ÖAMTC-Test: Wallboxen mit Lastmanagement
Wie die oft befürchtete Überlastung des Stromnetzes verhindert werden kann.
Wie die oft befürchtete Überlastung des Stromnetzes verhindert werden kann.
ÖAMTC Studie zum Lastmanagement
Wenn mehrere Elektroautos in Mehrfamilienhäusern gleichzeitig geladen werden sollen, ist schnell der Stromanschluss im Haus überlastet und muss teuer verstärkt werden – so denken viele. Das muss nicht zwangsläufig der Fall sein, wie der ÖAMTC in dieser Studie zum Lastmanagement von Wallboxen zeigt.
Auch wenn derzeit immer mehr öffentliche Ladestationen entstehen, ist es für die Nutzer am bequemsten, effektivsten und im Normalfall auch am günstigsten, E-Autos zu Hause zu einem deutlich günstigeren Tarif zu laden. Was in Einfamilienhäusern meist gut funktioniert, ist in größeren Wohngebäuden jedoch oft nicht so einfach zu realisieren.
Aktuell verfügen nur sehr wenige Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern über Lademöglichkeiten. Der Grund für die schlechte Ausstattung liegt neben der noch immer geringen Nachfrage seitens der Eigentümer bzw. Mieter auch in den teils sehr hohen Kosten für die Installation, einer zu geringer Wirtschaftlichkeit sowie den regulatorischen Unsicherheiten wie etwa im Wohneigentumsrecht, im Mietrecht oder bei technischen Normen. Ein wesentlicher Grund ist jedoch häufig die technische Gegebenheit in Bezug auf den Elektroanschluss in der Tiefgarage.
Grundsätzlich können in Tiefgaragen neben den klassischen Verbrauchern, wie Beleuchtungen und elektrischen Garagentoren, auch Elektroautos geladen werden, sofern der Hausanschluss genügend Leistungsreserven hat. Falls nicht, muss die zur Verfügung stehende Ladeleistung mittels eines Lastmanagementsystems auf die gleichzeitig ladenden E-Autos aufgeteilt werden. Damit kann i.d.R. eine Erweiterung des bestehenden Hausanschlusses bzw. ein zusätzlicher Hausanschluss für die Tiefgarage vorerst vermieden werden. Ähnliches gilt auch für Neubauten, da auch bei diesen durch ein Lastmanagement-System der elektrische Hausanschluss von Beginn an optimal dimensioniert und kostenoptimiert dargestellt werden kann.
Um dies nachzuweisen wurden Lastmanagement-Systeme von vier unterschiedlichen Anbietern betrachtet und mit verschiedenen Elektroautos mehrere Ladeszenarien überprüft. Die Auswahl der Lösungen sollte verschiedene Einsatzmöglichkeiten und Anforderungsprofile von einer geringen bis großen Anzahl an Ladepunkten abbilden, von einfachen Systemen mit wenig Funktionsumfang bis hin zur professionellen Lösung mit zahlreichen Funktionen und Abrechnungsmöglichkeiten. Dabei wurden die Montage, die Konfiguration und die Inbetriebnahme sowie der statische und dynamische Betrieb in verschiedenen Lastszenarien untersucht und die Funktion beurteilt.
Technischer Hintergrund
Ein Lastmanagement teilt die verfügbare Leistung des bestehenden Stromanschlusses auf die zu ladenden Elektroautos auf oder setzt den Ladevorgang gegebenenfalls solange aus, bis wieder genügend Leistung zur Verfügung steht.
Man unterscheidet dabei zwischen dem statischen- sowie dem dynamischen Lastmanagement.
- Beim statischen Lastmanagement wird eine fest zugeteilte (statische) Ladeleistung bedarfsabhängig auf die zu ladenden Elektroautos verteilt.
- Beim dynamischen Lastmanagement hingegen wird der aktuelle Leistungsbezug des Hauses gemessen und von der maximal verfügbaren Leistung des Stromanschlusses abgezogen. Die sich stets ändernde, verfügbare Leistung wird flexibel („dynamisch“) auf die zu ladenden Elektroautos verteilt.
Das dynamische Lastmanagement nutzt gegenüber dem statischen Lastmanagement die mögliche Leistung des Stromanschlusses deutlich effektiver aus, da insbesondere bei geringem Stromverbrauch im Haus (z.B. nachts) mehr Leistung für die Ladung der Elektroautos genutzt werden kann. Einfach gesagt: Ist der Stromverbrauch im Haus gering, steht viel Strom für die E-Autos zur Verfügung, steigt der Stromverbrauch an, steht weniger Ladestrom für die E-Autos zur Verfügung. Dadurch wird die Hausanschlussleistung bestmöglich ausgenutzt.
Eine besondere Herausforderung stellen für Lastmanagementsysteme Elektroautos dar, die nur eine oder zwei Stromphasen zum Laden nutzen. Diese erzeugen im dreiphasigen Stromnetz eine unsymmetrische Belastung, eine sogenannte Schieflast, deren Differenz in Österreich laut Vorschrift insgesamt nicht größer als 3,7 kW (16 Ampere) zwischen den einzelnen Stromphasen sein darf. Auswirken kann sich die Schieflast auf eine Verschiebung des Nullpunkts, wodurch die Phasenspannungen nicht mehr die eigentlichen jeweils 230V betragen können.
Auswahlkriterien
Die Auswahl der Lastmanagement-Systeme erfolgte anhand folgender Kriterien:
- Funktionsumfang
- Einsatzmöglichkeiten
- mögliche Anzahl an Ladepunkten
- technische Umsetzung des Lastmanagements
- Marktrelevanz
Produkte
Für die Durchführung der Tests wurden Lastmanagement-Systeme vier verschiedener Anbieter mit je drei Wallboxen ausgewählt.
- drei ABL Wallboxen eMH1 (11 kW) mit homeCLU (Steuereinheit)
- eine KEBA KeContact P30 x-series (Leader) und zwei KeContact P30 c-series (Follower) (je 22 kW)
- drei WEBASTO LIVE (je 22 kW)
- ein TMH ChargePilot mit drei unterschiedlichen, OCPP-fähigen 22 kW Wallboxen
Zuverlässig und solide
Die durchgeführten Tests zeigen, dass die vier untersuchten Lastmanagementlösungen zuverlässig und solide funktionieren und eine Überlastung des Stromanschlusses verhindern. Was das Thema Benutzerfreundlichkeit und Bedienung betrifft, gibt es jedoch noch Verbesserungspotenzial. Diese könnte weitaus intuitiver sein. Zudem bleibt den Nutzern oft verborgen, was das System aktuell genau macht und wie es die zur Verfügung stehende Ladeleistung im Hintergrund regelt.
Tipps und Empfehlungen zur Beschaffung der richtigen Wallbox inkl. Lastmanagement
Bei der Auswahl einer bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur (Wallbox) mit Lastmanagement gibt es zahlreiche Merkmale und Funktionen die zu beachten sind. Hierbei sollte man sich vorab von einem erfahrenen Dienstleister beraten lassen, damit die wesentlichen Anforderungen an die Ladeinfrastruktur erfüllt sind und die Ladeinfrastruktur auch für spätere Ergänzungen oder neue Bedürfnisse zukunftsfähig bleibt. Der ÖAMTC empfiehlt, dass wenn es zur Realisierung und Umsetzung des Vorhabens kommt, die Installation sowie Inbetriebnahme ebenfalls von Fachleuten mit Erfahrung bei Lastmanagement-Systemen vorgenommen werden sollte.
Empfehlungen des ÖAMTC
- Informationen zum Ladestatus sowie der Ladeleistung sollen für Nutzer selbsterklärend und jederzeit einsehbar sein (Klartext-Display, beschriftete Leuchtdioden)
- Wallbox Hersteller sollten sich auf einheitliche Farben und Blinkcodes für Ladestatus und Fehler einigen
- Konfiguration und Inbetriebnahme sollten intuitiv und benutzergeführt sein
- Mit Auswahl, Installation und Konfiguration des Lastmanagement-Systems sollte ein Unternehmen mit Erfahrung bei Lastmanagement-Systemen beauftragt werden