Ladeverhalten von Elektrofahrzeugen im Winter
Wie wirken sich tiefe Temperaturen auf die Ladeeigenschaften von E-Autos aus und welchen Einfluss haben winterliche Bedingungen auf die Ladekosten?
Markus Kaiser, E-Mobilitätsexperte beim ÖAMTC
Hersteller von E-Autos werben mittlerweile mit Ladezeiten von 30 Minuten oder weniger. Solche Werte sind an Schnellladesäulen zwar erreichbar, allerdings nur unter optimalen Bedingungen. "Vor allem im Winter mit teils wirklich tiefen Temperaturen sieht es in der Praxis meist ganz anders aus", erklärt Markus Kaiser, E-Mobilitätsexperte beim ÖAMTC. "Einerseits sind längere Ladezeiten natürlich eine Komforteinbuße, andererseits aber auch eine finanzielle Mehrbelastung: Speziell an öffentlichen Ladestationen wird ja meist nach wie vor nach Zeit abgerechnet." Um herauszufinden, wie groß diese Problematik für Konsument:innen tatsächlich sein kann, hat der Mobilitätsclub das Ladeverhalten aktueller Elektro-Autos bei winterlichen Temperaturen überprüft.
Problemstellung und Testdurchführung
Neben der Aufladung über die oft genannte „80%-Ladezustandsmarke“, bei welcher bei den meisten Fahrzeugen ein erheblicher Leistungsabfall eintritt, ist vor allem die Temperatur ein entscheidender Faktor für die Ladeeigenschaften des Elektrofahrzeuges. Insbesondere tiefe Temperaturen in der Traktionsbatterie führen dazu, dass die Leistungsaufnahme des Fahrzeuges deutlich reduziert wird, was wiederum zu einer Ladezeiterhöhung führt. Tiefe Temperaturen in der Traktionsbatterie reduzieren aus Sicherheits- und Haltbarkeitsgründen die Leistungsaufnahmefähigkeit. Eine geringere Ladeleistung wirkt sich auf eine Erhöhung der Ladezeit aus. In Verbindung mit der Abrechnung nach Zeit erhöhen sich dadurch für den gleichen Ladevorgang die entstehenden Ladekosten.
Der Großteil der betrachteten Elektroahrzeuge wurden in einem Ladefenster von 0% auf 100% getestet. Um einen Vergleich zu den Ladezeitangaben der Hersteller durchzuführen, wurden gewisse Modelle speziell im Ladefenster von 10% bis 80% untersucht. Alle Fahrzeuge wurden im Vergleichstest einmal direkt nach der Fahrt, mit temperierter Batterie und einmal bei ausgekühlter Traktionsbatterie, nach einer Stehzeit von mind. 10 Stunden bei einer Umgebungstemperatur von rd. 0 °C und ohne zwischenzeitlich gefahren worden zu sein getestet. Die für die durchgeführten Tests ausgewählte Ladeinfrastruktur lieferte lt. Betreiber eine Ladeleistung von 300 kW.
Testfahrzeuge
Die Auswahl der Testfahrzeuge bildete nur eine Stichprobe aktuell am Markt verfügbarer Elektrofahrzeuge. Es wurden keine einzelnen Bewertungen vergeben und kein Testsieger ermittelt. Die Fahrzeuge wurden lediglich für sich allein, dabei jedoch bei unterschiedlichen Einflussbedingungen, auf deren Ladeeigenschaften untersucht.
Untersuchte Fahrzeuge in einem Ladezustandsfenster von 0% bis 100%
- Audi Q4 40 e-tron
- Cupra Born 77 kWh
- Hyundai IONIQ 5 72,6 kWh
- Kia e-Niro 64 kWh
- Peugeot e-2008
- Tesla Model 3 SR+
- VW ID.3 58 kWh
- VW ID.4 77 kWh
Untersuchte Fahrzeuge in einem Ladezustandsfenster von 10% bis 80%
- Renault ZOE ZE50
- Tesla Model Y MR
- VW eUP!
- VW ID.3 77 kWh
Ergebnisse der Ladevorgänge
Hinweis: Sämtliche Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung sind von den jeweils eingesetzten Elektrofahrzeugen abhängig und stellen lediglich eine stichprobenartige Beurteilung dar. Zudem haben Faktoren wie die bisherige Laufleistung, die entsprechende Alterung der Batterie sowie Software-Updates und etwaige Sonderausstattungen der Autos direkten Einfluss auf das jeweilige Ergebnis.
Fazit
Die Untersuchung der Ladevorgänge an den ausgewählten Elektrofahrzeugen zeigt, dass sich vor allem der Einfluss tiefer Temperaturen wesentlich auf die Ladeeigenschaften auswirkt. Temperaturen um den Gefrierpunkt, wie sie in Österreich in den Wintermonaten häufiger auftreten, machten sich bei allen getesteten Fahrzeugen in Form einer Ladezeiterhöhung bemerkbar. Bei manchen Fahrzeugen hielt sich diese höhere Ladezeit durch eine zumeist verbaute intelligente Batteriekonditionierung in Grenzen. Andere Modelle hingegen haben zur Schonung der Traktionsbatterie die Leistungsaufnahme deutlich reduziert, wodurch Ladezeiterhöhungen von bis zu knapp 30 Minuten festgestellt werden konnten.
Bei den Tests mit ausgekühlter Batterie war klar zu erkennen, dass die Ladeleistung vor allem in der unteren Hälfte des Batterieladefensters signifikant reduziert war, was eine unmittelbar längere Ladedauer zur Folge hatte. Diese Faktoren kennen Konsument:innen vor Beginn der Ladung nicht. Die Folge: Im Vorhinein abzuschätzen, wie lange man an der Säule steht und wie viel man bei einer Zeitabrechnung dadurch für die Ladung bezahlen muss ist praktisch nicht möglich.
Ladeinfrastrukturbetreiber sollten daher einheitlich nach kWh abrechnen, um z.B. jahreszeitbedingte Einflüsse auf die Ladeeigenschaften des Fahrzeugens zu verhindern. Hier schafft aus Sicht des ÖAMTC nur die Abrechnung nach kWh, also nach tatsächlich bezogener Energiemenge, Transparenz und Klarheit in der Abrechnung von Ladevorgängen im öffentlichen Bereich.
ÖAMTC Empfehlungen an die Fahrzeughersteller
- Fahrzeughersteller sollten Konsument:innen über die Ladekurve des Fahrzeuges unter sowohl sommerlichen als auch winterlichen Bedingungen informieren. Einzelne punktuelle Angaben unter Idealbedingungen repräsentieren das Ladeverhalten nicht ausreichend.
- Die Angabe der maximalen Ladeleistung ist wenig aussagekräftig, da sie oft nur für wenige Minuten erreicht werden kann. Für Konsument:innen deutlich nachvollziehbarer wäre die Angabe der durchschnittlichen Ladeleistung in zumindest einem Ladefenster von 10 bis 80 Prozent.
- Eine aktive Batteriekonditionierung (Temperierung) sollte serienmäßig bei allen Elektroautos verbaut werden.
- Die Batterietemperatur sollte im Fahrzeug angezeigt werden. Eine zusätzliche Information über die Zeitprognose bis zum Erreichen der idealen Batterietemperatur für Schnellladevorgänge wäre zudem hilfreich.
- Die Batteriekonditionierung sollte, soweit nicht durch technische Gründe ausgeschlossen, jederzeit durch Nutzer:innen manuell aktiviert werden können. Eine automatische, routenbasierte Batterieheizung ist optional hilfreich.
ÖAMTC Tipps für Konsument:innen
- Im Winter bei v.a. tieferen Temperaturen längere Ladezeiten einplanen.
- Die Batterietemperierung des Fahrzeuges - auch „Vorkonditionierung“ genannt - wenn verfügbar immer nutzen.
- Vor dem Fahrzeugkauf genau über Ladeverhalten unter verschiedenen (v.a. winterlichen) Bedingungen informieren.
- Bei einer Abrechnung nach Zeit, nicht direkt nach einer längeren Stehzeit und einer dadurch ausgekühlten Batterie zur Ladestation fahren. Entweder die Batterie vorkonditionieren oder den Ladevorgang erst nach einer entsprechenden Fahrstrecke einplanen.
- Nicht länger als bis zu einem Ladezustand von 80% laden, denn spätestens ab rd. 80% beginnt die Leistung bei allen Elektrofahrzeugen rapide zu sinken wodurch sich bei einer Abrechnung nach Zeit im Umkehrschluss die Ladekosten direkt erhöhen.