAMTC Oberösterreich. Sind bauliche Verbesserungen nicht möglich, sollte Kindern diese Gefahrenstelle gut erklärt und mit ihnen dort das richtige Verhalten geübt werden.
Wirksam und kostengünstig
Die wirksamste Maßnahme ist und bleibt, sich möglicher Herausforderungen oder Gefahren im Straßenverkehr bewusst zu sein. Das A und O: Kindern angstfrei richtiges Verhalten zeigen und sich besonders bei jüngeren Kindern Zeit für Schulwegtraining und Erklärungen nehmen. „Bitte wiederholen Sie die Verkehrsregeln mit Ihren Kindern rechtzeitig und regelmäßig, bevor die Schule wieder anfängt. Für alle Verkehrsteilnehmenden, aber vor allem für Fahrzeuglenkende, gilt es, achtsam und bremsbereit unterwegs zu sein und besonders auf die Jüngsten und Schwächsten im Straßenverkehr zu achten“, appelliert Großauer.
Hilfreiche Tipps für einen sicheren Schulweg sind in der Schulweg-Broschüre des ÖAMTC zu finden – als Download unter www.oeamtc.at/schulweg.
(Vlnr.) Harald Großauer, Landesdirektor ÖAMTC Oberösterreich, mit ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger und Verkehrsforscher Michael Aleksa vom AIT Austrian Institut of Technology.