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ÖAMTC: Kleinkinder benötigen besondere Aufmerksamkeit im Straßenverkehr

Starker Bewegungsdrang bei mangelnder Risikoeinschätzung erfordert hohe Aufmerksamkeit von Begleitpersonen und anderen Verkehrsteilnehmer:innen

Im Herbst ist der Straßenverkehr besonders tückisch: Rutschige Fahrbahnen, schlechte Sicht und viele weitere Faktoren erhöhen die Unfallgefahr. Gleichzeitig muss sich die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer:innen auch wieder auf die Schüler:innen und Kleinkinder richten, die sich in den Wochen nach dem Schulstart erst noch an ihren Schul- oder Kindergartenweg gewöhnen müssen. Schließlich ist für viele von ihnen nicht nur der Weg ungewohnt, auch der tägliche Umgang mit dem Straßenverkehr kann zur Herausforderung werden. Dennoch kommt es immer wieder zu Unfällen, bei denen Kleinkinder verletzt werden.

Zwtl.: Gefahr durch fehlendes Gefahrenbewusstsein, Spontanität und fehlende Risikoabschätzung der Jüngsten

Bis zu einem Alter von etwa fünf Jahren besitzen Kinder noch kein Bewusstsein für Gefahren. Je nach Entwicklung setzt ein erstes vorsichtiges Gefahrenbewusstsein erst ab dem vierten Lebensjahr ein. Mit etwa fünf bis sechs Jahren können Kinder dann auch akute Gefahren erkennen. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie im Straßenverkehr geeignete Verhaltensweisen anwenden können. Besonders heikel kann dann zum Beispiel der Wechsel von einer Spielsituation in den Straßenverkehr sein. Wenn Kinder sich auf Spielplätzen oder in Parks gerade noch "frei" bewegen konnten, haben sie danach im Straßenverkehr oft Schwierigkeiten, sich wieder an die neue Situation mit Verkehrsregeln anzupassen. "In diesen 'Grenzzonen' müssen die Begleitpersonen besonders aufmerksam sein. Sie müssen den Bewegungsdrang der Kinder auffangen und die Kleinen auf mögliche Gefahren vorbereiten. Gerade hier ist es besser, die Kinder an die Hand zu nehmen und Roller oder Laufrad gegebenenfalls zu tragen", erklärt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.

"Wer mit Kleinkindern unterwegs ist, muss stets aufmerksam und reaktionsschnell sein, die Spontanität der Kleinen darf nicht unterschätzt werden. Selbst wenn sie gerade noch im Schritttempo neben einer Begleitperson hergehen, kann ihre Aufmerksamkeit ohne Vorwarnung auf andere Dinge gelenkt werden. Ein spontanes Weglaufen, aber auch wie angewurzelt Stehenbleiben oder ein Wälzen auf dem Boden in der Trotzphase erfordern im Straßenverkehr eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit von allen Verkehrsteilnehmer:innen", erläutert die Verkehrspsychologin. Daher sollten Begleitpersonen, die mit Kleinkindern im Straßenverkehr unterwegs sind - genauso wie Fahrzeuglenker:innen - auf jeden Fall auf Ablenkungen - z. B. das Smartphone und das Musikhören mit Kopfhörern - verzichten, damit sie sich voll auf Kinder im Straßenverkehr konzentrieren können.

Zwtl.: Auch im beruhigten Verkehr immer wieder Unfälle mit Verletzungen

Allein im vergangenen Jahr wurden österreichweit 118 Kleinkinder im Alter bis fünf Jahre als Fußgänger:innen im Straßenverkehr verletzt (Quelle: Statistik Austria). 85 Prozent der Unfälle ereigneten sich bei guten Sichtverhältnissen und knapp 80 Prozent bei trockener Fahrbahn. Die Hauptaltersgruppe der verletzten Kleinkinder war mit knapp 30 Prozent jene der Dreijährigen. Ein besonderes Risiko stellen auch Schutzwege dar: Obwohl sie eigentlich ein gefahrloses Queren der Straße ermöglichen sollten, geschehen rund 25 Prozent aller dokumentierten Verletzungen der Kleinkinder nach Unfällen auf Zebrastreifen. Auch verkehrsberuhigte Zonen wie Wohnstraßen und Fußgängerzonen sind von Unfällen, bei denen Kleinkinder verletzt werden, nicht ausgenommen. "Kleinkinder haben entwicklungsbedingt auch Schwierigkeiten, Entfernungen oder Geschwindigkeiten herannahender Verkehrsteilnehmer:innen wahrzunehmen", führt Seidenberger aus. In Niedertempozonen (bis 30 km/h) gab es 2023 knapp 50 verletzte Kleinkinder, im Tempobereich zwischen 40 und 50 km/h sogar knapp 70 verletzte Kleinkinder.

Zwtl.: Kinder aus dem Vertrauensgrundsatz der StVO ausgenommen

Seidenberger appelliert daran, in der Nähe von Kindern im Straßenverkehr besondere Vorsicht walten zu lassen: "Kinder verhalten sich entwicklungsbedingt spontan und aus Sicht der Erwachsenen oft 'unüblich' und überraschend. Ihr Gefahrenbewusstsein und ihre Wahrnehmung sind noch nicht ausreichend entwickelt. Hinzu kommt, dass sie die Verkehrsregeln nicht kennen." Letztlich sind Kinder genau aus diesen Gründen auch vom Vertrauensgrundsatz der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgenommen. "Man darf also nicht davon ausgehen, dass Kinder Gefahrensituationen erkennen und sich richtig verhalten. Sinnvoll ist es für alle Lenker:innen, die Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren, sobald sie Kinder in Straßennähe bemerken. Begleitpersonen von besonders aktiven Kleinkindern wird empfohlen, die Kinder an der Hand zu führen und ihre Aufmerksamkeit voll auf die Kinder zu richten", so die Verkehrspsychologin abschließend.