ÖAMTC: Fünf E-Lastenfahrräder im Vergleichstest
Expertentipps: Was ist vor dem Kauf eines Lastenrades zu beachten?
Elektro-Lastenfahrräder bieten im urbanen Raum vielfältige Transportmöglichkeiten: vom gewerblichen Transport von Waren bis hin zur privaten Nutzung als "Kinder-Taxi" oder für den großen Familien-Wocheneinkauf. Das beachtliche Gepäckvolumen und die hohe Zuladung in Kombination mit dem Elektroantrieb ermöglichen auf kürzeren Strecken Transportaufgaben, die mit einem Kleinwagen vergleichbar sind. "Damit kann ein E-Lastenrad unter gewissen Voraussetzungen durchaus eine Alternative zum Auto werden. Die Anschaffung will aber gut überlegt sein und auch das Fahrverhalten bedarf Übung und eines angepassten Fahrstils im Vergleich zu einem herkömmlichen Fahrrad", berichtet ÖAMTC-Techniker Steffan Kerbl aus den Praxiserfahrungen des Tests.
Der Mobilitätsclub und seine Partner haben fünf im Preisrahmen von etwa 3.000 bis 8.000 Euro am Markt erhältliche dreirädrige Lastenfahrräder mit Elektroantrieb nach verschiedensten Kriterien getestet. Zwei Testkandidaten schnitten darin "gut" ab, zwei "befriedigend" und einer fiel im Test durch, alle Details unter www.oeamtc.at/tests.
Zwei "gut", zwei "befriedigend" und ein "nicht genügend" im Vergleichstest
Das "e-kids" von Chike aus Deutschland schnitt im Test "gut" ab. Es punktet mit einer soliden Verarbeitung und hoher Sicherheit. Durch die Neigungstechnik ist es ähnlich einem "normalen" Fahrrad zu fahren. Für das Modell sind verschiedene Transport-Aufsätze erhältlich – im Test kam eine überdachte Variante speziell für den Kindertransport zum Einsatz. Ebenfalls "gut" bewertet wurde das "MK1-E Automatik" des dänischen Herstellers Butchers & Bicycles. Es ist wertig verarbeitet, gut ausgestattet sowie gefedert und punktet mit einem kräftigen Motor und einem wartungsfreien Riemenantrieb. Die Kindersicherheit leidet allerdings unter dem Umstand, dass die Köpfe oben ungeschützt herausschauen – das hat sich in einem Crashtest des ÖAMTC im Juli 2021 als gefährlich herausgestellt.
Ein "befriedigend" erreichte das Lastenrad "e-Family" des Herstellers Nihola aus Dänemark. Der Antrieb verfügt einerseits über die größte Reichweite, andererseits spricht der Motor spät und heftig an – in Kombination mit der sehr direkten Lenkung stellt sich ein unsicheres Fahrgefühl bei höheren Geschwindigkeiten ein. Das "Go-E" des niederländischen Herstellers Babboe sieht stylisch aus, erzielte im Test aber ebenfalls nur ein "befriedigend". Die Fahreigenschaften fallen "nervös" aus – bei hohem Tempo schaukelt sich das Rad auf. Die geschwindigkeitsabhängige Unterstützung führt zu schwachen Ergebnissen am Berg. Die Reichweite war im Test die geringste von allen Kandidaten.
Das einzige "nicht genügend" im Test geht an den "Carry 3" von Hersteller Vogue aus den Niederlanden. "Geschuldet ist das den gefährlich schwachen und einseitig ziehenden Bremsen. Auch die Kabelverlegung und das fehlende Prüfzeichen beim Licht sind negativ aufgefallen. Außerdem haben wir in den Griffen und im Sattel den Schadstoff Naphthalin gefunden, der im Verdacht steht, krebserregend zu sein", erklärt der ÖAMTC-Techniker das schlechte Abschneiden. Alle Testergebnisse im Detail sind unter www.oeamtc.at/tests abrufbar.
Was es vor dem Kauf eines Lastenrades zu beachten gilt – Tipps des Experten
- Sich im Fachhandel beraten lassen und ggf. die Kinder mitnehmen, um die Transportmöglichkeit von Kindern auszuprobieren.
- Unbedingt Probe fahren. "Das Fahrverhalten in Kurven in Kombination mit dem E-Antrieb erfordert ein vorsichtiges Herantasten, egal mit welchem Lenkungssystem. Nach Möglichkeit sollte man das Fahrrad auch mit Beladung ausprobieren", so Kerbl. Besonders die Bremseigenschaften prüfen.
- Kinder unter 12 Jahren müssen einen Helm tragen und mit einem Gurtsystem gesichert sein. "Für den Fall, dass ein Lastenrad umkippt, sind Kinder besser geschützt, wenn der Kopf nicht über die Kante der Transportwanne ragt und ‘Überrollbügel’ vorhanden sind", weiß der Techniker aus vergangenen Crashtests des Mobilitätsclubs.
- Auf die Fahrzeugbreite achten. Auf Radwegen sind Lastenräder mit maximal 100 cm Breite zugelassen, sonst muss man auf der Straße fahren. Alle fünf Testkandidaten liegen unterhalb dieser Breite.
- Vorab Abstellmöglichkeiten klären: verwinkelte Gänge (vergleichsweise großer Wenderadius) oder Stiegen zu einem Fahrradabstellraum bzw. die Größe desselben können ein K.O.-Kriterium sein. Das Abstellen draußen ist erlaubt, aber in Hinblick auf die Haltbarkeit der Komponenten nicht empfehlenswert.
- Das Abstellen auf der Straße zwischen parkenden Autos ist erlaubt, unbedingt mittels Parkbremse vor einem Wegrollen sichern. Auf dem Gehsteig ist das Abstellen erlaubt, wenn dieser breiter als 2,5 Meter ist und niemand behindert wird. Sind Fahrradständer auf der Straße oder am Gehsteig in der Nähe vorhanden, kann man diese zwecks Sicherung nutzen.
- Abstellen in Ladezonen: "Halte- und Parkverbotszonen" mit dem Zusatz "ausgenommen Ladetätigkeit" dürfen mit Lastenfahrrädern für Ladetätigkeiten verwendet werden, wenn es sich um ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmte Lastenfahrräder handelt.
Abschließendes Statement von ÖAMTC-Techniker Steffan Kerbl in Richtung der Hersteller: "Lastenräder mit Elektroantrieb haben das Potenzial, im städtischen Raum und im Kurzstreckenverkehr eine ernsthafte und nachhaltige Alternative in der individuellen Mobilität zu werden. Gerade in Städten und Mehrparteienhäusern fehlt aber oft der private Raum, solche großen Lastenräder unterzustellen – daher müssen die Gefährte mit all ihren Komponenten aus unserer Sicht so konzipiert werden, dass sie längerfristig sicher und unter allen Witterungsbedingungen draußen stehen können – wie ein Pkw oder Motorrad."
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