ÖAMTC: Kinder gehören im Straßenverkehr zu den schwächsten Teilnehmern
Bewegungsdrang und Entdeckerfreude größer als Gefahrenbewusstsein
Kinder brauchen Bewegung, bevorzugt an der frischen Luft – in Zeiten der Pandemie gilt das mehr denn je. Im Straßenverkehr kann es jedoch schnell herausfordernd für sie werden: Im Jahr 2019 verunglückten auf Österreichs Straßen insgesamt 1.278 Kinder unter 15 Jahren, die aktiv am Verkehrsgeschehen teilgenommen haben (Quelle: Statistik Austria; nicht inkludiert sind Unfälle als Mitfahrende im Kfz). Interessantes Detail: Etwa doppelt so viele Buben (865; 67,7 Prozent) wie Mädchen (413; 32,3 Prozent) waren daran beteiligt. ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger über den Hintergrund: "Studien zeigen, dass Buben am Gehsteig häufiger in Fahrbahnnähe spielen, hüpfen und rennen, riskantere Querungsmöglichkeiten über die Straße wählen und unaufmerksamer sind. Unterschiede gibt es auch in der Entwicklung und Wahrnehmung."
Warum Kinder, ob Buben oder Mädchen, im Straßenverkehr besonders gefährdet sind, erklärt die Verkehrspsychologin so: "Können Kinder erst einmal laufen, sind Bewegungsdrang und Entdeckerfreude grenzenlos – Gefahrenbewusstsein und Wahrnehmung sind dagegen noch nicht so ausgeprägt." Insbesondere Kinder im Kindergarten- und Volksschulalter sehen, hören und reagieren anders als Erwachsene. Räumliche Wahrnehmung fällt ihnen schwer, sie können Entfernungen von anderen Verkehrsteilnehmern noch nicht gut abschätzen, haben längere Reaktionszeiten, sind sehr spontan und leicht ablenkbar. Auch der Gesamtüberblick fehlt ihnen aufgrund der geringen Körpergröße oft.
Kinder aus dem Vertrauensgrundsatz der StVO ausgenommen
"Ziel aller im Straßenverkehr muss es sein, Kinder – die zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern zählen – zu schützen und ihre altersbedingten Schwächen zu berücksichtigen", hält Marion Seidenberger fest. Zur Erinnerung: Kinder sind aus dem Vertrauensgrundsatz der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgenommen. Man darf also nicht davon ausgehen, dass sie die Verkehrsregeln kennen und anwenden können, sich der Gefahren bewusst sind und sich entsprechend verhalten. Durch erhöhte Aufmerksamkeit, Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und Bremsbereitschaft muss man sich so verhalten, dass eine Gefährdung der Kinder ausgeschlossen ist.
Alle Erwachsenen und besonders engste Bezugspersonen sind Vorbilder
Erwachsene sind Vorbilder für die Kinder, weiß die ÖAMTC-Expertin: "Kinder beobachten und lernen viel am Beispiel Anderer. Ob Gehsteigbenützung, Querungen an vorgesehenen, markierten Stellen, ausschließliche Nutzung der Grünphase, begleitende Pendelblicke zur Beobachtung des Umfelds oder das Inkaufnehmen von kleinen Sicherheitsumwegen: All das sollte nicht nur mit engsten Bezugspersonen trainiert, sondern von Erwachsenen allgemein vorgelebt werden." Dabei ist es auch wichtig, Kinder nicht unter Druck zu setzen oder zu hetzen. Sie brauchen mehr Zeit als Erwachsene, um Situationen zu erfassen und einschätzen zu können, bevor sie handeln. Für Kinder können oft gesehene, falsche Verhaltensweisen von Erwachsenen im Straßenverkehr, wie beispielweise gehen mit Blick auf das Handy, Querungen bei "Rot" oder abseits des Zebrastreifens, zum Verhängnis werden.