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DruckenDurch Schnee und Eis
Wenn es auf dem Luftweg nicht möglich ist, dann machen sich Notärztin und Flugretter gemeinsam mit der Bergrettung schon auch einmal zu Fuß auf den Weg zum Patienten.
Gemeinsam retten: Christophorus 33 und Bergrettung Reichenau
Es war schon dunkel über Wiener Neustadt, als wir Anfang März zu einem Einsatz ins Raxgebiet alarmiert wurden. Als die Pager losgingen, ahnten wir noch nicht, dass wir erst wieder in den frühen Morgenstunden auf den Stützpunkt zurückkehren sollten. Dazwischen lag nicht nur eine aufwendige Rettungsaktion, sondern auch perfekte Teamarbeit mit der Bergrettung Reichenau, die ein Leben retten sollte. Aber alles der Reihe nach:
Ein Brüderpaar aus der Slowakei war früher am Tag über den Haidsteig zur Seehütte aufgestiegen. Beim Abstieg über den Göbl-Kühn-Steig – bereits nach Einbruch der Dunkelheit – kamen die beiden jedoch vom markierten Weg ab und einer der beiden rutschte, trotz Halbsteigeisen, im unwegsamen, eisigen und felsigen Gebiet aus. Beim Sturz über einen Abbruch zog er sich schwere Verletzung zu. Seinem unverletzten Bruder gelang es, einen Notruf abzusetzen und dabei die genaue Position der
Absturzstelle durchzugeben.
Parallel zu uns wurde seitens Notruf NÖ auch die Bergrettung Reichenau alarmiert, die sich vom Waxriegelhaus aus auf den Weg zu den Verunfallten machen sollte. Aus der Luft konnten wir beim Überflug im dicht bewaldeten Gelände ein schwaches Licht ausmachen und so die genauen Koordinaten bestätigen. Allerdings war für uns aufgrund der Dunkelheit eine Landung weder am Notfallort noch beim Waxriegelhaus möglich, auch weil zu diesem Zeitpunkt noch keine bodengebundenen Einsatzkräfte zum Ausleuchten und Einweisen zur Verfügung standen.
Bei Schnee und Eis zu Fuß zum Patienten unterwegs
Gemeinsam haben wir dann beschlossen, zunächst einmal zum Stützpunkt zurückzufliegen, um zu tanken und mit der Leitstelle und der Bergrettung eine weitere Vorgehensweise zu besprechen. Rasch war dann klar, dass wir am Sportplatz in Hirschwang zunächst ein Team der Bergrettung treffen sollten. Dieses hat dann Flugretter Valentin Palmetshofer und mich mit dem Pinzgauer so weit wie möglich an den verletzten Wanderer herangefahren – im letzten Teilstück mussten dann auch Schneeketten angelegt werden. Doch irgendwann war eine Weiterfahrt dann nicht mehr möglich, sodass uns nichts anderes übrig blieb, als den restlichen Weg zu Fuß zurückzulegen. Dafür wurden wir von den Bergretter:innen mit Schneeschuhen, Stöcken und LVS-Geräten ausgestattet. Dann machten wir uns gemeinsam mit ihnen und einem Akia in Richtung der Unfallstelle auf.
Und da war ich jetzt plötzlich bei Minusgraden, mit Schneeschuhen an den Füßen, unterwegs im dunklen Wald. Größer konnte der Unterschied zur hochkomplexen intensivmedizinischen Verlegung, die wir wenige Stunden zuvor geflogen waren, nicht sein. Die Tatsache, dass wir von der Bergrettung mit einem LVS-Pieps ausgerüstet wurden, hat uns zudem eindrücklich vor Augen geführt, dass wir uns in einem lawinengefährdeten Gebiet befinden. Zumindest war mir aber der Umgang mit den Schneeschuhen vertraut, da ich erst vor Kurzem in den Dolomiten damit wandern gewesen war. Aber auch die Tatsache, dass ich im Sommer schon oft in der Region rund um das Waxriegelhaus unterwegs gewesen war, kam mir jetzt zugute, da mir die Gegebenheiten vertraut waren. Auch für Valentin als erfahrenen Skitourengeher waren die winterlichen Bedingungen keinerlei Herausforderung.
Perfekte Zusammenarbeit
Zwischenzeitlich waren auch die ersten Bergretter:innen bei den Brüdern angekommen und begannen mit der Erstversorgung. Da der Verletzte noch in der Lage war, selbst zu gehen, wurden die beiden bis zum nächsten Weg, wo sie mit uns zusammentrafen, begleitet. Ein kurzer Check meinerseits ergab, dass der Zustand des Patienten trotz Kälte und Unfallhergang erfreulich gut war. Er war wach, hatte einen stabilen Kreislauf, Thorax und Becken waren stabil. Die Schulterluxation und die Unterarmfrakturen waren bereits durch die Bergretter:innen gut versorgt, sodass ich mich der Schmerz- und Infusionstherapie widmen konnte. Danach wurde der Verletze mit dem Akia zum Pinzgauer der Bergrettung transportiert und mit diesem dann zum wartenden Hubschrauber.
Nicht zuletzt durch die organisationsübergreifende Zusammenarbeit aller Beteiligten – von der Bergrettung über die Leitstelle bis hin zu Polizei und Alpinpolizei – konnte der Patient gegen 23 Uhr im stabilen Zustand und mit normaler Körpertemperatur im AUVA-Unfallkrankenhaus Meidling übergeben werden. In den frühen Morgenstunden waren wir dann wieder zurück am Stützpunkt – erschöpft, aber mehr als zufrieden mit dem glücklichen Ausgang dieses Einsatzes.
Für mich war es ein wirklich spannender und nicht alltäglicher Einsatz, weil er das zusammengebracht hat, was mich im privaten und beruflichen Umfeld begeistert – in der Natur unterwegs zu sein sowie Menschen zu helfen. Und auch die perfekte Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Rettungsorganisationen hat wirklich Freunde bereitet. Alle waren darauf fokussiert, den beiden Männern trotz widriger Umstände bestmöglich zu helfen. Und als wir in Meidling einen stabilen Patienten mit normaler Körpertemperatur – was bei Minusgraden und schlechter Ausrüstung der beiden Wanderer schon außergewöhnlich war – übergeben haben, hat mich das wirklich gefreut.
Autorin: Julia Möller, Notärztin
Julia Möller, Notärztin:
„Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass unser Teamwork einem Menschen das Leben gerettet hat.“
Bergrettung
Teamwork. Mit dabei bei diesem nächtlichen Einsatz war auch Gerhard Ferstl, der Einsatzleiter der Bergrettung Reichenau. Aus der Sicht des erfahrenen Bergretters waren die Rahmenbedingungen sowohl für die Rettungskräfte als auch für die verunfallte Person alles andere als einfach: „Seitens der Bergrettung bestand die Herausforderung darin, den Patienten zu versorgen und bei Nacht und winterlichen Verhältnissen einen möglichst raschen, aber schonenden Abtransport des Verletzten von der Unfallstelle – die zunächst erst genau eruiert werden musste – zu organisieren." 18 Mitglieder der Ortsstelle Reichenau, sieben Bergretter aus drei Nachbarortsstellen sowie ein Alpinpolizist waren rund fünf Stunden im Einsatz. Die Crew der ÖAMTC-Flugrettung war schnell vor Ort, und durch den Weitertransport per Hubschrauber konnte die Zeit zwischen Unfall und Eintreffen im Krankenhaus stark verkürzt werden. Beim Notfall am Berg zählt Teamgeist – durch die perfekte Zusammenarbeit von Bergrettung, Alpinpolizei und dem Christophorus-Team konnte dem Verletzten auch unter widrigsten Umständen rasch und bestmöglich geholfen werden.